Die Zukunft liegt im Quartier
Ausgangpunkt für die im Netzwerk erarbeiteten Positionen ist die folgende Prognose: Die Gruppe der „jungen Alten“ wird im Jahr 2030 um rund fünf Millionen Menschen steigen.
Die Zahl der über 80-Jährigen wird von heute drei Millionen auf fast acht Millionen im Jahr 2050 wachsen. Diese Entwicklung stellt eine große Herausforderung dar, denn mit steigendem Lebensalter steigt auch das Risiko, pflegebedürftig zu werden. Gleichzeitig nimmt die Zahl der jüngeren Menschen kontinuierlich ab.
Familienstrukturen, die heute noch die Pflege von Angehörigen sicherstellen, werden sich weiter verändern. Heute ist die Betreuung älterer Menschen ein unüberschaubares Gebilde aus verschiedenen Leistungsbereichen, politischen Ideen, Planungen, Verwaltungsstrukturen und Budgets.
Die einzelnen Angebote im Quartier (dabei kann es sich um ein Siedlungsgebiet, ein städtisches Wohngebiet oder ein Dorf handeln) sind weder koordiniert noch vernetzt.
Vernetzter Sozialraum – das Quartier
Wie könnte ein funktionierendes Quartier aussehen? Die ganze Palette der ambulanten Pflege mit teilstationären Angeboten, betreuten Pflegewohngruppen wie Wohngemeinschaften, aber auch stationären Einrichtungen sollte wohnortnah organisiert sein und zusammenarbeiten. Das kann nur gelingen, wenn nicht weiterhin große, mit dem Sozialraum nicht vernetzte Pflegeeinrichtungen gebaut werden. Zudem müssen die Bürger aktiv in die Stadtteilentwicklung eingebunden werden.
Mit einer Netzwerkstrategie kann das Nebeneinander der verschiedenen Akteure koordiniert und zusammengebracht werden. Kooperationen auf örtlicher Ebene wie etwa Produktionsküchen für Kindertagesheime, Schulen sowie Alteneinrichtungen, Bürger- und Mehrgenerationenhäuser sowie Sport- und Familientreffs können wirtschaftliche Effizienzvorteile bringen und das soziale Miteinander stärken. Die Wohnungen müssen baulich angepasst, Neubauten barrierefrei errichtet werden. In den Quartieren sollten zudem unterschiedliche Wohnungsgrößen bereitgestellt werden.
Für die Entwicklung neuer Wohnangebote ist eine enge Kooperation zwischen Wohlfahrtspflege, Wohnungsunternehmen, Kommunen und lokalen Initiativen notwendig – und zwar so früh wie möglich. Die Angebote der Seniorenbetreuung, besonders zur sozialen Integration und gesundheitlichen Vorsorge und Pflege/Betreuung, sowie die absehbar notwendigen infrastrukturellen Investitionen in den anderen sozialen Aufgabenfeldern müssen auf Stadtteilebene besser vernetzt werden. Die Netzwerkpartner sehen in dieser Ausrichtung ein herausragendes Qualitätsmerkmal der Angebote der Freien Wohlfahrtspflege.
Vielfalt wichtig
Selbstbestimmung und Teilhabe für die hilfebedürftigen Menschen werden vor allem dann realisierbar, wenn möglichst viel Wahlfreiheit unter den Hilfsangeboten und die Möglichkeit zur Mitgestaltung der individuellen Hilfearrangements besteht.
Diese Anforderungen sind nur mit einer Pluralität des Dienstleistungsangebots erfüllbar, was eine ausreichende unternehmerische Handlungsfreiheit der Leistungserbringer erfordert.
Damit diese Ansätze gelingen können, ist ein Paradigmenwechsel an mehreren Stellen erforderlich. Da sind zunächst die Träger der Wohlfahrtspflege. Sie müssen weg von ihrer Investoren- und Dienstleisterrolle und sich zu gemeinwesenorientierten Akteuren entwickeln. Die Akteure vor Ort müssen lernen, dass sie nicht gegeneinander sondern im Netzwerk miteinander arbeiten. Das heißt konkret: Konkurrenzen abbauen und Kooperationen leben, den Hilfemix professionell moderieren und managen, neue Schulungskonzepte für die Mitarbeiter entwickeln, akzeptieren, dass die Quartiersbewohner die Dienstleistung bestimmen und an deren Erbringung mitwirken und auch die Freiwilligenarbeit anerkennen.
Kommunen gefragt
Auch die Kommunen sind gefordert. Nur wenn das Zusammenspiel der Kommunen mit anderen Akteuren wie sozialen Dienstleistungsunternehmen, öffentlichen Leistungsträgern sowie den Bürgern klappt, hat das Altenhilfe-, Gesundheits- und Pflegesystem des Quartiers eine Zukunft. Mit folgenden Instrumenten sollten die Kommunen den Prozess beispielweise fördern: Sie sollten eine integrierte Sozialraumanalyse mit Indikatoren für gemeinwesenorientiertes Handeln etablieren, ämter- und ressortübergreifende Kooperation ermöglichen, Entscheidungsbefugnisse der Akteure auf Quartiersebene gewährleisten, Gemeinschaftsräume und Gemeinwesenarbeit in Quartiersprojekten bereitstellen und finanzieren, Initiativen bei der Standortsuche unterstützen, Kooperationen der Akteure vor Ort durch Investitionen fördern, Runde Tische zu „Wohnen und Betreuung“ einrichten und einen überregionalen Austausch zwischen projekterfahrenen Kommunen organisieren.
Gemeinwesenarbeit finanzieren
Was den Bund und die Länder angeht, so sieht das Netzwerk SONG in drei Bereichen Veränderungsbedarf. Zum einen sollten neue soziale Netzwerke durch die Finanzierung einer Gemeinwesenarbeiterstelle unterstützt und das Quartiersmanagement gefördert werden. Weiterhin soll ein aktivierendes und flexibles Leistungsrecht geschaffen werden. Zum Beispiel indem Leistungsbereiche durchlässig gestaltet und Leistungen modularisiert werden. Eine Entkopplung von Wohnen und Hilfe einerseits sowie die Honorierung von Gemeinwesenorientierung und Kooperation durch das Pflegesatzsystem andererseits sind eine weitere Finanzierungsoption.
Nicht zuletzt sollten Bund und Länder den ordnungsrechtlichen Rahmen flexibel gestalten. Im Heimrecht könnten beispielweise Abgrenzungskriterien für neue Wohnformen festgelegt werden. Außerdem sollten die Kommunen fachlich unterstützt werden. Auch Steuerungsmöglichkeiten über baurechtliche Genehmigung und Investitionsförderung könnten genutzt werden.
Kontakt:
Netzwerk:Soziales neu gestalten
Bertelsmann Stiftung
Aktion Demographischer Wandel
Gerhard Krayss
Carl-Bertelsmann-Str. 256
33311 Gütersloh
Telefon:05241-81-81336
E-Mail: gerhard.krayss@bertelsmann.de
Partner im Netzwerk SONG
Bank für Sozialwirtschaft AG, Köln
Bertelsmann Stiftung, Gütersloh
Bremer Heimstiftung, Bremen
CBT – Caritas-Betriebsführungs- und Trägergesellschaft mbH, Köln
Evangelisches Johanneswerk e.V., Bielefeld
Stiftung Liebenau, Meckenbeuren-Liebenau
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.zukunft-quartier.deAlle Nachrichten aus der Kategorie: Gesellschaftswissenschaften
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