Wie Urbakterien Uran & Co. ausbremsen: Forscher untersuchen Salz-tolerante Mikroben aus potenziellen Endlagerstandorten

Dresdner Radiochemiker konnten zeigen, dass spezielle Mikroorganismen (rosa) im Salzgestein radioaktive Schwermetalle in unlösliche Uranylphosphat-Minerale (grün) umwandeln. HZDR / Juniks

Haloarchaeen sind urtümliche Mikroorganismen, die extrem hohe Salzkonzentrationen in ihrem Umfeld tolerieren und geologische Salzlagerstätten in allen Regionen der Erde besiedeln. Wenn sie mit gelösten Schwermetall-Ionen in Kontakt kommen, setzen sie Phosphat-Ionen frei.

Das fanden Dr. Miriam Bader und Dr. Andrea Cherkouk vom Institut für Ressourcenökologie des HZDR bei ihren Untersuchungen heraus: „Die für die Mikroben eigentlich giftigen Schwermetall-Ionen werden dadurch binnen Minuten fest an die Phosphat-Ionen gebunden.

Die gebildeten Phosphat-Minerale sind für die Mikroben nicht mehr gefährlich“, so Bader. Die Chemikerin konnte zeigen, dass dieser Schutzmechanismus sogar bei hochradioaktiven Substanzen funktioniert.

Salzstöcke zählen zu den geologischen Formationen, die als potenzielle Endlagerstätten für hochradioaktiven Abfall untersucht werden. „In Deutschland gehen diese Salzlagerstätten auf das Zechstein-Meer zurück, das sich vor über 240 Millionen Jahren im heutigen Mitteleuropa ausdehnte“, erläutert Prof. Thorsten Stumpf, Direktor des Instituts für Ressourcenökologie.

„Seit über 30 Millionen Jahren sind die Salzstöcke stabil und haben selbst mehrere Eiszeiten unbeschadet überstanden. Ein Wassereinbruch ist daher auch für die nächsten Jahrmillionen extrem unwahrscheinlich.“

Salzstock-Bedingungen im Labor

In der von Cherkouk geleiteten Gruppe „MicroSalt“ erforschte Miriam Bader während ihrer Promotion geobiochemische Prozesse, die in einem potenziellen Endlager mit hochradioaktiven Abfällen im Wirtsgestein Salz ablaufen könnten. Für die jetzt veröffentlichten Studien brachte sie Haloarchaeen mit hochradioaktiven Schwermetallen in Kontakt, die typischerweise in ausgebrannten Kernbrennstäben enthalten sind. „Vereinfacht gesagt, haben wir ein Worst-case-Szenario mit einem Wassereinbruch in einem Salzstock simuliert“, beschreibt Miriam Bader.

In einer solchen Situation würden sich geringe Mengen radioaktiver Substanzen in der Sole lösen. „Dabei müssen wir klären, ob und wie sie sich verändern, denn davon hängt auch ab, wohin und wie weit die Substanzen im Wirtsgestein verlagert werden und ob sie mit dem Sickerwasser in die Umgebung gelangen“, erläutert die Geoökologin Andrea Cherkouk.

Im Fokus standen Uran – der Hauptbestandteil abgebrannter Kernbrennstäbe – und Curium. Letzteres folgt im Periodensystem auf Uran, Neptunium, Plutonium und Americium. Die auf Uran folgenden Elemente – Trans-Urane genannt – sind für die hohe Radiotoxizität des Abfalls über lange Zeiträume verantwortlich und daher ein wichtiger Fokus für die Endlagerforschung am HZDR.

Verräterische Leuchtsignale

Den Wissenschaftlern am HZDR gelang es exakt nachzuweisen, in welcher chemischen Form die untersuchten Metalle jeweils vorlagen. Als Untersuchungsmethode nutzten sie die zeitaufgelöste, laserinduzierte Fluoreszenz-Spektroskopie: Alle untersuchten Metall-Ionen zeigen nach Bestrahlung mit einem kurzen Laserpuls ein typisches Fluoreszenz-Spektrum.

Dessen genaue Eigenschaften und der zeitliche Verlauf hängen von der chemischen Nachbarschaft ab. Auf diese Weise konnten die Forscher differenzieren, ob das Metall-Ion „frei“, also von Wassermolekülen umgeben war, an anorganisches Phosphat gebunden oder an organische Moleküle, die typische Bestandteile von Zellwänden sind.

Am Beispiel von Uran beobachteten die Forscher zudem über einen Zeitraum von mehreren Tagen die Bildung der Biomineralien. Dafür nutzten sie eine Kombination spektroskopischer Methoden. „Zuerst sahen wir das freie, im Wasser gelöste Uranyl-Ion. Das lagerte sich an die Zellwand unserer Archaeen an, die – wie bei allen Lebewesen – hauptsächlich aus organischer Substanz besteht“, beschreibt Bader. Durch das von der Zelle freigesetzte Phosphat entstanden anschließend Uranylphosphat-Mineralien, deren Kristalle rasch größer wurden.

