Vermessung von Minoischer Eruption verbessert Risikoabschätzung
GEOMAR-Studie liefert neue Erkenntnisse…
Viele verheerende Vulkanausbrüche der Geschichte haben sich an Inselvulkanen ereignet, daher wurde ein Großteil des Eruptionsmaterial am Meeresboden abgelagert. Dadurch ist es schwierig wichtige Maßstäbe zur Gefahrenabschätzung, wie die tatsächliche Größe eines Ausbruchs, zu erfassen.
Ein internationales Team unter Leitung vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel hat nun die Minoische Eruption, die vor etwa 3.600 Jahren stattfand, präzise untersucht und einen neuen Ansatz zur besseren Einordnung und zum tiefergehenden Verständnis derartiger Großereignisse geschaffen. Ihre Studie ist jetzt im Fachjournal Nature Communications erschienen.
Vulkanausbrüche sind spektakulär, gewaltig und, aus der Nähe, gefährlich – so das vorherrschende Bild. Tatsächlich können sich große explosive Eruptionen aber global auswirken. Um die Größe von Vulkaneruptionen einzuordnen, werden das Magmavolumen und das Ablagerungsvolumen bestimmt. Vulkanologen schätzen diese Werte ein, um die Größe verschiedener Vulkanausbrüche vergleichen zu können oder einen Maßstab für die Explosivität der Eruption zu erhalten. Oft ist es aber nicht möglich, die Werte genau zu bestimmen. Dadurch wird es schwierig, auf das tatsächliche Magmavolumen zu schließen und den kompletten Umfang solcher Eruptionen zu erfassen. Insbesondere, weil sich die Ablagerungen der gewaltigsten historischen Ausbrüche zum Teil oder komplett unter Wasser befinden, was eine Untersuchung erschwert. Dies hat bisher auch die genaue Größeneinordnung vergangener Eruptionen und dadurch eine verlässliche Risikoabschätzung verhindert.
Ein internationales Team von Forschenden um den marinen Geowissenschaftler Dr. Jens Karstens vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel hat nun zum ersten Mal neueste geophysikalische und geologische Methoden kombiniert, um die vor 3.600 Jahren stattgefundene Minoische Eruption von Santorini, einer griechischen Insel, neu zu vermessen und eine wichtige Lücke im Verständnis großer vulkanischer Ausbrüche zu schließen. Ihre Studie ist jetzt im Fachjournal Nature Communications erschienen. Die darin präsentierten Analysen führen zu einer der bisher am genauesten bestimmten Volumenabschätzung einer Großeruption überhaupt und liefern einen Ansatz, um auch andere Vulkanausbrüche weltweit besser einzuordnen und zu bemessen. Die Publikation bietet somit die Grundlage, die Gefahr derartiger Ereignisse besser einschätzen zu können, und stellt einen verlässlicheren Maßstab für die präzisere Bestimmung von Magmavolumen auf.
„Vulkanische Eruptionen können weltweit messbare Effekte, wie zum Beispiel eine globale Temperaturabsenkung, zur Folge haben“, bestätigt Dr. Karstens, Erstautor der Studie. „Während wir die Risiken des Klimawandels durch Modelle abschätzen können und ein gutes Verständnis für das Risiko durch Erdbeben haben, sind bei Vulkanen deutlich schlechter aufgestellt. Da haben wir einen blinden Fleck. Es ist daher unerlässlich, dass wir die Folgen großer explosiver Vulkanausbrüche genauer einschätzen lernen. Um das Risiko globalwirksamer Eruptionen besser abschätzen zu können, ist es notwendig zu wissen, wie häufig Eruptionen einer bestimmten Größe vorkommen. Die Grundlage hierfür sind möglichst präzise Volumenberechnungen. Dazu haben wir mit unserer Studie zur Minoischen Eruption einen wichtigen Teil beigetragen.“
Bei den Minoern handelt es sich um die früheste Hochkultur in Europa. Die nach ihnen benannte Eruption fand vor etwa 3.600 Jahren im erdgeschichtlichen Holozän statt und verschüttete dabei eine gesamte Stadt, heute die Ausgrabungsstätte Akrotiri. Die Abschätzungen aus bisherigen Berechnungen legten nahe, dass der Ausbruch bis zu 86 Kubikkilometer an Magma ausgestoßen hat. Damit wäre er einer der größten der vergangenen 10.000 Jahre gewesen. Die neue Analyse des Wissenschaftsteams ergibt deutlich kleinere Zahlen: Mit 26-41 Kubikkilometern nur ein Drittel bis halb so groß, war das damalige Ereignis nach aktuellem Stand.
Für die genauen Berechnungen kombinierten die Forschenden verschiedene Methoden von mehreren Ausfahrten. So konnten sie in 41 Bohrkernen, die während der Forschungsfahrt POS513 vom Forschungsschiff POSEIDON im Jahr 2017 mit einem Schwerelot gewonnen wurden, Ascheablagerungen der Minoischen Eruption nachweisen und das Aschevolumen des Ausbruchs bestimmen. Da ausgeworfenes Magma in unterschiedlicher Porosität aushärtet, nutzten sie ein computertomographiebasiertes Verfahren, um das tatsächlich ausgestoßene, reine Magmavolumen zu bestimmen. Mit seismischen Messungen, die während der Forschungsfahrt POS538 aufgezeichnet wurden, erfassten sie zudem die Ablagerungen von pyroklastischen Strömen – durch den Vulkanausbruch austretende Schuttlawinen aus heißen Gasen, Asche und Geröll – um die Insel herum. Ebenso wie das in die Mitte des Kraters, die so genannte Caldera, gestürzte Material.
Aus der Kombination der erfassten Daten konnten die Wissenschaftler:innen Rückschlüsse über das tatsächliche Ausmaß der Minoischen Eruption ziehen. Dies ist das erste Mal, dass für alle einzelnen Komponenten derart genaue Werte ausgerechnet wurden. Die Schätzungen des Eruptionsvolumens beruhten bisher entweder auf Abschätzungen des Volumens des Caldera-Einsturzes oder auf der unvollständigen Erfassung der Eruptionsprodukte. Beide Ansätze für sich sind in ihrer Aussagekraft begrenzt.
„Unsere Ergebnisse steuern ein weiteres Puzzlestück zum Verständnis von explosiven Vulkanausbrüchen und ihren Ausmaßen bei. Eruptionen können Menschenleben kosten und sogar das Klima beeinflussen. Wir freuen uns, mit unserer Forschung einen Schritt zu einem besseren Verständnis dieser Großereignisse und damit einer verbesserten Risikobewertung beigetragen zu haben“, ergänzt Dr. Karstens.
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1038/s41467-023-38176-3
Weitere Informationen:
http://www.geomar.de/n8944 Bildmaterial zum Download
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