Mineralstaub beschleunigt Sulfatbildung in Wolken
Der Kühlungseffekt von Sulfat auf das Klima der Erde könnte durch eine Neubewertung dieses bisher unterschätzten Reaktionsweges in Klimamodellen künftig deutlich geringer ausfallen.
Auf die Spur dieses bisher unterschätzen Reaktionsweges waren die Wissenschafterinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie, des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS), der Colorado State University und der Universität Mainz bei der Auswertung einer umfangreichen Meßkampagne gekommen, die im Herbst 2010 auf und um den Berg Schmücke im Thüringer Wald chemische Prozesse bei der Wolkenbildung unter die Lupe genommen hatte. Dabei wurden auch verschiedene stabile Schwefelisotope wie 34S anaylsiert da die Reaktionen mit Schwefelbeteiligung zentral bei der Entstehung von Wolken sind. Die Anlagerung von schwefelhaltigem Sulfat an Partikeln in der Luft ist ein Prozess, der entscheidend zur Wolkenbildung mit beiträgt und damit das Klima der Erde mit beeinflusst.
Aus früheren Studien war bekannt, dass die gemessenen Konzentrationen von Sulfat und seinem chemischen Vorläufer Schwefeldioxid stark von den Konzentrationen aus Modellrechnungen abweichen. Es schien also ein Reaktionsweg bisher übersehen oder unterschätzt worden sein, nur welcher? „Bisher wurde angenommen, dass Wasserstoffperoxid das wichtigste Oxidationsmittel für Schwefeldioxid sei und Übergangsmetallionen aus antropogenen Quellen als untergeordneter Katalysator bei der Schwefeldioxid-Oxidation wirken“, erklärt Dr. Eliza Harris vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz, die mittlerweile am Massachusetts Institute for Technology (MIT) in den USA arbeitet. „Unsere Ergebnisse zeigen jetzt aber, dass nicht die anthropogenen sondern die natürlichen Quellen für solche Metallionen die entscheidenden sind und dass dies der dominierende Reaktionsweg bei der Sulfatproduktion in vielen Umgebungen sein könnte.“
Damit wird klar: Mineralstaub, wie er beispielsweise aus Wüsten in die Atmosphäre gelangt, hat einen größeren Einfluß auf die Bildungswege von Sulfat als bisher angenommen. Sulfat, das in diesem Reaktionsweg gebildet wird, lagert sich an die Mineralstaubpartikel an. Da diese relativ groß sind, werden sie zusammen mit dem daran gebundenen Sulfat schnell aus der Atmosphäre ausgetragen. Sulfat aus anderen chemischen Bildungswegen lagert sich dagegen eher an kleine Partikel an, die länger in der Atmosphäre schweben, und kann somit seine Klimawirkung durch leichtere Wolkenbildung und stärkere Lichtstreuung besser entfalten. Hier liegt die Brisanz der berichteten Ergebnisse für das Klima der Erde. Möglicherweise müssen sämtliche Klimamodelle in diesem Punkt überarbeitet werden.
Bisher berücksichtigt lediglich eines der zwölf bedeutendsten Klimamodelle den Reaktionsweg über Metallionen überhaupt – allerdings mit Reaktionsgeschwindigkeiten, die um den Faktor zehn bis einhundert zu langsam sind, so die Analyse der Mainzer Max-Planck-Forscher, die den Anteil dieses Reaktionsweges anhand der Fraktionierungsfaktoren des Schwefelisotops abgeschätzt haben. Eliza Harris und ihre Kollegen schlussfolgern daraus, dass diese Reaktion mindestens ein Drittel zur kontinentalen Sulfatproduktion beiträgt.
An der Kampagne „Hill-Cap Cloud Thuringia (HCCT-2010)“ hatten im Herbst 2010 insgesamt rund 50 Wolkenforscher aus Deutschland, Frankreich, England und den USA teilgenommen. „Ziel war es, mit speziellen Messmethoden die Veränderungen von Aerosolpartikeln bei der Aktivierung zu einer Wolke und nach dem Durchgang durch eine Wolke zu untersuchen. In der Wolke laufen eine Vielzahl von chemischen Reaktionen ab, deren Produkte durch geeignete Messmethoden nachgewiesen werden können. Veränderungen der chemischen Zusammensetzung führen zu Veränderungen der physikalischen Eigenschaften der Partikel, die durch die Experimente besser verstanden werden sollen“, berichtet Dr. Dominik van Pinxteren vom TROPOS in Leipzig, der die Auswertung der Experimente koordiniert.
