Neue Erkenntnisse zum Meeresspiegel-Anstieg

Halligen wie die nordfriesische Langeneß sind vom Anstieg des Meeresspiegels besonders bedroht. Heike Hinrichsen

Durch den vom Menschen verursachten Klimawandel wird es auf der Erde immer wärmer. In der Folge steigt der Meeresspiegel, was vor allem Küstenregionen bedroht. Ein internationales Team von Wissenschaftlern um Dr. Sönke Dangendorf vom Forschungsinstitut „Wasser und Umwelt“ (fwu) der Universität Siegen hat vorliegende Daten zum Meeresspiegel-Anstieg neu berechnet.

Die Studie zeigt, dass der weltweite mittlere Meeresspiegel zwischen 1902 und 1990 langsamer angestiegen ist, als bisher angenommen. Gleichzeitig identifizieren die Forscher unverändert hohe Raten für die letzten rund 30 Jahre. Zusammengenommen lassen die Erkenntnisse darauf schließen, dass sich der Meeresspiegel-Anstieg zuletzt deutlich beschleunigt hat. Die Ergebnisse der Studie sind jetzt in der amerikanischen Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Science“ (PNAS) veröffentlicht worden.

„Die Kurve sieht tatsächlich anders aus, als auf der Basis vorheriger Studien berechnet“, sagt Sönke Dangendorf. „Sie verläuft zunächst flacher – dafür geht sie seit den 1990er Jahren deutlich steiler nach oben. Der Meeresspiegel steigt heute etwa dreimal so schnell, wie über das gesamte 20ste Jahrhundert.“ Eine Erkenntnis, die den Ingenieur beunruhigt:

„Der Einfluss des Menschen auf die globale Erwärmung zeigt sich vor allem in den letzten Jahrzehnten. Unsere Ergebnisse belegen, dass der Meeresspiegel sehr empfindlich darauf reagiert.“ Im 20sten Jahrhundert sei er hauptsächlich durch das Abschmelzen von Gletschern und die thermale Ausdehnung des Wassers gestiegen, erklärt Dangendorf. „Im 21sten Jahrhundert kommt das Abschmelzen der großen Eisschilde in Grönland und der Antarktis hinzu. Wir beobachten, dass dieser Prozess zu einem immer dominanteren Faktor für den globalen Meeresspiegel-Anstieg wird.“

Seit 1992 wird der globale Meeresspiegel durch Satelliten gemessen, die permanent die gesamte Meeresoberfläche abtasten. Die Berechnungen früherer Jahre beruhen dagegen auf lokalen Tidepegeln, die ursprünglich für die Belange der Schifffahrt entlang der Küsten installiert wurden. „Die Tidepegel messen den lokalen Wasserspiegel relativ zum Land, auf dem sie stationiert sind. Die Ergebnisse können jedoch durch regionale Faktoren verfälscht werden – zum Beispiel durch vertikale Landbewegungen, Winde oder Gravitationseffekte“, sagt Dangendorf.

Ein weiteres Problem: Die Verteilung der Tidepegel entlang der Küsten variiert sehr stark. Besonders vor 1950 seien einige Regionen nicht flächendeckend mit den Mess-Stationen ausgestattet gewesen, erklärt der Siegener Forscher. Anhand der zur Verfügung stehenden, lokalen Daten den globalen Meeresspiegel zu berechnen – für WissenschaftlerInnen ein Problem. Bereits existierende Studien zum Meeresspiegel-Anstieg kommen daher auch zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen: Der berechnete jährliche Anstieg vor 1990 variierte bisher je nach Studie zwischen 1.2 und 2 Millimetern.

„Wir wollten den Ungenauigkeiten auf den Grund gehen und Lösungen für eine exaktere Berechnung der Daten entwickeln“, sagt Sönke Dangendorf. WissenschaftlerInnen aus Spanien, Frankreich, Norwegen und den Niederlanden waren an der aktuellen Studie beteiligt. Sie haben die Messungen der Tidepegel zunächst um lokale Einzeleffekte bereinigt. „Mithilfe von GPS-Messungen können wir Faktoren wie zum Beispiel vertikale Landbewegungen heute gut bestimmen und entsprechend heraus rechnen“, erklärt Dangendorf. Das Team hat darüber hinaus eine neue Methode zur Berechnung des globalen Meeresspiegels entwickelt. Der Ozean wird dazu in verschiedene Regionen eingeteilt. Diese werden in der Analyse in Relation zu ihrer jeweiligen Fläche unterschiedlich stark gewichtet.

„Wir haben eine relativ simple Methodik verwendet, die nicht viel Rechenzeit benötigt und für jeden verständlich ist“, sagt Sönke Dangendorf. Die Ergebnisse passen für ihn zu Messungen einzelner Prozesse, die zum Meeresspiegel-Anstieg beitragen. „Die Eisschilde in Grönland und der Antarktis speichern rund hundert Mal mehr Wasser, als Gletscher. Daher birgt ein weiteres Abschmelzen der Eisschilde ein besonderes Risiko für tiefliegende Küstengebiete.“

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Tanja Hoffmann idw - Informationsdienst Wissenschaft

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