Neue Einblicke in den geheimnisvollen Meeresboden
Während einer Expedition des deutschen Forschungsschiffs METEOR im Jahr 2012 entdeckten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel zusammen mit Kollegen aus Bremen und Halle sowie aus Portugal, Spanien und Großbritannien bis dahin unbekannte Schlammvulkane am Grund des Atlantiks.
In der internationalen Fachzeitschrift Geology zeigen die Beteiligten jetzt, warum diese Strukturen neue Einblicke über Prozesse im Meeresboden liefern – und warum sie gleichzeitig neue Fragen aufwerfen.
Für die alten Babylonier waren Abzu und Tiamat die Gottheiten des Süß- und des Salzwassers. Für die moderne Ozeanforschung könnten zwei gleichnamige Schlammvulkane jetzt als Einstieg zum Verständnis bisher unentdeckter Vorgänge im Meeresboden dienen. Die Kegel stehen rund 200 Kilometer südwestlich von Portugal in etwa 4500 Meter Wassertiefe am Grund des Atlantiks.
Entdeckt wurden sie zusammen mit einem dritten Schlammvulkan, der nach einem russischen Wissenschaftler den Namen „Michael Ivanov“ erhielt, im Jahr 2012 während einer Expedition des deutschen Forschungsschiffs METEOR. „Schon der Fundort war ungewöhnlich. Unsere weiteren Analysen haben dann gezeigt, dass bei den drei Schlammvulkanen Material aus dem Meeresboden austritt, das einen deutlich tieferen Ursprung hat als das Material vieler anderer Schlammvulkane“, erklärt der damalige Fahrtleiter, Dr. Christian Hensen vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.
Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Großbritannien, Spanien, Portugal sowie von den Universitäten Bremen und Halle präsentiert er die Ergebnisse der Untersuchungen jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Geology.
Schlammvulkane sind morphologische Erhebungen, an denen mit Gas und Wasser gesättigte Schlämme aus dem Untergrund austreten. „Dabei bilden sich manchmal Kegel, die stark an Vulkane im Kleinformat erinnern“, erläutert Geologe Dr. Hensen.
Sie kommen an nahezu allen Kontinentalhängen vor. Oft entstehen sie über besonders dicken Sedimentablagerungen, unter anderem vor großen Flussmündungen wie zum Beispiel dem Nildelta, wo sich über die Jahrtausende riesige Mengen an Schlamm angesammelt haben. Auch vor der Südküste Portugals und Spaniens sind etliche Schlammvulkane bekannt. Dort existieren mächtige Sedimentpakete, die zum Teil durch Plattenbewegungen aufeinandergeschoben worden sind.
„Abzu, Tiamat und M. Ivanov befinden sich aber nicht auf diesem sogenannten Akkretionskeil. Sie liegen westlich vorgelagert, im Bereich einer geologischen Störung entlang der afrikanisch-eurasischen Plattengrenze. Bisher gab es nur die Vermutung, dass dort auch Schlammvulkane liegen könnten. Jetzt haben wir den Beweis“, so Dr. Hensen.
Das Forscher-Team an Bord der METEOR hat die Vulkane während der Expedition M86/5 zunächst mit dem Autonomen Unterwasserfahrzeug (AUV) ABYSS vermessen und dann mit Schwereloten beprobt. Die Proben konnten anschließend in den Laboren der beteiligten Einrichtungen präzise analysiert werden. Dabei ergab sich die nächste Überraschung. „Gewöhnlich stammen die Gase und Flüssigkeiten, die aus Schlammvulkanen austreten, aus den Sedimenten darunter. Das Material, das an diesen drei Schlammvulkanen austritt, weist auf eine Quelle in der Erdkruste unterhalb der Sedimente hin“, so der Geologe.
Damit stellen sich der Forschung neue Fragen: Wie genau sehen die Nachschubwege dieser Schlammvulkane aus? Wo gibt es weitere Quellen dieser Art? „Wir kennen heiße Quellen an den mittelozeanischen Rücken, dort, wo neue Erdkruste entsteht. Diese Quellen sind verhältnismäßig einfach zu finden, weil noch keine Sedimente auf der Kruste liegen. Außerdem entstehen aufgrund der hohen Aufstiegsgeschwindigkeiten und der hohen Temperaturen des Wassers auffällige Spuren am Meeresboden, zum Beispiel die berühmten Schwarzen Raucher“, sagt Dr. Hensen.
Möglicherweise gibt es ähnliche Prozesse auch in anderen Bereichen des Meeresbodens, vor allem in der Nähe von Störungszonen. „Die neu entdeckten Schlammvulkane sind ein deutlicher Hinweis, dass diese Vermutung stimmt“, ergänzt er. Allerdings wären die Systeme mit zunehmender Entfernung von den mittelozeanischen Rücken schwerer zu finden, weil sie weniger dynamisch sind und die Sedimentbedeckung zunimmt.
Die aktuelle Veröffentlichung ist eine wichtige Grundlage für weitere Forschungsprojekte, die helfen sollen, die Transportmechanismen von Flüssigkeiten im Meeresboden besser zu verstehen. Auch während der jüngsten Expedition des neuen deutschen Forschungsschiffs SONNE (SO 237) war das AUV ABYSS im Einsatz, um den Meeresboden im Atlantik entlang einer prominenten Bruchzone zu kartieren und weitere Daten für diese Fragestellung zu erhalten. Das Wissen über die heißen und kalten Quellen am Meeresboden, ihre Verbindungen und ihre Nachschubwege ist fundamental, um beispielsweise Prozesse der Plattentektonik besser zu verstehen und Erdbebengefahren besser einzuschätzen.
„Die alten Babylonier vermuteten unter dem Salzwasserozean Tiamat einen großen, versteckten Süßwasserozean, den sie Abzu nannten. Schlammvulkane verbinden den Ozean mit dem für uns immer noch geheimnisvollen Untergrund des Meeresbodens und fördern nicht selten auch Süßwasser. Deshalb fanden wir die Namen sehr passend für diese wichtigen Entdeckungen“, sagt der damalige Fahrtleiter.
Originalarbeit:
Hensen, C., F. Scholz, M. Nuzzo, V. Valadares, E. Gràcia, P. Terrinha, V. Liebetrau, N. Kaul, S. Silva, S. Martínez-Loriente, R. Bartolome, E. Piñero, V.H. Magalhães, M. Schmidt, S.M. Weise, M. Cunha, A. Hilario, H. Perea, L. Rovelli and K. Lackschewitz (2015): Strike-slip Faults Mediate the Rise of Crustal-Derived Fluids and Mud Volcanism in the Deep Sea. Geology, , http://dx.doi.org/10.1130/G36359.1
http://www.geomar.de Das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
http://www.flows-cost.eu Das Projekt FLOWS (Impact of Fluid circulation in old oceanic Lithosphere on the seismicity of transfOrm-type plate boundaries: neW solutions for early seismic monitoring of major European Seismogenic zones)
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