Weiteres Puzzlestück zur Wirkung von Wäldern auf das Klima gefunden
Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame internationale Studie des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) und der Universität Helsinki, die auf Laborexperimenten aus Leipzig beruht.
Die jetzt in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“ der USA (PNAS Early Edition) veröffentlichten Ergebnisse zeigen erstmals für eine Reihe von natürlichen Verbindungen, die zusammen rund 70 Prozent der biologischen Kohlenwasserstoffemissionen ausmachen, wie viel an schwer-flüchtigen Dämpfen diese produzieren und wie sie das Klima über die Produktion von Aerosolpartikeln beeinflussen.
Aerosolpartikel reflektieren die Sonnenstrahlung und wirken als Kondensationskeime für Wolken. Sie beeinflussen so entscheidend die Wolkenbildung und damit Niederschläge, Temperatur und Klima insgesamt. Die winzigen Aerosolpartikel kommen beispielsweise als Staub, Pollen oder Seesalz direkt in die Atmosphäre oder können dort aus Vorläufergasen entstehen.
Diese Umwandlung von der gasförmigen in feste Stoffe ist ein komplizierter Prozess, an dem noch immer geforscht wird. Das betrifft auch die Rolle, die die Oxidation von flüchtigen organischen Verbindungen spielt, die von Pflanzen an die Atmosphäre abgegeben werden. Dazu gehören beispielsweise Limonen oder Alpha-Pinen, also der typische Duft von Zitrusfrüchten oder Nadelwäldern.
Diese Verbindungen werden zuerst von Pflanzen in die Atmosphäre abgegeben und dort dann von häufigen Oxidationsmitteln, Ozon oder OH-Radikalen oxidiert. Ob diese Reaktionen Dämpfe produzieren, die zu Molekülen oder kleinsten Partikeln kondensieren, kann die Aerosolbildung stark beeinflussen und steht damit im Zentrum der internationalen Forschung. So lange wie diese Prozesse nur unzureichend verstanden sind, ist es schwer selbst mit modernen Klimamodellen zuverlässige Aussagen zum künftigen Klima zu treffen.
Ein weiteres Stück im Klimapuzzle konnte jetzt ein internationales Team aus der Atmosphärenchemie und -physik mit Hilfe von Laborexperimenten und nachfolgenden, globalen Modellsimulationen lösen. Schlüssel dazu sind extrem schwer flüchtige organische Verbindungen – auf Englisch „extremely low-volatility organic compounds (ELVOCs)“ genannt.
Diese sind eine wichtige Quelle für das Partikelwachstum in Größen von etwa zwei bis einhundert Nanometern. Über diese schwerflüchtigen organischen Dämpfe wurde lange spekuliert, aber erst vor kurzem wurden diese Verbindungen durch Fortschritte in der Messtechnik nachweisbar.
Anfang 2014 wurde dieser Nachweis im Fachmagazin NATURE von einem internationalen Forscherteam unter Leitung der Universität Helsinki in Finnland und dem Forschungszentrum Jülich (FZJ) mit Beteiligung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) veröffentlicht. Ende 2014 folgte die zweite Entdeckung des Leipzig-Helsinki-Teams, die den Mechanismus weitestgehend entschlüsseln konnten, der zur schnellen Bildung dieser organischen Verbindungen führt.
Im Fachmagazin „Angewandte Chemie“ berichten Tuija Jokinen und Kollegen, dass die sogenannte „Selbstoxidation“, die zum Beispiel Kunststoffe spröde oder Lebensmittel verderben lässt, auch in der Atmosphäre eine wichtige Rolle spielt. In den „Proceedings of the National Academy of Science“ (PNAS) hat das Team jetzt gezeigt wie verschiedene biologische Verbindungen ELVOCs produzieren und wie relevant diese Verbindungen für die Prozesse in der Atmosphäre sind. Erstmals konnten sie die globale Wirkung von ELVOCs bei der Wolkenbildung abschätzen.
Um die Bildung der extrem schwer flüchtige organischen Verbindungen (ELVOCs) zu untersuchen, hat das Team fünf häufige, biogene organische Verbindungen mit verschiedenen chemischen Strukturen untersucht, die alle mit Ozon und OH-Radikalen zu ELVOCs reagieren. Dabei fanden sie heraus, dass die ELVOCs-Bildung unerwartet schnell abläuft sowie, dass die chemische Struktur der Vorläufergase darüber entscheidet, wie effektiv die verschiedenen Bildungswege ablaufen.
„Die Struktur von biologischen Verbindungen, die in die Atmosphäre emittiert werden, kann beeinflussen wie diese zu Partikeln oxidiert werden“, fasst Erstautorin Tuija Jokinen von der Universität Helsinki zusammen, die diese Untersuchungen in Leipzig am TROPOS durchgeführt hatte. Bei den Experimenten wurden fünf biogene organische Gase (Limonen, α-Pinen, β-Pinen, Myrcen und Isopren) durch das Laminar-Strömungsrohr des TROPOS geleitet, mit Ozon und OH-Radikalen umgesetzt und anschließend die Produkte mittels CI-APi-TOF-Massenspektrometrie untersucht.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Ozonolyse von ringförmigen Monoterpenen, wie α-Pinen oder Limonen, sehr schnell und mit viel größerer Ausbeute zu ELVOCs führt, als dies über die „traditionellen“ Oxidationswege ausgehend von OH-Radikalreaktionen geschieht. β-Pinen, Myrcen und Isopren produzieren dagegen viel weniger von den ELVOCs, die eine wichtige biologische Quelle für die Bildung von Partikeln in der Atmosphäre sind“, unterstreicht Chemiker Dr. Torsten Berndt vom TROPOS, der an allen drei Veröffentlichungen aktiv beteiligt war.
