Kurzes Aufatmen am Ostseegrund: Sauerstoff im Tiefenwasser der zentralen Ostsee gemessen

Abb. 1: Zentrale Ostsee im November 2013 – Situation vor dem Salzwassereinbruch. (IOW)

Nach einer langen Phase von Sauerstoffmangel im Tiefenwasser der zentralen Ostsee zeigen die Ergebnisse der aktuellen IOW-Messkampagne vom 19.-30. Juli dieses Jahres, dass Sauerstoff-reiches Salzwasser die Tiefenbecken der zentralen Ostsee erreicht hat.

Damit wird eine seit 2003 anhaltende Phase von Sauerstoffzehrung und zunehmender Schwefelwasserstoffbildung unterbrochen und die Lebensbedingungen höherer Lebewesen in diesen oft als „Todeszonen“ bezeichneten Bereichen leicht verbessert.

Zuletzt war es im November/Dezember 2011 zu einem ähnlichen Ereignis gekommen, das jedoch lediglich das Tiefenwasser der südlichen Ostsee einschließlich der Danziger Bucht belüftete. Das aktuell gemessene Ereignis schaffte es, weiter nach Nordosten bis in das zentrale Gotland-Becken vorzudringen.

Dort versorgte der Einstrom die bodennahe Wasserschicht in Tiefen zwischen 200 und 240 Meter zwar nur mit geringen Sauerstoffmengen – es wurden rund 0,37 ml/l gemessen -, er verdrängte jedoch den giftigen Schwefelwasserstoff. Die weiter nördlich liegenden Teile des Gotland-Beckens wurden im Messzeitraum noch nicht von diesem Einstrom erreicht. Das IOW wird den weiteren Verlauf verfolgen.

Als Auslöser dieses Ereignisses nehmen die Warnemünder OstseeforscherInnen zwei länger anhaltende Phasen von westlichen Winden im Februar und März 2014 an. In den Wasserstandsdaten vom 3.-20. Februar und 8.-19. März sind zwei kleinere windinduzierte Einstromereignisse mit geschätzten Volumina von ~ 141 km3 und ~ 203 km3 zu verzeichnen. Das Märzereignis, das die größere Wassermenge mit sich brachte, wurde durch die Abfolge der Sturmtiefs „Danli“, „Ev“ und „Feliz“ über Skandinavien mit Kerndrücken zwischen 960-990 hPa ausgelöst.

Die Schiffsexpedition vom 19.-30. Juli 2014 ist eine von fünf Messkampagnen zur Umweltüberwachung der Ostsee, die das IOW jährlich auf einem festen Stationsnetz, das bis in das Gotlandbecken reicht, durchführt. Innerhalb der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) erfüllt das IOW damit im Auftrage des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) den Beitrag zur Überwachung der Meeresumwelt der Ostsee, zu dem sich die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des Helsinki-Abkommens (HELCOM) verpflichtet hat.

Die gewonnenen Daten werden für regelmäßige nationale und internationale Zustandseinschätzungen der Ostsee genutzt, finden Eingang in zahlreiche Publikationen und stellen die wissenschaftliche Basis für einzuleitende Maßnahmen zum Schutz des Ökosystems der Ostsee dar.

Kontakt:

Dr. Günther Nausch, Sektion Meereschemie, Arbeitsgruppe Allgemeine Meereschemie (Nährstoffanalytik), IOW
(Tel.: 0381 / 5197 332, Email: guenther.nausch@io-warnemuende.de)

Dr. Michael Naumann, Sektion Physikalische Ozeanographie und Messtechnik, IOW (Tel.: 0381 / 5197 267, Email: michael.naumann@io-warnemuende.de)

Nils Ehrenberg, Öffentlichkeitsarbeit, IOW
(Tel.: 0381 / 5197 106, Email: nils.ehrenberg@io-warnemuende.de)

