Wie kann man Tausende von Kilometern tief in die Erde schauen?

Diamantstempelzelle
(c) Lobanov/GFZ

Gesteinseigenschaften sind unter extremem Druck schwer zu messen. Wissenschaftler präsentieren eine einfache Lösung für ein sehr schwieriges Problem.

Forscher um Sergey Lobanov vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ haben eine neue Methode entwickelt, um die Dichte von Siliziumdioxid (SiO2)-Glas, einem wichtigen Material in Industrie und Geologie, bei einem Druck von bis zu 110 Gigapascal zu messen, 1,1 Mio-facher Atmosphärendruck. Anstatt hochfokussierter Röntgenstrahlen in einer Synchrotronanlage verwendeten sie einen weißen Laserstrahl und eine Standard-Diamant-Stempelzelle. Die Forscher berichten über ihre neue und einfache Methode in der aktuellen Ausgabe der Physical Review Letters.

Das Problem der Dichtemessung unter extremen Bedingungen

In den Geowissenschaften ist die Dichte von Mineralien, Gesteinen und Schmelzen bei Drücken von bis zu mehreren Millionen Atmosphären und Temperaturen von mehreren tausend Grad von entscheidender Bedeutung, da sie die langfristige Entwicklung von Planeten sowie vulkanische Prozesse bestimmt. Aber wie kann die Dichte eines Materials unter solch extremen Bedingungen gemessen werden? Um diese Frage für ein kristallines Mineral oder ein Gestein zu beantworten, nutzen Forschende Röntgenbeugung, mit der man Abstände zwischen periodisch angeordneten Atomen messen kann, um das Volumen zu quantifizieren. Es gibt jedoch ein Problem, wenn das Material eine ungeordnete Struktur hat, d. h. nicht-kristallin ist, wie Gläser oder geschmolzenes Gestein. In diesem Fall muss das Volumen der Probe direkt gemessen werden – die Dichte eines Materials ist gleich seiner Masse geteilt durch sein Volumen. Solche Messungen sind jedoch wegen des winzigen Volumens der unter hohen Druck gesetzten Proben äußerst schwierig. Bisher waren dafür Großforschungseinrichtungen und eine hochspezialisierte Ausstattung erforderlich. Nun stellt ein Team um den Wissenschaftler Sergey Lobanov vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ eine neue Methode vor, bei der ein Laser von der Größe eines Schuhkartons es ermöglicht, das Volumen von Proben zu messen, die auf einen Druck gebracht wurden, der dem in der Tiefe von mehr als 2000 Kilometer in der Erde entspricht.

Im Erdinneren steht das Gestein unter einem unvorstellbar hohen Druck, der bis zu mehreren Millionen Mal höher ist als der normale Atmosphärendruck. Entgegen der weit verbreiteten Meinung ist der Erdmantel jedoch nicht flüssig, sondern fest. Das Gestein verhält sich viskoplastisch: Es bewegt sich pro Jahr Zentimeter um Zentimeter, würde aber bei einem Hammerschlag zerbersten. Dennoch treiben die langsamen Bewegungen die Platten der Erdkruste und die Tektonik an, die wiederum Vulkanismus auslösen. Chemische Veränderungen, z. B. durch Wasser, das aus subduzierten Krustenplatten herausgepresst wird, können den Schmelzpunkt des Gesteins so verändern, dass sich plötzlich geschmolzenes Magma bildet. Wenn dieses Magma den Weg zur Erdkruste und an die Oberfläche findet, kommt es zu Vulkanausbrüchen.

Dichte ungeordneter Materialien

Kein Instrument der Welt kann in den Erdmantel eindringen, um solche Prozesse im Detail zu untersuchen. Daher muss man sich auf Berechnungen, seismische Signale und Laborexperimente verlassen, um mehr über das Erdinnere zu erfahren. In einer Diamant-Stempelpresse lassen sich die extrem hohen Drücke und Temperaturen erzeugen, die dort herrschen. Die darin untersuchten Proben sind kleiner als die Spitze einer Stecknadel. Ihr Volumen liegt im Sub-Nanoliter-Bereich (also mindestens 10 Millionen Mal kleiner als 1 Milliliter). Wenn ein Material unter so hohem Druck komprimiert wird, verändert sich seine innere Struktur. Um dies bei Kristallen genau zu analysieren, werden mit Röntgenstrahlen Beugungsmuster erzeugt. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf das Volumen des Kristallgitters und damit auch auf die Dichte des Materials ziehen. Nicht-kristalline Materialien, wie Gläser oder Gesteinsschmelzen, haben ihr Innerstes bisher für sich behalten. Denn für ungeordnete Materialien liefert die Röntgenbeugung keine direkten Informationen über ihr Volumen und ihre Dichte.