Natürliche Wächter in der Salzbarriere
Der Mikrobenstamm, den die Wissenschaftler für ihre Experimente benutzten, heißt in der Fachsprache Halobacterium noricense DSM15987T. Ein etwas irreführender Name: „Es handelt sich nicht um Bakterien, sondern um Archaeen“, erklärt Cherkouk. „Sie bilden quasi ein natürliches Wachpersonal für nukleare Abfälle und können recht wirkungsvoll verhindern, dass Uran und andere hoch-radioaktive Schwermetalle bei einem Wassereinbruch vom Endlager in die Umwelt gelangen“, bringt die Geoökologin das Ergebnis auf den Punkt.

Ähnlich wie Bakterien, sind die urtümlichen Mikroben zwar fast überall auf der Erde zu finden. An extremen Orten jedoch – in heißen Quellen der Tiefsee, in jahrtausendealten Eisschichten oder eben in Salzstöcken – erweisen sich Archaeen als wahre Überlebenskünstler, hier sind sie die vorherrschende Lebensform. Ihre Abwehr-Strategie gegen Metalle ist ebenso simpel wie effektiv: Phosphat-Ionen binden sich fest an nahezu alle Arten von Schwermetallen und machen sie damit aus Sicht der Mikroben unschädlich. Zugleich sind Archaeen gegenüber ionisierender Strahlung unempfindlicher als höhere Lebewesen.

Die Studie zur Biomineralisation von Uran erschien 2018 in der Zeitschrift Environmental Science & Technology (DOI: 10.1021/acs.est.8b02667), die Untersuchungen zu Curium wurden in der Fachzeitschrift Environmental Science and Pollution Research (DOI: 10.1007/s11356-019-04165-7) veröffentlicht. Erstautorin beider Publikationen ist Miriam Bader, sie führte die Studien während ihrer Promotion zum Thema „Wechselwirkung halophiler Mikroorganismen mit Radionukliden“ durch. Vom HZDR erhielt sie dafür den Anerkennungspreis 2018. Außerdem wird die Fachgruppe Nuklearchemie der Deutschen Chemischen Gesellschaft (GDCh) die Chemikerin mit dem Doktorandenpreis 2019 auszeichnen.

Publikationen:
M. Bader, H. Moll, R. Steudtner, H. Lösch, B. Drobot, T. Stumpf, A. Cherkouk: Association of Eu(III) and Cm(III) onto an extremely halophilic archaeon, in Environmental Science and Pollution Research, 2019 (DOI: 10.1007/s11356-019-04165-7)

M. Bader, A. Rossberg, R. Steudtner, B. Drobot, K. Großmann, M. Schmidt, N. Musat, T. Stumpf, A. Ikeda-Ohno, A. Cherkouk: Impact of Haloarchaea on Speciation of Uranium – A Multispectroscopic Approach, in Environmental Science & Technology, 2018 (DOI 10.1021/acs.est.8b02667)

Weitere Informationen:
Dr. Andrea Cherkouk | Dr. Miriam Bader
Institut für Ressourcenökologie am HZDR
Tel.: +49 351 260-2989 | -2860
E-Mail: a.cherkouk@hzdr.de | m.bader@hzdr.de

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Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
• Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
• Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
• Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
Das HZDR entwickelt und betreibt große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.
Es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat fünf Standorte (Dresden, Freiberg, Grenoble, Leipzig, Schenefeld bei Hamburg) und beschäftigt knapp 1.200 Mitarbeiter – davon etwa 500 Wissenschaftler inklusive 150 Doktoranden.

Dr. Andrea Cherkouk | Dr. Miriam Bader
Institut für Ressourcenökologie am HZDR
Tel.: +49 351 260-2989 | -2860
E-Mail: a.cherkouk@hzdr.de | m.bader@hzdr.de

M. Bader, H. Moll, R. Steudtner, H. Lösch, B. Drobot, T. Stumpf, A. Cherkouk: Association of Eu(III) and Cm(III) onto an extremely halophilic archaeon, in Environmental Science and Pollution Research, 2019 (DOI: 10.1007/s11356-019-04165-7)

M. Bader, A. Rossberg, R. Steudtner, B. Drobot, K. Großmann, M. Schmidt, N. Musat, T. Stumpf, A. Ikeda-Ohno, A. Cherkouk: Impact of Haloarchaea on Speciation of Uranium – A Multispectroscopic Approach, in Environmental Science & Technology, 2018 (DOI 10.1021/acs.est.8b02667)

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