Land in Sicht: Innovatives System für die Fernerkundung

Das multispektrale Messsystem „AMC-6“: entwickelt an der Hochschule Anhalt, wird zukünftig in Flugzeugen eingesetzt, um Bilder von der Erdoberfläche aufzunehmen.
(c) Sascha Perten HS Anhalt

Fernerkundung macht Veränderungen der Erdoberfläche frühzeitig und umfassend sichtbar. Doch nicht jede Technologie ist für alle praktischen Anwendungen geeignet. Forschende der Hochschule Anhalt haben gemeinsam mit Partnern aus der Praxis ein neues multispektrales Messsystem für Flugzeuge entwickelt. Das technische Auge schließt eine Lücke zwischen einfachen und komplexen Lösungen.

Vom Umweltmonitoring bis zum 3D-Stadtmodell

Entstanden ist ein Prototyp mit sechs hochauflösenden Kameras, die bei Flughöhen von 1000 Metern Aufnahmen mit einer Genauigkeit von 10 Zentimetern erreichen. Die Kameras sind mit verschiedenen Filtern kombinierbar, sodass die Erdoberfläche während eines einzigen Fluges in verschiedenen Farbspektren abgebildet wird. Das macht die „Airborne Multispectral Camera“ – kurz „AMC-6“ – vielseitig einsetzbar: um Umweltdaten zu erheben, digitale Oberflächenmodelle zu erstellen, die Wasserqualität von Seen und Flüssen zur überprüfen, präzise Karten für die Landwirtschaft zu erstellen oder sogar detaillierte 3D-Modelle von Städten anzufertigen.

Fernerkundung zwischen multispektral und hyperspektral

Satellitendaten sind dafür weniger geeignet, weil sie nicht so genau und eingeschränkt verfügbar sind. „Die AMC-6 ist zudem eine Alternative zu komplexen Hyperspektralsystemen und den einfachen multispektralen Systemen, die für Drohnen entwickelt wurden“, erklärt Marvin Gabler von der Hochschule Anhalt. Über rund drei Jahre hat er dafür die entscheidenden Hard- und Softwarekomponenten recherchiert und in dem System zusammengeführt. Auch erste Testflüge mit dem hochschuleigenen Gyrokopter gehörten zu dem Projekt, das vom Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) gefördert wurde (Projektträger AiF Projekt GmbH). „Ein weiteres wichtiges Ergebnis des Projekts ist der anwenderfreundliche Workflow, über den die Bilddaten verarbeitet und ausgewertet werden. Die Nutzung multispektraler Bilder so gut wie möglich zu vereinfachen, war und ist uns besonders wichtig“, sagt Prof. Dr. Marion Pause, die das Projekt betreut und seit vielen Jahren auf dem Gebiet bildgebender Technologien für die Fernerkundung forscht.

Technologie im Praxistest

Die Idee für das System geht bereits auf Marion Pauses Vorgänger zurück, Prof. Dr. Lutz Bannehr. Allzu oft machte er die Erfahrung, dass technologische Potenziale für die Fernerkundung nicht in der Praxis ankamen: zu teuer, zu aufwändig oder einfach nicht für bestimmte Fragen geeignet. Solche Hürden können Firmen, die Flugbilder anbieten, nicht allein nehmen, geschweige denn Anwenderinnen und Anwender aus Stadtentwicklung, Landwirtschaft oder Forstwirtschaft. „Dabei wächst das Interesse an innovativen Geo-Informationsprodukten gerade enorm, um Folgen des Klimawandels wie Dürren oder Überschwemmungen zu erfassen und in die Planung von Maßnahmen zu integrieren“, erklärt Marion Pause.

Den Wald von oben überwachen

Inwieweit sich das multispektrale Messsystem dazu nutzen lässt, Wälder zu überwachen, erforscht Marvin Gabler in seiner Doktorarbeit. Baumarten, Baumhöhen und Baumzustand werden aktuell oft noch mit bloßem Auge erfasst und händisch dokumentiert. Viel leichter, über weite Flächen und mit vielseitigen Datenvisualisierungen ließe sich das aus der Luft lösen – zum Beispiel, um besser auf Wetterextreme oder Waldbrandgefahren zu reagieren. „Wir arbeiten bereits mit Verantwortlichen aus der Forstwirtschaft zusammen und die sind von den Möglichkeiten begeistert“, erzählt Marvin Gabler.

Fernerkundung und Vermessung an der Hochschule Anhalt

Es dürfte nicht der letzte Einsatz des innovativen multispektralen Messsystems gewesen sein. Bereits auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Photogrammetrie, Fernerkundung und Geoinformation e.V. im März sorgte es für Aufmerksamkeit und Marvin Gabler wurde für seine Präsentation ausgezeichnet. Er setzt damit eine lange Tradition der angewandten Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Fernerkundung und Vermessung an der Hochschule Anhalt fort. Insgesamt gehört die Hochschule zu den forschungsstarken Einrichtungen Mitteldeutschlands: Mit Drittmitteln im zweistelligen Millionenbereich und rund 100 parallel laufenden Forschungsprojekten pro Jahr. Dabei werden insbesondere Lösungen für kleine und mittlere Unternehmen der Region angestrebt.

Die Projektergebnisse wurden unter folgender DOI publiziert: 10.24407/KXP:1885662998. Praxispartner des Projekts ist die MILAN Geoservice GmbH.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Marion Pause ist im Institut für Geoinformation und Vermessung der Hochschule Anhalt auf dem Campus Dessau erreichbar: marion.pause@hs-anhalt.de, 0340-51971564. Marvin Gabler ist erreichbar unter marvin.gabler@hs-anhalt.de, 0340-5197 1568.

https://www.hs-anhalt.de/hochschule-anhalt/aktuelles.html

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