Ozean im Erdinnern? Wasser in Hunderten Kilometern Tiefe
Die Übergangszone zwischen oberem und unterem Erdmantel enthält erhebliche Mengen Wasser.
Dies hat eine internationale Studie ergeben, an der das Institut für Geowissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt beteiligt war. Das deutsch-italienisch-amerikanische Forschungsteam hatte einen seltenen Diamanten aus 660 Metern Tiefe mithilfe unter anderem von Raman-Spektroskopie und FTIR-Spektrometrie analysiert. Die Studie zeigt, was bisher lange Zeit nur vermutet wurde: Ozeanwasser gelangt zusammen mit abtauchenden Platten bis in die Übergangszone. Der Wasserkreislauf unseres Planeten bezieht also auch das Erdinnere mit ein (Nature Geoscience, DOI 10.1038/s41561-022-01024-y).
Übergangszone (transition zone, TZ) heißt die Grenzschicht, die den oberen und den unteren Erdmantel voneinander trennt. Sie liegt zwischen 410 und 660 Kilometern Tiefe. Hier herrscht ein immenser Druck von bis zu 23.000 bar, unter dem das olivgrüne Mineral Olivin, das rund 70 Prozent des oberen Erdmantels ausmacht und auch Peridot genannt wird, seine Kristallstruktur ändert: Am Beginn der Übergangszone in rund 410 Kilometern Tiefe wandelt es sich zum dichter gepackten Wadsleyit; in 520 Kilometern Tiefe dann in eine noch dichter gepackte Struktur, den Ringwoodit, um.
“Durch diese Mineralumwandlungen werden die Bewegungen der Gesteine im Erdmantel massiv behindert”, erklärt Prof. Frank Brenker vom Institut für Geowissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt. Zum Beispiel bleiben die Mantel-Plumes – aufsteigende Ströme heißer Gesteinsmassen aus dem tiefen Erdmantel – manchmal an der Unterseite der Übergangszone hängen. Und auch die Massebewegung in die umgekehrte Richtung wird gestoppt. Brenker: „Abtauchende Platten haben oft Schwierigkeiten, die Übergangszone komplett zu durchdringen. So kommt es, dass unter Europa ein ganzer Friedhof solcher Platten in dieser Zone herumliegt.“
Bisher war jedoch nicht bekannt, welchen langfristigen Effekt das “Einsaugen” von Material in die Übergangszone auf ihre geochemische Zusammensetzung hat und ob es dort größere Wasservorkommen gibt. Brenker erklärt: “Mit den abtauchenden Platten werden auch Tiefseesedimente huckepack mit ins Erdinnere transportiert. Diese Sedimente können große Mengen Wasser und CO2 speichern. Wie viel davon aber in Form von stabileren, wasserhaltigen Mineralen und Karbonaten die Übergangszone erreicht, war bisher unklar. Und damit auch, ob dort tatsächlich große Mengen an Wasser gespeichert sind.”
Die Voraussetzungen dafür sind jedenfalls gut. Die dicht gepackten Minerale Wadsleyit und Ringwoodit können – ganz anders als das darüber existierende Olivin – große Wassermengen speichern – so große, dass die Übergangszone theoretisch das Sechsfache der Wassermenge unserer Ozeane aufzunehmen in der Lage wäre. “Wir wussten also, dass die Grenzschicht enorme Wasserspeicherkapazität hat“, meint Brenker. „Wir wussten aber nicht, ob sie auch tatsächlich Wasser speichert.”
