Tiefe Geothermie: Eine Karte des Bochumer Untergrundes

Die Messtrucks schicken die Vibrationssignale in den Untergrund, die geologische Strukturen sichtbar machen sollen. Auch in Bochum wird bald ein Truck Daten aufnehmen. Bild: Alexander Jüstel / Fraunhofer IEG

Erdwärmeheizungen für Einfamilienhäuser nutzen schon den flachen Untergrund als Quelle oder Speicher für Wärme. Doch will man die Wärmeversorgung von Städten nachhaltig gestalten, gilt es tiefere geologische Strukturen zu verstehen und zu nutzen, wie es in München und Paris schon passiert. Einen wichtigen Schritt für Bochum macht nun das Projekt »VESTA CONTRAST«. Es kartiert ein rund 5 Kilometer langes Stück des Untergrundes in Bochum und Witten bis in Tiefen von maximal 2000 Metern nach dem Echolot-Prinzip. Die Ergebnisse werden bei der Aufsuchung von untertägigen Wärmespeichern benötigt, um diese dann in die Umsetzung bringen zu können. Das BMWK fördert das Projekt mit rund 330.000 Euro.

»Der Untergrund des Ruhrgebietes ist nicht nur wegen der vielen ehemaligen Bergwergstrukturen interessant. Auch die natürlichen Sandsteine sind komplex gefaltet und geklüftet und zeugen von einer ereignisreichen tektonischen Geschichte«, begeistert sich Florian Hahn, Projektleiter des übergeordneten Projektes »VESTA« am Fraunhofer IEG. »Wenn wir die tiefen Strukturen verstanden haben, haben die lokalen Energieversorger und Unternehmen eine bessere Basis für die Nutzung in klimaneutralen Energiesystemen.« Zwar ist der Untergrund im Ruhrgebiet aufgrund der Bergbautradition bis in die Tiefen von ca. 1200 Metern gut bekannt, doch darunter gibt es noch viele weiße Flecken, die aber für eine geothermale Nutzung und Speicherung sehr interessant sein können: Je tiefer man bohrt, desto wärmer wird der Untergrund – im weltweiten Schnitt steigt die Temperatur um 3 Grad pro 100 Meter. Deutschlandweit hat Geothermie ein enormes Potenzial: Drei von vier Bestandsgebäuden in Deutschland könnten geothermisch beheizt werden. Gleichzeitig lässt sich jeweils ein Viertel der kommunalen Wärmenetze und des industriellen Prozesswärmebedarfs auf tiefe Geothermie umstellen, unterstreichen zwei einschlägige Roadmaps von Autoren der Fraunhofer-Gesellschaft und der Helmholtz-Gemeinschaft.

Das Projekt »VESTA-CONTRAST« wird ein Grundverständnis der geologischen Situation, des tektonischen Spannungsfelds und des hydraulischen Regimes im Süden von Bochum erzeugen. Es erkundet geophysikalisch die gefalteten und geklüfteten Sandsteine des Erdzeitalters Karbon (300 Millionen Jahre) bis in 2000 Meter Tiefe. In rund 300 Millionen Jahren hat die Plattentektonik das Gestein stark gestaucht, sodass die Schichten ausgeprägte Sättel und Mulden bilden. Das Vorhandensein von natürlichem Thermalwasser und die Eignung als saisonaler Wärmespeicher dieser Strukturen sind für die Wärmewende von besonderem Interesse. Tiefe Geothermie wird bereits erfolgreich seit vielen Jahren zum Heizen von Haushalten und Betrieben in Metropolen wie München und Paris eingesetzt. »VESTA CONTRAST« macht einen ersten Schritt, um diese Möglichkeit auch für Bochum im Sinne eines Wärmespeicherprojektes zu öffnen.

In den Boden lauschen

Das Projektteam des Teilprojektes »CONTRAST« um den Geophysiker Dr. Oliver Ritzmann des Fraunhofer IEG beginnt nun mit den Planungen für die geophysikalische Messkampagne. Das sogenannte Seismik-Verfahren ähnelt dem Echolot und schickt über große Rüttelplatten Vibrationen in die Tiefe, die an Erdschichten reflektiert werden. Geophone, spezielle Mikrofone nehmen die großflächigen Reflexionen wieder auf. Die Analyse aller über mehrere Tage und auf einer Strecke von 5 Kilometern erhobenen Daten erschafft ein »Schallbild des Untergrundes«. Das im Projekt geplante Messfenster beträgt etwa eine Woche und soll in der Zeit bis einschließlich Februar 2025 liegen. Insgesamt sind für die Messung bis zu 600 Geophonpunkte im Abstand von bis zu 10 Meter entlang der Profillinie geplant. Die Linie verbindet grob das Gewerbegebiet Mark51°7 mit dem Stadtteil Witten-Heven und läuft durch die Bochum-Hustadt, den Campus der Ruhr-Universität, der Hochschule Bochum und des Fraunhofer IEG sowie über den Oelbach am Kemnader See. Der genaue Weg innerhalb eines rund 500 Meter breiten Korridors wird in der kommenden Detailplanung festgelegt. Die Rüttelplatten sind unter Lkws montiert, die in Schrittgeschwindigkeit die Strecke abfahren und ca. alle 20 Meter ein Vibrationssignal in die Erde schicken. Die Anregungen dauern dabei bis zu max. 36 s und liegen in einem Frequenzbereich von bis 120 Hz.

Das Projekt »VESTA – Very-High-Temperature Heat Aquifer Storage« soll eine Konzeptstudie zur Nutzung des Bochumer Untergrundes für die Wärmewende erstellen. Projektpartner sind das Deutsche GeoForschungsZentrum GFZ, das Karlsruher Institut für Technologie, die SWM Service GmbH und EnBW Energie Baden-Württemberg AG. Das Teilvorhaben »CONTRAST – CarBON TempeRAture Storage« führt die geophysikalische Messkampagne durch und wird vom BMWK unter dem Förderkennzeichen 03EE4033C mit rund 330.000 Euro gefördert.

Weiterführender Links
https://www.enargus.de/pub/bscw.cgi/?op=enargus.eps2&q=Gas-%20und%20W%C3%A4r…
https://www.ieg.fraunhofer.de/de/referenzprojekte/vesta-contrast.html

Weitere Informationen und Bilder finden Sie unter: www.ieg.fraunhofer.de

Bildunterschrift: Die Messtrucks schicken die Vibrationssignale in den Untergrund, die geologische Strukturen sichtbar machen sollen. Auch in Bochum wird bald ein Truck Daten aufnehmen. Bild: A. Jüstel / Fraunhofer IEG

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Oliver Ritzmann, oliver.ritzmann@ieg.fraunhofer.de

Weitere Informationen:

http://www.ieg.fraunhofer.de

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