Die Ergebnisse der Experimente wurden anschließend in ein globales Atmosphärenmodell eingebaut, um die Auswirkungen der ELVOCs auf die Partikelbildung in der Atmosphäre der Erde beurteilen zu können. Dazu nutzte das internationale Team ECHAM5-HAM, also ein Aerosol-Klima-Modell, das ursprünglich vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg entwickelt wurde. Nach Angaben der Forschenden ist das in der Studie erweiterte Modell das erste globale Aerosolmodell, das die Bildungsprozesse von Sekundären Organischen Aerosol (SOA) mit der ELVOCs-Produktion aus Experimenten verbindet.
„Die Ergebnisse zeigen, dass biologische Bildungsprozesse im Allgemeinen und die erst kürzlich nachgewiesene Gruppe der ELVOCs-Verbindungen im Besonderen eine äußerst wichtige Rolle für die Chemie der Atmosphäre spielen“, erklärt Prof. Hartmut Herrmann, der am TROPOS die Abteilung Chemie der Atmosphäre leitet. Die jetzt veröffentlichten Forschungsergebnisse sind also ein weiterer Beleg dafür, dass die Menschheit auch durch die Landnutzung die Atmosphäre und damit das Klima beeinflusst. Sie werden dabei helfen, die Klimamodelle zu verbessern, die bisher das Wachstum von Partikeln nicht zufriedenstellend beschreiben können.
Tilo Arnhold/ Tuija Jokinen
Publikation:
Tuija Jokinen, Torsten Berndt, Risto Makkonen, Veli-Matti Kerminen, Heikki Junninen, Pauli Paasonen, Frank Stratmann, Hartmut Herrmann, Alex B. Guenther, Douglas R. Worsnop, Markku Kulmala, Mikael Ehn, and Mikko Sipilä (2015): Production of extremely low-volatile organic compounds from biogenic emissions: measured yields and atmospheric implications. PNAS Early Edition, May 25, 2015.
http://www.pnas.org/content/early/recent
Die Untersuchungen wurden gefördert vom der Europäischen Kommission (EU-Projekte PEGASOS und BACCHUS), der Finnischen Akademie und dem Europäischen Forschungsrat ERC (ATMNUCLE).
Weitere Infos:
Dr. Torsten Berndt, Prof. Hartmut Herrmann, Dr. Frank Stratmann
Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS)
Tel. +49-341-2717-7032, -7024, -7142
http://www.tropos.de/institut/abteilungen/chemie-der-atmosphaere/
http://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/hartmut-herrmann/
http://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/frank-stratmann/
und
Tuija Jokinen, Dr. Mikko Sipilä, Dr. Mikael Ehn
Universität Helsinki
Tel. +358-294-151-698, +358504150877, -076
https://tuhat.halvi.helsinki.fi/portal/en/persons/tuija-jokinen%28d67c0c24-6d64-…
https://tuhat.halvi.helsinki.fi/portal/en/persons/mikko-sipila%283d9d40aa-7f99-4…
https://tuhat.halvi.helsinki.fi/portal/en/persons/mikael-kristian-ehn%280f9f7088…
oder
Tilo Arnhold, TROPOS-Öffentlichkeitsarbeit
Tel. +49-341-2717-7060
http://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/
Links:
Forschung zur Partikelneubildung (Nukleation) am TROPOS:
http://www.tropos.de/forschung/atmosphaerische-aerosole/prozessstudien-auf-klein…
Nukleationsrohr des TROPOS:
http://www.tropos.de/forschung/grossprojekte-infrastruktur-technologie/technolog…
bisherige Pressemitteilungen zum Thema:
Altbekannter Oxidationsmechanismus auch in der Atmosphäre aktiv – und das mit weitreichenden Folgen (Pressemitteilung vom 10.12.2014)
http://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/altbekannter-oxidation…
Neue Gasphasenverbindungen bilden organische Partikelbestandteile (Pressemitteilung vom 26.02.2014)
http://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/neue-gasphasenverbindu…
Pflanzen bremsen die Klimaerwärmung (Pressemitteilung vom 28.04.2013)
http://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/pflanzen-bremsen-die-k…
NATURE: Neues Oxidationsmittel der Atmosphäre entdeckt, das Luftschadstoffe abbaut (Pressemitteilung vom 08.08.2012)
http://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/nature-neues-oxidation…
Wolken verändern die chemische Zusammensetzung und die Eigenschaften von Partikeln (Pressemitteilung vom 02.08.2012)
http://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/wolken-veraenderen-die…
Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) ist Mitglied der Leibniz- Gemeinschaft, die 89 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Deren Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevante Fragestellungen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen intensive Kooperationen mit den Hochschulen u.a. in Form der WissenschaftsCampi , mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.100 Personen, darunter 9.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,64 Milliarden Euro. http://www.leibniz-gemeinschaft.de
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