Hintergrund Salzwassereinbrüche

Der Wasserkörper der Ostsee ist permanent geschichtet mit salzärmerem Oberflächenwasser, das ständig durch den Eintrag von Süßwasser der zahlreichen in die Ostsee mündenden Flusssysteme gespeist wird. Diese Deckschicht steht im ständigen Austausch mit der Atmosphäre und ist durch Windeinmischung, temperaturbedingte Umwälzungsprozesse sowie biologische Produktion gut mit Sauerstoff versorgt. Ab einer Tiefe von rund 70 m, also in Bereichen, die durch die Winddurchmischung nicht mehr erfasst werden, zeigt die Ostsee ihre enge Bindung an die Nordsee: hier sammelt sich das gelegentlich durch die Beltsee in die Ostsee einströmende Nordseewasser. Da es salzhaltiger ist als das Ostseewasser, ist es auch schwerer und fließt am Boden der Ostsee entlang in die Tiefenbecken. Beide Schichten mischen sich nur sehr geringfügig, so dass eine dauerhafte Schichtung in der Ostsee besteht. Feste Partikel, wie abgestorbene organische Substanz, passieren die Grenze dieser beiden Wasserkörper meist problemlos, im Wasser gelöste Gase wie Sauerstoff werden jedoch effektiv zurück gehalten. Der Sauerstoffgehalt des Tiefenwassers nimmt daher durch die Zersetzung des herabgesunkenen organischen Materials ständig ab. Bei der Unterschreitung von Schwellenwerten entsteht dort sogar giftiger Schwefelwasserstoff. Eine Verbesserung dieses Zustandes kann nur durch den Zustrom großer Mengen von Nordseewasser erfolgen, welches in Kontakt mit der Atmosphäre war und deshalb reich an Sauerstoff ist.

Dieser horizontale Wasseraustausch wird jedoch durch untermeerische Schwellen in der westlichen Ostsee erschwert. Nur in speziellen Sturmsituationen aus Nordwest kann das salzreiche Tiefenwasser über diese natürlichen Barrieren gepresst werden, um östliche/zentrale Ostseeteile mit neuem Sauerstoff zu versorgen. Diese Gebiete sind die sogenannte Darßer Schwelle, eine ausgedehnte Sandebene zwischen der dänischen Insel Møn und der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst mit 18-19 m Wassertiefe und die Drodgen Schwelle im Öresund. Sie liegt zwischen der dänischen Insel Seeland und dem schwedischen Festland mit einer Wassertiefe von etwa 8-9m.

Seit 2003 fand kein größerer Zustrom mehr statt, so dass in den tiefen Bereichen der zentralen Ostsee, in Wassertiefen über 90 m, der Sauerstoff völlig aufgebraucht war und verstärkte Schwefelwasserstoffbildung eingesetzt hatte. Dadurch waren die biologischen Lebensbedingungen in diesen Gebieten stark eingeschränkt. In den Medien ist in diesem Zusammenhang häufig von „Todeszonen“ die Rede.

Das Bildmaterial kann in hoher Auflösung unter folgendem Link heruntergeladen werden:

http://www.io-warnemuende.de/mitteilung/items/salzwassereinbruch-2014.html

Weiteres Bildmaterial auf Nachfrage

Das IOW ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, zu der zurzeit 89 Forschungsinstitute und wissenschaftliche Infrastruktureinrichtungen für die Forschung gehören. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Bund und Länder fördern die Institute gemeinsam. Insgesamt beschäftigen die Leibniz-Institute etwa 17.200 MitarbeiterInnen, davon sind ca. 8.200 WissenschaftlerInnen, davon wiederum 3.300 NachwuchswissenschaftlerInnen. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,5 Mrd. Euro, die Drittmittel betragen etwa 330 Mio. Euro pro Jahr. www.leibniz-gemeinschaft.de

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Dr. Barbara Hentzsch idw - Informationsdienst Wissenschaft

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