Sternenstaub von Roten Riesen
Vor rund 4,5 Milliarden Jahren kollabierte eine interstellare Molekülwolke. In ihrem Zentrum entstand die Sonne und darum herum eine Scheibe aus Gas und Staub, in der die Erde und die übrigen Planeten gebildet wurden.
In dem gut durchmischten interstellaren Material befanden sich exotische Staubkörnchen. «Sternenstaub, der um andere Sonnen gebildet wurde», erklärt Maria Schönbächler, Professorin am Institut für Geochemie und Petrologie der ETH Zürich.
Diese Staubkörnchen machten nur wenige Prozente der gesamten Staubmenge aus und waren ungleichmässig in der Scheibe verteilt. «Der Sternenstaub war wie Salz und Pfeffer», sagt die Geochemikerin, die auch Mitglied des Nationalen Forschungsschwerpunkts PlanetS ist. Als die Planeten gebildet wurden, bekam jeder seine eigene Mischung.
Noch heute können die Forscherinnen und Forscher den Sternenstaub, der bei der Geburt des Sonnensystems vorhanden war, im Labor nachweisen dank hochpräziser Messmethoden. Sie untersuchen bestimmte chemische Elemente und messen den Anteil verschiedener sogenannter Isotope.
Darunter versteht man verschiedene Atomsorten eines Elements, die zwar im Kern die gleiche Anzahl Protonen aber unterschiedlich viel Neutronen besitzen.
«Die Verteilung dieser Isotope ist wie ein Fingerabdruck», sagt Maria Schönbächler: «Sternenstaub hat ganz extreme und einzigartige Fingerabdrücke und weil er so ungleichmässig verteilt war, hat auch jeder Planet und jeder Asteroid bei seiner Entstehung seinen eigenen Fingerabdruck bekommen.»
Palladium in Meteoriten untersucht
Diese sogenannten isotopischen Anomalien konnten Forschende in den letzten zehn Jahren bei der Untersuchung von Erdgestein und Meteoriten bei immer mehr Elementen nachweisen. Maria Schönbächlers Gruppe untersuchte nun Meteoriten, die ursprünglich Teil der Kerne von Asteroiden waren, die vor langer Zeit wieder zerstört wurden. Dabei konzentrierte sie sich auf das Element Palladium.
Zuvor hatten andere Teams im Periodensystem benachbarte Elemente wie Molybdän und Ruthenium untersucht. Daraus liess sich eine Voraussage für die Palladium-Resultate machen. Doch die Messungen widersprachen der Prognose. «Die Meteoriten enthielten viel kleinere Palladium-Anomalien als erwartet», sagt Mattias Ek, der unter anderem die Labormessungen an der ETH als Doktorand durchführte und jetzt als Postdoc an der Universität Bristol, Grossbritannien, arbeitet.
Mit einem neuen Modell können die Forschenden diese Resultate erklären, wie sie nun in der Fachzeitschrift «Nature Astronomy» berichten. Aufgrund seiner Zusammensetzung muss der Sternenstaub hauptsächlich in roten Riesensternen entstanden sein. Dies sind alternde Sterne, die sich ausdehnen, weil ihr Brennstoff im Kern erschöpft ist.
Auch die Sonne wird in vier bis fünf Milliarden Jahren zu einem Roten Riesen werden. Bei diesen Sternen kommt es zu sogenannten langsamen Neutroneneinfang-Prozessen, bei denen schwerere Elemente wie beispielsweise Molybdän oder Palladium entstehen. «Palladium ist etwas flüchtiger als die anderen gemessenen Elemente, deshalb kondensierte es weniger zu Staub und die Menge Palladium vom Sternenstaub ist in den untersuchten Meteoriten kleiner», erklärt Mattias Ek.
Auch für ein weiteres Rätsel um den Sternenstaub haben die ETH-Forschenden eine plausible Erklärung. Auf der Erde hat es vergleichsweise mehr Material von Roten Riesen als auf dem Mars oder Vesta und anderen Asteroiden weiter draussen im Sonnensystem. Dort hat sich eher Material angereichert, das von Supernova-Explosionen stammt.
«Als die Planeten entstanden, waren die Temperaturen näher bei der Sonne recht hoch», erklärt Maria Schönbächler. Deshalb wurden labile Staubkörner, die beispielsweise einen Eismantel hatten, verdampft. Vor allem das interstellare Material enthielt solchen Staub, der in Sonnennähe zerstört wurde, während der Sternenstaub von den Roten Riesen stabiler war und sich deshalb dort anreicherte.
Auch Körner, die von Supernova-Explosionen stammen, verdampfen wahrscheinlich leichter, da sie etwas kleiner sind. «Wir können deshalb erklären, warum das Signal von Sternenstaub, das wir heute im Labor analysieren, hauptsächlich von Roten Riesen stammt und in der Erde am grössten ist», fasst Maria Schönbächler zusammen.
Prof.Dr. Maria Schönbächler, Institut für Geochemie und Petrologie, ETH Zürich, +41 44 632 37 92, maria.schoenbaechler@erdw.ethz.ch
Ek M, Hunt AC, Lugaro M, Schönbächler M: The origin of s-process isotope heterogeneity in the solar protoplanetary disk, Nature Astronomy (2019), doi: 10.1038/s41550-019-0948-z
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