„Meeresrauschen“ für Langzeitvorhersagen notwendig?

Beobachtete Meeresoberflächentemperatur am 31.12.1984. Einheit: Grad C. Quelle: NOAA.

Tägliche Schwankungen der Meeresoberflächentemperatur in den mittleren Breiten haben einen Einfluss auf langzeitliche Variabilität in der Atmosphäre. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie Kieler Meereswissenschaftler, die kürzlich im internationalen Fachmagazin Geophysical Research Letters erschienen ist.

Wechselwirkungen zwischen dem Ozean und der Atmosphäre generieren Klimaschwankungen auf sehr unterschiedlichen Zeitskalen bis hin zu Jahrzehnten oder Jahrhunderten. Bisher ist es allerdings unklar, in wieweit die kurzfristigen, täglichen Schwankungen in den Ozeanen einen nennenswerten Einfluss auf die Atmosphäre ausüben und bei der Vorhersage von langzeitlichen Klimaschwankungen Berücksichtigung finden müssen.

Eine neue Studie unter Leitung von Wissenschaftlern des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel zeigt, dass die täglichen Schwankungen der Meeresoberflächentemperatur eine Langzeitreaktion der Atmosphäre auf dekadische Änderungen in den Meeren erst ermöglichen. Demzufolge spielt die Simulation der ozeanischen Schwankungen mit hoher zeitlicher und räumlicher Variabilität auch für längerfristige Klimavorhersagen auf Zeitskalen von Jahrzehnten eine wichtige Rolle.

Klimamodelle sind so konzipiert, dass sie über lange Zeiträume gerechnet werden können. Dies ist trotzdem nur mit Höchstleistungsrechnern möglich und erfordert zudem Vereinfachungen gegenüber Modellen, wie sie beispielsweise für die Wettervorhersage genutzt werden. Das gilt auch für kurzfristige Schwankungen, das „Wetter“, in den Meeren, das viele Ozeanmodelle nicht simulieren.

Die Kieler Forscher untersuchten nun gezielt die Rolle des „Ozeanwetters“ auf die Atmosphäre über dem Nordpazifik. „In unseren Simulationen zeigte sich, dass die oft als unbedeutend angesehenen täglichen Schwankungen der Meeresoberflächentemperatur in der Lage sind, die langzeitliche Variabilität im Bereich des Nordpazifiks nachhaltig zu beeinflussen“, sagt Prof. Dr. Mojib Latif, Ko-Autor der Studie vom GEOMAR.

„Das ‚Meeresrauschen’ wirkt als eine Art Katalysator. Die Atmosphäre „spürt“ die langsamen, dekadischen Schwankungen der Meeresoberflächentemperatur nur dann, wenn sie auch die schnellen ozeanischen Veränderungen wahrnimmt“, so Latif weiter. Das funktioniere über die Tiefdruckgebiete, die die täglichen Schwankungen im Ozean wahrnehmen. Prof. Latif: „Die Tiefs sind in gewisser Weise die „Übersetzer“ zwischen den langsamen Veränderungen in den Meeren und der darüber liegenden Atmosphäre“.

„Es ist nun wichtig herauszufinden, ob dieses Resultat auch auf andere Meeresgebiete wie zum Beispiel den Nordatlantik übertragen werden kann“, meint der Kieler Klimaforscher. Ferner hoffen die GEOMAR-Forscher, andere Forschergruppen motivieren zu können, ähnliche Simulationen durchzuführen.

Wenn sich dieses Ergebnis bestätigen sollte, hätte das wichtige Implikationen für die Klimamodellierung insgesamt. Einerseits müssten die ozeanischen Komponenten der Klimamodelle das „Ozeanrauschen“ simulieren können und andererseits müssten die atmosphärischen Komponenten dieses auch auflösen können. Beides ist derzeit im Allgemeinen nicht der Fall. Insgesamt könnte hier ein Schlüssel zu existieren, um dekadische Klimavorhersagen in den mittleren Breiten entscheidend zu verbessern.

Originalarbeit:
Zhou, G., M. Latif, R. J. Greatbatch, and W. Park, 2015: Atmospheric response to the North Pacific enabled by daily sea surface temperature variability, Geophys. Res. Lett., 42, doi: 10.1002/2015GL065356.

Ansprechpartner:
Dr. Andreas Villwock (GEOMAR, Kommunikation & Medien), Tel.: 0431 600-2802, presse@geomar.de

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