Mount Everest in Südtirol
In der Industriezone der Südtiroler Landeshauptstadt Bozen geht es ab sofort extrem zu: Temperaturen von -40 bis +60° C, künstliches Sonnenlicht – auch bei Nacht, 60 mm pro Stunde Regen – auch bei Trockenheit, 5cm pro Stunde Schneefall – auch im Sommer.
Der Extremklimasimulator terraXcube ist fest in den Boden des gerade entstandenen Technologieparks NOI betoniert und kann doch bis auf 9000 m über dem Meeresspiegel „ansteigen“: Luftdruck und Sauerstoffkonzentration simulieren naturgetreu Bedingungen, wie sie auf den höchsten Gipfeln dieser Erde existieren – weltweit einzigartige Voraussetzungen für medizinische, biologische und industrielle Versuche.
Am Freitagvormittag hat sich die rote Tür des terraXcube unter Beisein von Landeshauptmann Arno Kompatscher und Wegbegleitern des Projektes aus dem In- und Ausland zum ersten Mal geöffnet.
Wie zwei große Würfel sehen die zwei Klimakammern des terraXcube aus. Der Large Cube und der Small Cube verwandeln – klimatisch gesehen – Bozen in jeden erdenkbaren Ort der Welt: „ Während die vier kleinen Kammern des Small Cube vorwiegend Wetterverhältnisse der Alpen reproduzieren, kann der Big Cube Klimabedingungen wie auf dem Gipfel des Mount Everest simulieren.“, erläutert Christian Steurer, Leiter des Zentrums terraXcube bei Eurac Research.
Für die Höhen- und alpine Notfallmedizin sei dies ein „qualitativer Quantensprung“, meint Höhenmediziner Hermann Brugger von Eurac Research, einer der Väter dieses weltweit einzigartigen Projekts. Denn bislang konnten Wissenschaftler Untersuchungen in dieser Höhe nur in freiem, schwer zugänglichem Gelände und somit unter nicht kontrollierten Bedingungen vornehmen.
„Was in der höhenmedizinischen Forschung noch fehlt, ist die Reproduzierbarkeit, also die Wiederholung eines Tests unter gleichen Bedingungen“, berichtet Brugger. Dies ist im terraXcube von nun an möglich: Bis zu 12 Testpersonen können sich gemeinsam mit drei Wissenschaftlern über einen Zeitraum von bis zu 45 Tagen im Large Cube aufhalten.
Die Testbedingungen lassen sich beliebig oft deckungsgleich wiederholen. Verlassen können die Teilnehmer während der Testzeit den Raum über eine Druckluftschleuse, in der sie ohne Dekompression beispielsweise sanitäre Anlagen benutzen können – ohne den Testverlauf zu unterbrechen.
Bei Bedarf kann in dieser Schleuse auch ein schneller Druckabfall simuliert werden, wie er bei Flugrettungseinsätzen im Hochgebirge vorkommt. Ein medizinisches Überwachungssystem kontrolliert kontinuierlich Herzaktivität, Sauerstoffsättigung, Blutdruck und Körpertemperatur der Testpersonen und stellt deren körperliche Unversehrtheit sicher.
Brugger und seine Forscherkollegen aus aller Welt erwarten sich von den Arbeiten im terraXcube einen Durchbruch in der Erforschung von Hypoxie (Sauerstoffmangel) und deren Auswirkungen auf den menschlichen Organismus.
„Die Möglichkeit den Luftdruck zu verändern macht den terraXcube weltweit einzigartig und eröffnet auch der Umwelt- und Landwirtschaftsforschung ganz neue Perspektiven“, freut sich auch Biologe Georg Niedrist, der mit seinen Kollegen von Eurac Research im terraXcube die Funktion von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen unter veränderten Klimabedingungen erforschen wird.
„Mit dieser technologischen Unterstützung können wir in der Biologie neuen grundlegenden Fragen nachgehen, deren Beantwortung bis jetzt nicht möglich war. Wie gehen alpine Organismen mit Druckveränderungen um? Und eignen sich Berge als Rückzugsort für alle Arten, die durch den Klimawandel in die Höhe getrieben werden? Wie lange dauert deren Anpassung?“
Ab Dezember werden Ingenieure und Techniker die beiden Klimakammern akribischen Kontrollen unterziehen, damit sie zum neuen Jahr für die internationale Forschung und auch für die Wirtschaft bereit sind.
„Wir freuen uns sehr, dass wir nicht nur Forschern aus aller Welt, sondern auch Unternehmen die Möglichkeit bieten können, ihre Produkte, technischen Geräte und Maschinen im terraXcube zu testen“ , sagt Roland Psenner, Präsident von Eurac Research. Rund 20 Firmen hätten bereits Interesse an Versuchsreihen angemeldet.
„Unser Large Cube bietet mit seinen 360 Kubikmetern auch Raum für große Geräte“, ergänzt Direktor Stephan Ortner mit Blick auf die Schneekatze, die während der Eröffnung des terraXcube mit einer Schneeschicht bedeckt einen Eindruck von den geplanten Industrietests gibt.
„Bislang mussten Südtiroler Produzenten unter großem logistischem und finanziellem Aufwand für solche Tests ins Ausland fahren. Von nun an können wir im NOI Techpark Testszenarien auf höchstem Niveau kreieren.“
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.eurac.eduAlle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften
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