Versteinerte Bäume im Thüringer Wald

Vergrößerung eines Ausschnitts des fossilen Baumfarnstammes aus Manebach mit Zellen.

Manfred Barthel

Museum für Naturkunde Chemnitz

Forscherteam entschlüsselt fossile Mikrowelten

Paläontolog/innen des Museums für Naturkunde Chemnitz und der TU Bergakademie Freiberg führen aktuell in Manebach bei Ilmenau wissenschaftliche Grabungen durch. Dabei stießen sie auf 298 Millionen Jahre alte fossile Baumstämme, in denen Pflanzenzellen sowie Pilze und Ausscheidungen von Tieren erhalten wurden. Anhand der Funde erforscht das Team nun die Rolle der Mikroorganismen in der Evolution und Fossilisation von Pflanzen.

Ein versteinerter, schwarzer Baumstamm hat es Professor Ronny Rößler, Direktor des Museums für Naturkunde Chemnitz und Honorarprofessor für Paläobotanik an der TU Bergakademie Freiberg, angetan. Das Besondere daran wird erst beim Blick ins Mikroskop deutlich: Im fossilen Baumstamm aus Manebach wurden während des Prozesses der Versteinerung Mikrometer kleine Pflanzenzellen mit Quarz gefüllt und auf diese Weise dreidimensional konserviert.

Und mehr noch: In diesen Zellen entdeckte das Team um Prof. Ronny Rößler eine bisher unbekannte fossile Mikrowelt – Spuren von Pilzen und Ausscheidungen von Tieren, die in dem Baumstamm lebten. „Diese fossilen Kleinstlebewesen innerhalb der Gewebe erschließen der Paläontologie einen Mikrokosmos ökologischer Beziehungen zwischen Pflanzen, Tieren und Pilzen, der für die Perm-Zeit, die den Zeitraum von vor ca. 299 Mio. Jahren bis vor ca. 251 Mio. Jahren umfasst, bisher weitgehend unerforscht ist“, erklärt Steffen Trümper, der an der TU Bergakademie Freiberg und am Museum für Naturkunde Chemnitz zu den Funden in Manebach promoviert.

Versteinerte Baumstämme als Klimaarchiv nutzen

„Außerdem nehmen wir die Jahresringe der versteinerten Baumstämme und Äste genau unter die Lupe. „Holzringe spiegeln den Witterungsverlauf über Jahre wider, sodass wir anhand der Versteinerungen das Klima in der Perm-Zeit rekonstruieren können“, ergänzt Prof. Ronny Rößler, der die Geologie-Studierenden seit 2019 gemeinsam mit Prof. Jörg Schneider von der TU Bergakademie Freiberg bei den Grabungen in Manebach anleitet.

„Die Zuwachsringe im versteinerten Holz sowie die Sedimente und die Fossilien insgesamt weisen darauf hin, dass während des Wachstums und der nachfolgenden Einbettung der Baumstämme ein tropisch-wechselfeuchtes Klima vorherrschend war“, ordnet Prof. Jörg Schneider die Ergebnisse in die globale Klimaentwicklung während des Perm ein.

Die Bäume wuchsen in einer dicht bewachsenen Flusslandschaft und wurden wahrscheinlich im Uferbereich von Seen mit Sediment zugedeckt. „Wir vermuteten, dass die Fossilien in der frühen Perm-Zeit entstanden“, so Steffen Trümper. Eindeutig zuordnen konnten die Forscher/innen die Entstehungszeit aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Darum schickten sie Proben einer fossilen Vulkan-Asche, welche bei den Grabungen ebenfalls entdeckt wurde, nach Dresden, wo diese an den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen mittels Uran-Blei-Datierung untersucht wurde. Ergebnis: Die Stämme und die sie einbettenden Gesteine aus Manebach sind 298 Millionen Jahre alt. Von den neuen Erkenntnissen aus Manebach erhoffen sich die Forscher/innen auch, die Wechselwirkungen von Atmosphäre und Biosphäre zu verstehen.

Die weiteren Forschungen im Nachgang der Grabungen sollen nun zur genauen Rekonstruktion des Fossilisationsprozesses beitragen, wobei auch spektroskopische und chemische Verfahren zur Anwendung kommen. Außerdem halten die Wissenschaftler/innen weiterhin nach fossilen Stämmen mit Zellerhaltung Ausschau und untersuchen die wechselseitigen Wirkungen im Zusammenleben der frühen Pflanzen, Pilze und Mikroorganismen in ihren Laboren in Chemnitz und Freiberg.

Hintergrund: Grabungen in Manebach

Die Forschungen an den Funden aus Manebach sind Teil eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten internationalen Projekts, in dem die TU Bergakademie Freiberg und das Museum für Naturkunde Chemnitz mit der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie München und dem Trinity College Dublin zusammenarbeiten. Insgesamt etwa 350.000 Euro stehen im Rahmen der Förderung für das Projekt zur Verfügung. Schon seit dem 18. Jahrhundert wurden in Manebach Fossilien gefunden, weshalb der Ort im Thüringer Wald weltweit als bedeutender Fundort fossiler Pflanzen der Perm-Zeit gilt. Die Funde begründeten die Paläobotanik als eigenständige Forschungsdisziplin und gewähren Einblicke in eine tropische Lebewelt vor knapp 300 Millionen Jahren.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Ronny Rößler, +49 (0)371 488 4550, roessler@naturkunde-chemnitz.de
Steffen Trümper, M.Sc., +49 (0)371 488 4561, steffen.truemper@hotmail.de
Prof. Dr. Jörg W. Schneider, + 49 (0)3731 39 2856, schneidj@geo.tu-freiberg.de

Weitere Informationen:

https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/404803300?context=projekt&task=showDeta…

http://www.tu-freiberg.de/

Media Contact

Philomena Konstantinidis Pressestelle
Technische Universität Bergakademie Freiberg

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften

Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.

Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen

An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…

Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean

20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….

Resistente Bakterien in der Ostsee

Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…