Wie die großen Falten in Grönlands Eisschild entstehen
Die dicken Polareisschilde Grönlands wirken kompakt, doch mit einem modernen Flugradar lassen sich auch in der Tiefe einzelne Schichten erkennen. Die Schichtenfolge erzählt von früheren Verformungen und zeigt Unregelmäßigkeiten des Eisflusses, die nicht mit der Form des Felsbetts zusammenhängen.
Geowissenschaftler der Universität Tübingen und des Alfred-Wegener-Instituts haben unter der Leitung von Professor Paul Bons ein neues Modell entwickelt, das beschreibt, durch welche Prozesse die Architektur tiefer Eisschichten entstand. Ihr Untersuchungsgebiet war der Petermann-Gletscher in Nordgrönland.
Die Forscher erstellten ein dreidimensionales Modell der Eisschichtarchitektur. Als Hauptstrukturen beschreiben sie bis zu zehn Kilometer breite zylindrische Falten, die parallel zum Eisfluss verlaufen. Mit Hilfe des Modells stellten die Forscher fest, dass diese Falten mit hoher Wahrscheinlichkeit durch seitlichen Druck auf mechanisch anisotropes Eis entstanden sind. Anisotropie bedeutet, dass das Eis sich viel leichter unter Scherung deformiert und härter gegenüber seitlichem Druck reagiert. Vermutlich bilden sich die großen Falten, während der langsame Eisfluss zum Gletscher hin kanalisiert wird.
Der Eisschild Grönlands ist durch immer wieder übereinander geschichtete Schneefälle entstanden, die sich zu kompaktem Eis verdichtet haben. Das kompakte Eis fließt durch den Druck seines eigenen Gewichts in Richtung Küste. „Der Eisschild hat daher die Form einer flachen Kuppel, bei der das junge Eis an der Oberfläche und das ältere Eis an der Basis zu finden ist“, erklärt Paul Bons.
Durch Eiskernbohrungen können Forscher Daten über das frühere Klima ableiten zurückgehend bis in die Eem-Warmzeit in Grönland vor 115.000 Jahren. Erst mithilfe eines Flugradars konnten die einzelnen Schichten auch in der Tiefe abgebildet werden, dadurch erkannten die Forscher, dass die Eisschichtung in tieferen Ebenen unterbrochen ist. „Dort gibt es Falten von leichten Wellen bis hin zu Lagen, die um 180 Grad verkippt sind, sowie auch abgeschnittene Lagen und lückenhafte Bereiche“, sagt der Forscher.
Solche Auffaltungen des Eises wurden schon vorher an mehreren Stellen des Eisschilds entdeckt, doch nur im Untersuchungsgebiet oberhalb des Petermann-Gletschers war die Datenabdeckung und -qualität ausreichend für die Entwicklung eines 3D-Modells der Schichtungen. Nach den neuen Berechnungen können die Strukturen nicht durch unterschiedliche Viskosität der Schichten selbst entstanden sein.
„Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass es wichtig ist, die Anisotropie des Eises besser in Fließmodelle einzubringen als bisher üblich. Nur so können wir vorhersagen, wo in Grönland Störungen der Schichtung zu erwarten sind“, sagt Bons. Realitätsgetreue Modelle seien wichtig, um etwa die aus der Eisschichtung gewonnenen Daten über das frühere Klima richtig zu interpretieren.
Publikation:
Paul D. Bons, Daniela Jansen, Felicitas Mundel, Catherine C. Bauer, Tobias Binder, Olaf Eisen, Mark W. Jessell, Maria-Gema Llorens, Florian Steinbach, Daniel Steinhage & Ilka Weikusat: Converging flow and anisotropy cause large-scale folding in Greenland ice sheet. Nature Communications, Online-Veröffentlichung am 29. April 2016, DOI: 10.1038/ncomms11427.
Kontakt:
Prof. Dr. Paul Bons
Universität Tübingen
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Fachbereich Geowissenschaften – Strukturgeologie
paul.bons[at]uni-tuebingen.de
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Weitere Informationen:
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