Lebensglück auch ohne Nachwuchs
Das Vorurteil, dass Kindersegen zum Lebensglück dazugehört, ist falsch. Das zumindest fanden Psychologen der Universitäten Jena und Freiburg/Breisgau in einer gemeinsamen Studie mit 424 Befragten zwischen 43 und 65 Jahren, je zur Hälfte Kinderlose und Eltern, heraus.
„Kinderlose Paare sind genauso glücklich und sozial eingebunden, sie sind nicht kränker oder gesünder, haben nicht mehr psychosomatische Störungen, depressive Verstimmungen oder andere Erkrankungen als andere“, fasst Diplom-Psychologin Karla Ningel von der Friedrich-Schiller-Universität Jena zusammen. Das Projekt wurde zwei Jahre lang durch das Bundesforschungsministerium gefördert.
Der entscheidende Schritt für eine erfolgreiche psychische Bewältigung von Kinderlosigkeit sei es, alternative Lebenskonzepte zu entwickeln, die ebenfalls Erfüllung versprechen, erklärt Projektleiter Prof. Dr. Bernhard Strauß. „Eigene Kinderlosigkeit muss ja nicht zwangsläufig ein Leben ohne Kinder bedeuten“, so Karla Ningel, „im umgekehrten Fall heißt, eigene Kinder zu haben, ja auch nicht automatisch, dass man wirklich eine intensive Familienbeziehung aufgebaut hat.“
Darüber hinaus gibt es auch Paare, die sich einen symbolischen Ersatz geschaffen haben und zum Beispiel gemeinsame Hobbies pflegen. Diese Strategie wappnet gegen mögliche depressive Verstimmungen, etwa wenn mit dem Eintritt ins Rentenalter eine neue Lebensphase beginnt. Bei manchen älteren Menschen taucht im Zusammenhang mit solchen Umbrüchen das Problem der eigenen Kinderlosigkeit noch einmal in der Reflexion auf.
Die Wissenschaftler teilten die Befragten in vier Gruppen ein: ungewollt Kinderlose, die sich nicht in medizinische Behandlung begaben, solche, die eine – erfolglose – künstliche Befruchtung bzw. Fremdsamenspende auf sich nahmen, gewollt Kinderlose und natürlich Familienväter und -mütter. „Am besten kommen bei der langfristigen Bewältigung von Kinderlosigkeit jene Menschen zurecht, die sich entweder bewusst gegen Nachwuchs entschieden haben oder eine Kinderlosigkeit aufgrund von Fertilitätsstörungen als Schicksal akzeptieren“, weiß Karla Ningel.
Ungünstig aus psychologischer Sicht sind Grübeleien oder Selbstschuldzuweisungen. Negativ wirken sich auch tief verwurzelte soziale Stereotype aus, also bei Männern, wenn sie sich einen Stammhalter wünschen, oder bei Frauen, die den Kindersegen als definitiven Bestandteil ihrer Geschlechterrolle ansehen. „Vegetative Symptome wie depressive Verstimmungen, das Gefühl von Überforderung und Erschöpfung, die bei Frauen häufig in den Wechseljahren auftreten, können auch mit einer nicht bewältigten Kinderlosigkeit zusammenhängen“, so Karla Ningel. „Daran sollten Hausärzte denken.“
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Bernhard Strauß, Dipl.-Psych. Karla Ningel
Institut für Medizinische Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Tel.: 03641/936700 bzw. 937795, Fax: 937794
E-Mail: bernhard.strauss@med.uni-jena.deoder karla.ningel@med.uni-jena.de
Friedrich-Schiller-Universität
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Wolfgang Hirsch
Fürstengraben 1
07743 Jena
Tel.: 03641/931031
Fax: 03641/931032
E-Mail: h7wohi@sokrates.verwaltung.uni-jena.de
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Gesellschaftswissenschaften
Der neueste Stand empirischer und theoretischer Erkenntnisse über Struktur und Funktion sozialer Verflechtungen von Institutionen und Systemen als auch deren Wechselwirkung mit den Verhaltensprozessen einzelner Individuen.
Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Demografische Entwicklung, Familie und Beruf, Altersforschung, Konfliktforschung, Generationsstudien und kriminologische Forschung.
Neueste Beiträge
Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen
Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…
Organoide, Innovation und Hoffnung
Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…
Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis
Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…