Wärmeres Mittelmeer führt zu stärkeren Extremniederschlägen
Das Elbehochwasser 2002, das Oderhochwasser 2010 oder das Donauhochwasser 2013 – seit Beginn des 21. Jahrhunderts haben Extremniederschläge über Mitteleuropa immer wieder zu katastrophalen Überschwemmungen geführt.
Ein Team von Klimaforschern aus Deutschland, Österreich und Russland unter der Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel konnte jetzt belastbare Anhaltspunkte dafür finden, dass die steigenden Wassertemperaturen des Mittelmeers in direktem Zusammenhang mit der zunehmenden Intensität von Starkregenereignissen über Europa stehen. Die Studie ist in der internationalen Fachzeitschrift Scientific Reports erschienen.
Das Tiefdruckgebiet, das eine der schlimmsten Überschwemmungskatastrophen in Europa während der vergangenen 100 Jahre auslöste, trug den Namen „Ilse“. Es bildete sich im Sommer 2002 über dem westlichen Mittelmeer und zog im August nach Nordosten über die Alpen bis nach Tschechien, Österreich, Polen und Südostdeutschland. Dort regnete es sich ab.
Ilse führte so viel Feuchtigkeit mit sich, dass die Regenfälle in den Bergen Schlammlawinen auslösten und zahlreiche Flüsse – und anderem die Elbe – über die Ufer treten ließen. Alleine in Deutschland starben mehr als 20 Menschen, der Gesamtschaden wurde hier auf etwa 10 Milliarden Euro geschätzt. Ähnlich katastrophale Überschwemmungen ereigneten sich 2010 entlang der Oder und 2013 an der Donau.
Ein Team von Klimaforschern aus Deutschland, Österreich und Russland hat jetzt mit Hilfe eines Zirkulationsmodells der Atmosphäre den Einfluss der steigenden Wassertemperaturen des Mittelmeers auf die Heftigkeit von Extremniederschlägen untersucht.
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die steigenden Temperaturen die besonders starken Regenfälle von Tiefdruckgebieten aus dem Mittelmeerraum noch weiter verstärken“, sagt die Geoökologin Dr. Claudia Volosciuk vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Sie ist die Erstautorin der Studie, die in der internationalen Fachzeitschrift Scientific Reports erschienen ist.
Grundsätzlich sind Tiefdruckgebiete, die vom Mittelmeer in nordöstliche Richtung nach Mitteleuropa ziehen und dort für zum Teil heftige Niederschläge sorgen, nicht ungewöhnlich. Im Gegenteil: Der deutsche Meteorologe Wilhelm Jacob van Bebber prägte schon im Jahr 1891 den Namen „Vb-Zyklone“ (gesprochen: Fünf-b-Zyklone) für diese Tiefdruckgebiete. Die Bezeichnung ist bis heute gebräuchlich.
„Allerdings hat sich in den vergangenen 100 Jahren ein wichtiger Faktor geändert, und das sind die durchschnittlichen Wassertemperaturen des Mittelmeers“, erklärt die Erstautorin. Seit den 1970er Jahren steigen sie kontinuierlich an. Vor allem in den Sommermonaten Juni, Juli und August ist die Erwärmung besonders stark ausgeprägt und bis zu viermal höher als im globalen Durchschnitt.
Höhere Wassertemperaturen bedeuten mehr Verdunstung in der Region, in der sich die typischen Mittelmeer-Tiefdruckgebiete bilden. „Die zusätzliche Feuchtigkeit wird von den Vb-Zyklonen nach Zentraleuropa transportiert und erhöht somit die Wahrscheinlichkeit, dass es im Zusammenhang mit den Vb-Zyklonen zu höheren Niederschlagsmengen kommt“, sagt Koautor Prof. Dr. Mojib Latif vom GEOMAR.
Klimaprojektionen für das 21. Jahrhundert unter der Annahme weiter steigender atmosphärischer Treibhausgaskonzentrationen deuten außerdem darauf hin, dass die Oberflächentemperaturen des Mittelmeers weiter steigen werden. „Dies könnte die Starkregenfälle in Zentraleuropa weiter intensivieren und damit Überschwemmungen noch größere Schäden verursachen lassen“, sagt Dr. Volosciuk.
Originalarbeit:
Volosciuk, C., D. Maraun, V. A. Semenov, N. Tilinina, S. K. Gulev, M. Latif (2016): Rising Mediterranean Sea Surface Temperatures Amplify Extreme Summer Precipitation in Central Europe. Scientific Reports 6, http://dx.doi.org/10.1038/srep32450
http://www.geomar.de Das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften
Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.
Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.
Neueste Beiträge
Überlebenskünstler im extremen Klima der Atacama-Wüste
Welche Mikroorganismen es schaffen, in den extrem trockenen Böden der Atacama-Wüste zu überleben, und welche wichtigen Funktionen sie in diesem extremen Ökosystem übernehmen – zum Beispiel bei der Bodenbildung –,…
Hoffnung für Behandlung von Menschen mit schweren Verbrennungen
MHH-Forschende entwickeln innovatives Medikament, um die Abstoßung von Spenderhaut-Transplantaten zu verhindern. Wenn Menschen schwere Verbrennungen erleiden, besteht nicht nur die Gefahr, dass sich die Wunde infiziert. Der hohe Flüssigkeitsverlust kann…
Neue Erkenntnisse zur Blütezeit-Regulation
Einfluss von Kohlenstoff- und Stickstoff-Signalwegen auf Blütenrepressoren bei Arabidopsis. In einer aktuellen Publikation in der Fachzeitschrift Plant Physiology hat ein internationales Forschungsteam, dem unter anderem Dr. Justyna Olas als eine…