Durch die Vielzahl der Messgeräte und die hohe Zeitauflösung entstanden eine große Menge an Daten, die teilweise auch zwei Jahre nach dem Experiment noch nicht vollständig ausgewertet sind und noch zu vielen weiteren wissenschaftlichen Publikationen führen werden. „Die jetzt in SCIENCE veröffentlichten Ergebnisse sind von großer Bedeutung für die Klimaszenarien, da alle Prognosen mit weiter steigenden Schwefeldioxid-Emissionen in den Kohleländern China und Indien rechnen, aber in diesen Ländern auch der Eintrag von Staub in die Atmosphäre besonders groß ist“, erläutert Prof. Hartmut Herrmann vom TROPOS, der die Idee zu dem Großversuch hatte und die Kampagne geleitet hat. Die neuen Erkenntnisse zur besonderen Bedeutung von Mineralstaub bei der Schwefeldioxid-Oxidation könnten dazu führen, dass der bisher angenommene starke Abkühlungseffekt des gebildeten Sulfats künftig geringer eingeschätzt wird.
Tilo Arnhold
Publikation:
Eliza Harris, Baerbel Sinha, Dominik van Pinxteren, Andreas Tilgner, Khanneh Wadinga Fomba, Johannes Schneider, Anja Roth, Thomas Gnauk, Benjamin Fahlbusch, Stephan Mertes, Taehyoung Lee, Jeffrey Collett, Stephen Foley, Stephan Borrmann, Peter Hoppe and Hartmut Herrmann (2013): Enhanced role of transition metal ion catalysis during in-cloud oxidation of SO2. SCIENCE. 10 May 2013: 727-730. [DOI:10.1126/science.1230911]
http://dx.doi.org/10.1126/science.1230911
Die Untersuchungen wurden gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Max-Planck-Gesellschaft, dem Max Planck Graduate Center und der National Science Foundation (NSF) der USA.
Weitere Infos:
Dr. Eliza Harris
EAPS, Massachusetts Institute of Technology
http://eapsweb.mit.edu/people/elizah
sowie
Prof. Hartmut Herrmann, Dr. Dominik van Pinxteren, Dr. Andreas Tilgner, Dr. Khanneh Wadinga Fomba, Benjamin Fahlbusch, Dr. Stephan Mertes
Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS)
Tel. 0341-2717-7024, -7029, -7178, -7033, -7089, -7143
http://www.tropos.de/ift_personal.html
oder
Tilo Arnhold, TROPOS-Öffentlichkeitsarbeit
0341-2717-7060
http://www.tropos.de/ift_personal.html
Links:
Mit dem Kopf in den Wolken – Wolkenmess-Experiment im Thüringer Wald (Deutschlandfunk, 2.12.2010):
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/forschak/1333391/
HCCT 2010 (Hill Cap Cloud Thuringia 2010)
http://www.mpic.de/forschung/partikelchemie/gruppe-schneider/projekte/hcct-2010.html
Kampagnentagebuch:
http://www.mpic.de/forschung/partikelchemie/gruppe-schneider/projekte/hcct-2010/hcct-diary.html
HCCT-2010: a complex ground-based experiment on aerosol-cloud interaction. Special Issue of ACPD. Manuscripts under review.
http://www.atmos-chem-phys-discuss.net/special_issue171.html
„Leipziger Graduiertenschule für Aerosole, Wolken und Strahlung am Beispiel des Mineralstaubs (LGS-CAR)“
http://www.lgs-car.tropos.de/
Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Ihr gehören zurzeit 87 Forschungsinstitute und wissenschaftliche Infrastruktureinrichtungen für die Forschung sowie zwei assoziierte Mitglieder an. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesamtgesellschaftlich relevante Fragestellungen strategisch und themenorientiert. Dabei bedienen sie sich verschiedener Forschungstypen wie Grundlagen-, Groß- und anwendungsorientierter Forschung. Sie legen neben der Forschung großen Wert auf wissenschaftliche Dienstleistungen sowie Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Sie pflegen intensive Kooperationen mit Hochschulen, Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Das externe Begutachtungsverfahren der Leibniz-Gemeinschaft setzt Maßstäbe. Jedes Leibniz-Institut hat eine Aufgabe von gesamtstaatlicher Bedeutung. Bund und Länder fördern die Institute der Leibniz-Gemeinschaft daher gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen etwa 16.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon sind ca. 7.800 Wissenschaftler, davon wiederum 3.300 Nachwuchswissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,4 Mrd. Euro, die Drittmittel betragen etwa 330 Mio. Euro pro Jahr.
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