Eine internationale Studie, an der der Frankfurter Geowissenschaftler beteiligt war, hat nun die Antwort geliefert. Das Forschungsteam analysierte einen Diamanten aus dem afrikanischen Botswana. Er ist in 660 Kilometern Tiefe entstanden, direkt im Kontaktbereich der Übergangszone mit dem unteren Erdmantel, wo Ringwoodit das typische Mineral ist. Diamanten aus dieser Region sind sehr selten, selbst bei den ohnehin schon seltenen Diamanten supertiefen Ursprungs, die nur ein Prozent der Diamanten ausmachen. Die Analysen ergaben, dass der Stein zahlreiche Ringwoodit-Einschlüsse hat – und diese einen hohen Wassergehalt aufweisen. Zudem konnte die Forschergruppe die chemische Zusammensetzung des Steins ermitteln. Diese entspricht ziemlich genau der Zusammensetzung fast jeder Erdmantelknolle, die sich weltweit in Basalten finden lässt. Damit steht fest, dass der Diamant aus einem normalen Stück Erdmantel stammt. “Wir haben mit dieser Studie nachgewiesen, dass die Übergangszone kein trockener Schwamm ist, sondern erhebliche Mengen Wasser speichert”, sagt Brenker. “Damit kommen wir auch der Idee von Jules Verne wieder einen Schritt näher, der bekanntlich einen Ozean im Erdinnern postulierte.” Der Unterschied zu Vernes Verstellungen besteht aber darin, dass sich dort unten kein Meer, sondern wasserhaltiges Gestein befindet, welches sich laut Brenker nicht feucht anfühlen würde und auch nicht tropft.
Schon 2014 war wasserhaltiges Ringwoodit in einem Diamanten aus der Übergangszone erstmals nachgewiesen worden, Brenker hatte an der Studie mitgewirkt. Die genaue chemische Zusammensetzung des Steins ließ sich damals jedoch nicht messen, weil er zu klein war. Daher blieb unklar, wie repräsentativ die erste Studie für den durchschnittlichen Erdmantel ist, da der Wassergehalt des damaligen Diamanten auch aus einem chemisch exotischen Umfeld hätte resultieren können. Die Einschlüsse in dem 1,5 Zentimeter großen Diamanten aus Botswana, den das Forschungsteam in der aktuellen Studie untersucht hat, waren dagegen groß genug, um auch die chemische Zusammensetzung exakt zu messen. So ließen sich die vorläufigen Ergebnisse von 2014 endgültig bestätigen.
Der hohe Wassergehalt der Übergangszone verändert die dynamische Situation in der Erde, denn der Erdmantel darüber und darunter kann nicht annähernd so viel Wasser aufnehmen. Wozu das führt, zeigt sich zum Beispiel an von unten kommenden heißen Mantle Plumes, die unterhalb der Übergangszone hängenbleiben. Dort heizen diese die wasserreiche Übergangszone auf, was wiederum zur Folge hat, dass sich dort dann neue kleinere Mantle Plumes bilden.Wandern diese kleineren wasserhaltigen Mantle Plumes nun weiter nach oben und durchbrechen die Grenze zum oberen Erdmantel, passiert Folgendes: Das in den Mantle Plumes enthaltene Wasser wird freigesetzt, wodurch der Schmelzpunkt des aufstrebenden Materials sinkt. Es schmilzt also sofort und nicht erst kurz bevor es die Oberfläche erreicht, so wie es sonst passiert In Folge sind die Gesteinsmassen in diesem Teil des Erdmantels insgesamt nicht mehr so zäh, was den Massebewegungen mehr Dynamik verleiht. Die Übergangszone, sonst eigentlich eine Barriere für die Dynamik, wird plötzlich zum Antrieb im globalen Stoffkreislauf.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Frank Brenker
Institut für Geowissenschaften
Mineralogie
Tel.: +49-(0)69 798-40134
Mobil: 0151 68109472
f.brenker@em.uni-frankfurt.de
Originalpublikation:
Tingting Gu, Martha G. Pamato, Davide Novella, Matteo Alvaro, John Fournelle, Frank E. Brenker, Wuyi Wang, Fabrizio Nestola: Hydrous peridotitic fragments of Earth’s mantle 660 km discontinuity sampled by a diamond. Nature Geoscience (https://www.nature.com/articles/s41561-022-01024-y)
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften
Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.
Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.
Neueste Beiträge
Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen
Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…
Organoide, Innovation und Hoffnung
Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…
Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis
Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…