Aggressive Männer schrecken indigene Frauen ab

Aggressives Verhalten von Männern führt bei indigenen Völkern nicht immer zu höherem Erfolg in Sachen Partnerwahl und Nachkommenschaft. Das berichten US-amerikanische Ethnologen in der Online-Fachzeitschrift Proceedings.

Sie hatten versucht, Ursachen und Folgen zur Gewaltentstehung beim Eingeborenenstamm der Waorani im Regenwald Ecuadors nachzuweisen. Diese kleine Gruppe war in der Vergangenheit bekannt für besonders blutige Fehdekriege gegen Menschen des eigenen Volks sowie durch meist tödlich endende Aggressionen gegen Eindringlinge.

„Der Schutz der Ressourcen allein ist keine Erklärung für die hohe Aggressionsbereitschaft der Waorani, da ihr Gebiet sehr reich an Naturschätzen ist“, so der Forschungsleiter Stephen Beckermann von der Penn State University. Um die Auswirkungen der Kriegshandlungen auf die Waorani-Familien zu erheben, befragten die Forscher alte Waorani-Männer aus 23 Dörfern und rekonstruierten daraus die Kriegs- und Lebensgeschichten sowie die Stammbäume von 551 Waorani aus fünf Generationen. Die Zahl der Beteiligungen an Angriffen werteten die Forscher als Maß für die Aggression der einzelnen Männer, wobei jedoch auch deren Alter berücksichtigt wurde.

Die blutigsten der Waorani-Krieger fanden weit schwerer Frauen, so das Ergebnis der Foschung. Die Ethnologen führen das darauf zurück, dass Aggressionen Gefahr der Rache für die ganze Familie bedeutete, weswegen Frauen sanftmütige Männer bevorzugten. Das Verhalten der Waorani unterscheidet sich somit deutlich von dem ähnlicher kriegerischer Völker. „Beobachtungen etwa der Yanomamo in Venezuela haben darauf hingewiesen, dass aggressive Krieger deutlich mehr Frauen und Kinder haben“, berichtet Beckermann. Der Unterschied zwischen den beiden Völkern sieht der US-Anthropologe jedoch kulturell bedingt. Die Yanomami legten zwischen ihren Rachefeldzügen Friedenspausen ein, die unter anderem die Reproduktion sicherstellen sollten. Ziel der Waorani war hingegen die völlige Vernichtung des Gegners, wofür sie selbst Fehdeanlässe verwendeten, die Generationen zurücklagen.

Als „extrem vereinfachend“ kritisiert Elke Mader vom Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien http://www.univie.ac.at/ksa im pressetext-Interview die Forschung ihrer US-Kollegen. „Die hier aufscheinende Soziobiologie will feststellen, ob Verhaltensweisen und Einstellungen im Sinne Darwins förderlich sind oder nicht“, so die Südamerika-Spezialistin. Gewalt habe jedoch allgemein wie auch bei den Waorani viele Faktoren der Entstehung und Wirkung, unter anderem geschichtliche. „Waorani wurden lange Zeit von Kautschuksammlern bedroht, die ihre Umsiedlung erzwingen wollten. Aufgrund ihrer starken Aggressivität versuchte man, andere indigene Gruppen gegen sie anzusetzen“, so Mader. Die hohe Bewertung von männlicher Tapferkeit und Kampfgeist finde man hingegen in vielen Kulturen, wie etwa im mittelalterlichen Rittertum oder auch im heutigen Militär.

Wenngleich die Blutrache auch bei heutigen Waorani noch existiere, habe seit den 60er-Jahren ein langer Prozess des Verhaltenswandels stattgefunden. „Massive Gewalt ist heute viel weniger verbreitet, was unter anderem auf die politische Anerkennung des Volkes zurückgeht. Eine Verfassungsänderung Ecuadors in den 90ern hat indigene Gemeinschaften stärker integriert, eine Zentralvertretung indigener Gruppierungen im Parlament geschaffen und den Waorani ein Territorium zugesprochen“, berichtet die Wiener Anthropologin.

Media Contact

Johannes Pernsteiner pressetext.austria

Weitere Informationen:

http://www.psu.edu

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