Mess-Festival in Brandenburg zur Erfassung kleinräumiger Wetterphänomene
So könnte man das Projekt FESSTVaL umschreiben, welches von Mitte Mai bis August 2021 rund um das Meteorologische Observatorium Lindenberg – Richard-Aßmann-Observatorium (MOL-RAO) des Deutschen Wetterdienstes (DWD) im Landkreis Oder-Spree stattfinden wird.
Gemessen werden sollen Wetterphänomene, die wir alle kennen: Das Wetter ist warm und schön, und plötzlich kommt ein Gewitter auf. Die Luft kühlt sich deutlich ab, es treten starke Windböen auf und es fällt kräftiger Niederschlag, aber fünf Kilometer weiter regnet es noch nicht einmal einen Tropfen. Nach wenigen Minuten ist das Spektakel dann wieder vorbei. Das herkömmliche Bodenmessnetz, bei dem etwa alle 25 km eine Messstation steht, ist nicht geeignet, um die Struktur und Entwicklung solcher räumlich begrenzten Wetterphänomene zu erfassen. Dies möchte das Projekt FESSTVaL nun im Rahmen einer Messkampagne vom 17. Mai 2021 bis 31. August 2021 ändern.
An FESSTVaL beteiligt sind etwa zwei Dutzend Wissenschaftler*innen des DWD und des Max-Planck-Instituts für Meteorologie (MPI-M) in Hamburg und des MPI für Bildungsforschung (MPI-B) sowie von den fünf Universitäten Berlin (FU), Bonn, Frankfurt am Main, Hamburg und Köln. Zusätzlich ergänzen externe Partner das Experiment mit eigenen Messungen, wie die Universitäten Wageningen und TU Hamburg-Harburg, und während der Kernphase der Kampagne im Juni 2021 auch die Universität Tübingen, das KIT – Karlsruher Institut für Technologie, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Außerdem sollen Messsysteme aus Finnland, Kanada und den USA zum Einsatz kommen.
FESSTVaL steht für Field Experiment on Submesoscale Spatio-Temporal Variability in Lindenberg (auf Deutsch: Feldexperiment zur räumlich-zeitlichen Variabilität unterhalb der Mesoskala in Lindenberg) und wurde vom Hans-Ertel-Zentrum für Wetterforschung (HErZ) initiiert. Im Umkreis von 15 km um den DWD-Standort Lindenberg sollen die oben beschriebenen Wetterphänomene und zugehörige Prozesse genauer erfasst werden mit Abständen zwischen den Messstationen von 100 m bis zu wenigen Kilometern. Die Erkenntnisse werden dazu dienen, (i) die Darstellung solcher kleinräumigen Prozesse in den Modellen der numerischen Wettervorhersage zu verbessern, (ii) neue Messstrategien zu testen, z.B. die Frage zu klären, wie nah beieinander Messgeräte stehen müssen, um die Prozesse zu erfassen, und (iii) die Erkenntnisse aus Modellsimulationen mittels der gesammelten Beobachtungen zu testen. Das Hauptinteresse der Wissenschaftler*innen richtet sich auf die Strukturen der atmosphärischen Grenzschicht, also der bodennahen Schicht der Atmosphäre (bis 1-2 km Höhe), auf Kaltluftzonen (sogenannte Cold Pools) und auf Windböen.
Einzigartig für diese Kampagne ist die hohe Dichte der bodennahen Messungen mit 100 selbstgebauten sog. APOLLOS (Autonomous Cold Pool Logger) — Stationen zur oberflächennahen Erfassung von Lufttemperatur und Luftdruck —, 20 automatischen Wetterstationen und 100 Messpunkten für Messungen der Feuchte und Temperatur im Boden. Besonders erwähnenswert ist auch der intensive Einsatz von Fernerkundungstechnik am MOL-RAO und an zwei weiteren Standorten in 5 km Umkreis. Durch den DWD und die FESSTVaL-Partner stehen insgesamt zwölf Systeme für kontinuierliche Messungen des Windprofiles und sieben Messinstrumente für eine ununterbrochene Erfassung der Temperatur und der Luftfeuchte bis in mehrere Kilometer Höhe zur Verfügung. Radarsysteme vermessen dazu die Wolken und den Niederschlag. Während der Hauptphase von FESSTVaL (Juni) sind zudem ferngesteuerte unbemannte Messflugzeuge und viele zusätzliche Wetterballone im Einsatz, um die vertikale und horizontale Struktur der Atmosphäre noch besser zu erfassen
Darüber hinaus wird untersucht, wie nützlich ein Bürgermessnetz (citizen science) sein kann. Dazu werden zahlreiche Wetterstationen, sogenannte MESSIs („Mein Eigenes SubSkalen-Instrument“) an die Bürger*innen verteilt und von diesen zusammengebaut und aufgestellt. Zusätzlich wird untersucht, inwieweit die Partizipation einen positiven Effekt auf das Verständnis der Teilnehmenden für Wetter und Wettervorhersage hat. Ergänzt werden die meteorologischen Messungen durch hochauflösende Modellsimulationen mit dem Wettervorhersage-Modell ICON für die Region rund um Lindenberg.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Cathy Hohenegger
Max-Planck-Institut für Meteorologie
FESSTVaL – Lenkungsausschuss
Tel.: 040 41173 302
E-Mail: cathy.hohenegger@mpimet.mpg.de
Dr. Frank Beyrich
Meteorologisches Observatorium Lindenberg-Richard-Aßmann-Observatorium
Deutscher Wetterdienst
Tel.: 069 8062 5780
E-Mail: frank.beyrich@dwd.de
Dr. Sarah Wiesner
Universität Hamburg – Meteorologisches Institut
Koordinatorin FESSTVaL
Tel.: 040 42838 5158
E-Mail: sarah.wiesner@uni-hamburg.de
Weitere Informationen:
http://www.fesstval.de Projektwebseite
http://www.hans-ertel-zentrum.de/ Hans-Ertel-Zentrum (HErZ)
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften
Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.
Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.
Neueste Beiträge
Die Roboterhand lernt zu fühlen
Fraunhofer IWS kombiniert Konzepte aus der Natur mit Sensorik und 3D-Druck. Damit Ernteroboter, U-Boot-Greifer und autonome Rover auf fernen Planeten künftig universeller einsetzbar und selbstständiger werden, bringen Forschende des Fraunhofer-Instituts…
Regenschutz für Rotorblätter
Kleine Tropfen, große Wirkung: Regen kann auf Dauer die Oberflächen von Rotorblättern beschädigen, die Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit von Windenergieanlagen können sinken, vor allem auf See. Durch die Entwicklung innovativer Reparaturlösungen…
Materialforschung: Überraschung an der Korngrenze
Mithilfe modernster Mikroskopie- und Simulationstechniken konnte ein internationales Forschungsteam erstmals beobachten, wie gelöste Elemente neue Korngrenzphasen bilden. Mit modernsten Mikroskopie- und Simulationstechniken hat ein internationales Forscherteam systematisch beobachtet, wie Eisenatome…