Einfacher Trick: Messung mit Laser – statt Röntgenstrahl

Mit einem einfachen Trick ist es Forschern um Sergey Lobanov nun gelungen, den Brechungsindex und die Dichte von Siliziumdioxid-Glas, einem wichtigen Material in Industrie und Geologie, bei einem Druck von bis zu 110 Gigapascal zu messen. Dies ist ein Druck, der in einer Tiefe von mehr als 2.000 Kilometern im Erdinneren herrscht und 1,1 Millionen Mal höher ist als der normale Atmosphärendruck. Die Forscher verwendeten einen Mehrfarbenlaser, um die Helligkeit der reflektierten Strahlung einer unter Druck stehenden Probe zu messen. Die Helligkeit der Laserreflexion enthielt Informationen über den Brechungsindex, eine grundlegende Materialeigenschaft, die beschreibt, wie der Lichtstrahl beim Durchgang durch das Material abgelenkt wird, aber auch über die Weglänge des Laserstrahls in der Probe. Materialien mit einem hohen Brechungsindex und einer hohen Dichte, wie Diamanten und Metalle, erscheinen unserem Auge normalerweise hell und glänzend. Anstatt die winzigen Proben mit bloßem Auge zu betrachten, verwendeten Lobanov und seine Kollegen ein leistungsfähiges Spektrometer, um Helligkeitsänderungen bei hohem Druck aufzuzeichnen. Diese Messungen ergaben den Brechungsindex von Siliziumdioxid-Glas und lieferten wichtige Informationen zur Bestimmung seiner Dichte.

Bedeutung der Dichtemessung von Gläsern für die Geowissenschaften

„Die Erde war vor 4,5 Milliarden Jahren ein riesiger Ball aus geschmolzenem Gestein. Um zu verstehen, wie sie abgekühlt ist und einen festen Erdmantel und eine Kruste gebildet hat, müssen wir die physikalischen Eigenschaften von geschmolzenem Gestein bei extremem Druck kennen“, sagt Lobanov. Die Untersuchung von Schmelzen unter hohem Druck ist jedoch äußerst schwierig, und um einige dieser Herausforderungen zu umgehen, untersuchen Geologen lieber Gläser als Schmelzen. Gläser werden durch schnelles Abkühlen heißer, aber zähflüssiger Schmelzen hergestellt. Daher spiegelt die Struktur von Gläsern häufig die Struktur der Schmelzen wider, aus denen sie entstanden sind. Bisherige Messungen der Glasdichte bei hohem Druck erforderten große und teure Synchrotronanlagen, die einen stark fokussierten Röntgenstrahl erzeugen, mit dem die winzige Probe in einer Diamant-Stempelpresse untersucht werden kann. Lobanov erläutert: „Dies waren schwierige Experimente, und nur die Dichten von sehr wenigen Gläsern wurden bis zu einem Druck von 1 Million Atmosphären gemessen. Wir haben nun gezeigt, dass die Entwicklung des Probenvolumens und der Dichte beliebiger transparenter Gläser mit optischen Techniken bis zu einem Druck von mindestens 110 GPa genau gemessen werden kann.“ Er fügt hinzu: „Dies kann außerhalb von Synchrotronanlagen erfolgen und ist daher viel einfacher und kostengünstiger. Unsere Arbeit ebnet somit den Weg für künftige Untersuchungen von Gläsern, die sich den heutigen und längst vergangenen Schmelzen der Erde annähern. Diese zukünftigen Studien werden neue quantitative Antworten auf die Entwicklung der frühen Erde sowie auf die treibenden Kräfte hinter Vulkanausbrüchen liefern.“

Neue Möglichkeiten zur Untersuchung nicht-kristalliner, zunächst nicht-transparenter Festkörper

Da die Proben extrem klein und damit hauchdünn sind, werden selbst Materialien, die in großen Stücken wie ein Gesteinsbrocken aussehen, durchsichtig. Den Forschern zufolge eröffnen diese Entwicklungen neue Möglichkeiten zur Untersuchung der mechanischen und elektronischen Eigenschaften von nicht-kristallinen Festkörpern, die in größeren Volumina undurchsichtig erscheinen. Nach Ansicht der Autoren der Studie haben ihre Erkenntnisse weitreichende Auswirkungen auf die Materialwissenschaft und die Geophysik. Darüber hinaus könnten diese Informationen als Maßstab für rechnerische Untersuchungen der Transporteigenschaften von Gläsern und Schmelzen unter extremen Bedingungen dienen.

Lobanov betont, dass diese Art von Studie nur durch das kollegiale Umfeld am GFZ möglich war. Er leitet eine Helmholtz-Nachwuchsgruppe namens CLEAR in der Sektion „Chemie und Physik der Geomaterialien“. „Unsere experimentellen Möglichkeiten, Proben unter hohem Druck zu untersuchen, sind nur das eine“, sagt Lobanov, „mindestens genauso wichtig waren die Diskussionen mit Kollegen in anderen Sektionen, die mir geholfen haben, die Ideen zu entwickeln und umzusetzen.“

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Sergey Lobanov
Helmholtz-Nachwuchsgruppenleiter
Sektion Chemie und Physik der Geomaterialien
Tel.: +49 331 28828607
E-mail: sergey.lobanov@gfz-potsdam.de

Originalpublikation:

S. Lobanov et al.: “Electronic, Structural, and Mechanical Properties of SiO2 Glass at High Pressure Inferred from its Refractive Index” in Physical Review Letters, DOI: 10.1103/PhysRevLett.128.077403
https://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.128.077403

http://www.gfz-potsdam.de/

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