Vulkanausbrüche, die die Welt erschütterten
Aus früheren Studien geht hervor, dass kalte Perioden in der Vergangenheit Ernteausfälle und Hungersnöte nach sich gezogen haben. Diese Ereignisse könnten auch zu Pandemien, gesellschaftlichen Umbrüchen und Migrationsbewegungen beigetragen haben.
Solche Abkühlungen der Atmosphäre wurden durch grosse Vulkanausbrüche verursacht oder stark beeinflusst: Die vulkanischen Schwefelpartikel, die in die obere Atmosphäre geschleudert wurden, schirmten die Erdoberfläche von der Sonneneinstrahlung ab.
Baumringe und Eiskerne bezeugen: Vulkane sorgten für abrupte Abkühlungen im Sommer
Bisher gab es keine verlässliche Methode, diese Vorgänge zeitlich präzise einzuordnen und damit ihre Auswirkung zu messen. Ein internationales Konsortium aus Wissenschaftlern des Desert Research Institute (DRI), der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, des Oeschger-Zentrums der Universität Bern (OCCR) und weiterer Institutionen hat heute in Nature eine Rekonstruktion der zeitlichen Zuordnung veröffentlicht und den damit verbundenen Strahlungseinfluss von fast 300 Vulkanausbrüchen, die seit der frühen Römerzeit stattgefunden haben, aufgezeigt.
Die Analyse von Eisbohrkernen aus Grönland und der Antarktis auf vulkanisches Sulfat lieferte eine Entwicklung des atmosphärischen Sulfatgehalts von Jahr zu Jahr. Doch erst der Vergleich der Ergebnisse mit absolut datierten Baumringen in jährlicher Auflösung ermöglichte es den Forschern, ein recht präzises Bild der Klimaentwicklung zu zeichnen.
Erklärung für die «rätselhafte Wolke»
Laut der Studie verursachten tropische Vulkane und grosse Eruptionen in den oberen Breiten der nördlichen Hemisphäre (etwa auf der Höhe von Island und Nordamerika) häufig schwere und weit verbreitete sommerliche Abkühlungen – beispielsweise in den Jahren 536, 626 und 939 unserer Zeitrechnung.
Der Ausstoss von Sulfat und Asche in die hohe Atmosphäre der nördlichen Halbkugel verdunkelte die Atmosphäre über Europa in einem derartigen Ausmass, dass der Effekt von zahlreichen historischen Augenzeugen bemerkt und in voneinander unabhängigen Archiven aufgezeichnet wurde.
Diese Erkenntnisse bringen Licht in eine seit Langem geführte Debatte über die Ursachen einer der schwerwiegendsten Klimakrisen der jüngsten Menschheitsgeschichte: Ab März 536 wurde im Mittelmeerraum 18 Monate lang eine «rätselhafte Wolke» beobachtet. Sie war das Produkt einer grossen Eruption in den oberen Breiten der nördlichen Hemisphäre.
Der anfängliche kühlende Effekt wurde verstärkt, als nur vier Jahre später in den Tropen ein zweiter Vulkan ausbrach. In der Zeit danach wurden auf der gesamten nördlichen Halbkugel aussergewöhnlich kalte Sommer beobachtet. Der Temperaturschock hielt mehrere Jahre an und zog Ernteausfälle und Hungersnöte nach sich, was wahrscheinlich zum Ausbruch der Justinianischen Pest beitrug, die sich von 541 bis 543 n. Chr. über das ganze Byzantinische Reich ausbreitete und letztendlich die menschliche Bevölkerung in Eurasien dezimierte.
Resultate dank interdisziplinärer Arbeit
24 Wissenschafter von 18 Universitäten und Forschungsinstituten in den USA, Grossbritannien, der Schweiz, Deutschland, Dänemark und Schweden leisteten Beiträge zu dieser Arbeit – darunter Fachleute aus den Bereichen Solar-, Weltraum-, Klima- und Geowissenschaften sowie Historiker. «Das Zusammenführen unabhängiger Informationen aus Aufzeichnungen über Eisbohrkerne, Baumring-Chronologien und historischen Dokumenten ist der Schlüssel für die Einschätzung möglicher Beziehungen zwischen Klimaschwankungen und Menschheitsgeschichte», sagt Ulf Büntgen, Gruppenleiter Dendroökologie bei der WSL. Dieser Abgleich von Eisbohrkernaufzeichnungen mit anderen Aufzeichnungen über frühere Umweltveränderungen wird dazu beitragen, die Rolle zu verstehen, die grosse Klimastörungen bei Aufstieg und Fall von Zivilisationen in der gesamten Menschheitsgeschichte gespielt haben könnten. «Mit neuen hochaufgelösten Aufzeichnungen von Eisbohrkernen aus Grönland und der Antarktis wird es möglich sein, die Rekonstruktion globaler Vulkanaktivitäten und ihrer Klimaauswirkungen bis zurück in die letzte Eiszeit auszuweiten», ergänzt Michael Sigl, früher beim DRI und heute beim Paul Scherrer Institut.
Link zur Originalpublikation: http://dx.doi.org/10.1038/nature14565
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