Kompakte Bohrtechnik erschließt tiefste Sedimente des Bodensees

Von einer kompakten, schwimmenden Plattform aus lässt sich nun ein Bohrhammer betreiben, um auch aus den Sedimenten von Bergseen Klimadaten zu gewinnen.
Fraunhofer IEG / GFZ Potsdam

Die Sedimente von Seen und Meeren geben wichtige Einblicke in die Klimageschichte der Erde. Doch gerade die besonders interessanten, tieferen Sedimente der Seen in den Bergregionen bleiben für übliche Bohrgeräte oft unerreichbar. Fraunhofer IEG und Partnerinstitute konnten nun eine tiefe, zusammenhängende Sedimentprobe aus dem Bodensee ziehen und somit weit zurück in das frühere Klima blicken.

Die Umweltbedingungen der Vergangenheit sind unter anderem in Sedimenten von Gewässern archiviert. Aus diesen Archiven lesen Klimaforscherinnen und Klimaforscher und spüren den Klimaprozessen nach. Dazu braucht es jedoch lange, ununterbrochene Bohrkerne aus tiefen Sedimenten. Für diese spezielle Bohraufgabe haben Forscher des Fraunhofer IEG zusammen mit Forschenden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nun das passende Werkzeug entwickelt und getestet – das Bohrsystem Hipercorig.

Ihre auf einem nur acht mal acht Meter großen Schwimmponton untergebrachte Bohrausrüstung erlaubte es jüngst im Bodensee bei einer Wassertiefe von 200 Metern einen 24 Meter langen Bohrkern und im 60 Meter tiefen österreichischen Mondsee einen 63 Meter langen Bohrkern zu ziehen. Diese bisher längste zusammenhängende Sedimentprobe aus dem Bodensee erlaubt einen Rückblick bis in die letzte Eiszeit.

Vielversprechende Aussichten für kompakte Bohrtechnik

Das Bohrsystem Hipercorig ist modular aufgebaut und dadurch leicht zu transportieren sowie auf- und abzubauen – wichtige Kriterien, wenn man weltweit entlegene Seen in bergigen Regionen erschließen möchte. »Herzstück ist ein hydraulischer Bohrhammer an einem langen Druckschlauch, der die Vortriebskraft im Bohrloch selber über rund 70 Hammerschläge pro Sekunde erzeugt und nicht über ein langes und schweres Bohrgestänge entwickeln muss«, erklärt Bohrexperte Volker Wittig vom Fraunhofer IEG. Statt einer klassischen Bohrspülung wird Seewasser für den Antrieb des 200 bar-Schlagwerks eingesetzt und so eine Umweltbelastung in den empfindlichen Ökosystemen ausgeschlossen.

Seen, die durch Gletscherwirkung entstanden sind, weisen oft dichte, harte und grobe Sedimente auf. Die bisher für die Wissenschaft verfügbare Bohrtechnik konnte kaum Bohrkerne jenseits von 10 Meter Sedimenttiefe nehmen. Hipercorig entnahm bei einer Bohrtiefe von bis zu 63 Meter und Wassertiefen bis zu 204 Metern qualitativ hochwertige, kontinuierliche Kerne. Sie liefern neue Erkenntnisse über das Ende der Eiszeit im nördlichen Alpenvorland. Hipercorig bietet damit vielversprechende Aussichten für ähnliche Bohrstellen in Bergseen wie den Bodensee und den Mondsee, flache Meeresbuchten weltweit sowie auch Einsatzmöglichkeiten an Land.

Dieser jüngste Mondsee-Kern, der von Hipercorig gewonnen wurde, stellt den ersten Kern dar, der ohne umfangreiche, aufwendige Bohrungen eine vollständige und ungestörte Sedimentabfolge erlaubt, die in die Zeit der letzten Gletscher im Alpenvorland reicht. Der Kern aus dem Mondsee reicht in die Zeit von vor rund 18 000 Jahre (16 000 Jahre vor Christus), der Kern aus dem Bodensee rund 12 000 Jahre zurück. Der neue Bodenseekern besteht zunächst aus Schlämmen und Mergeln aus verschiedenen Epochen, was die ausgeprägte Erosion in der Alpenregion belegt. Darunter liegen bisher nicht beprobte, mächtige Grobsandschichten und eingelagerte Feinsande, die auf starke und dynamische Flussablagerungen deuten, die parallel zu Gletscherablagerungen stattfanden.

Die Entwicklung des Bohrsystems Hipercorig wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG gefördert. Partnerinstitutionen des Projektes sind GFZ Potsdam, TU Braunschweig, Universität Bern, Universität Insbruck, Fraunhofer IEG, LUBW und Uwitec GmbH.

Originalpublikation:

https://www.ieg.fraunhofer.de/de/presse/pressemitteilungen/kompakte-bohrtechnik-…

Weitere Informationen:

https://sd.copernicus.org/articles/28/29/2020/

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Dr. Meral Fero Pressestelle
Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG

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