Kritik an der Mitbestimmung unbegründet
Studie aus dem Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung belegt: Negative wirtschaftliche Auswirkung der Mitbestimmung ist wissenschaftlich nicht zu belegen
In den vergangenen Wochen wurden wiederholt Forderungen nach Abschaffung oder Beschneidung der Unternehmensmitbestimmung laut. Martin Höpner, Wissenschaftler am Kölner Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, zeigt jetzt in einer neuen Studie, die den Forschungsstand zur Unternehmensmitbestimmung zusammenfasst, dass Mitbestimmung auf Ebene der Leitungsorgane in den Ländern der Europäischen Union weit verbreitet ist und weder unternehmensvergleichende Studien noch ländervergleichende Daten die These belegen, wonach die Mitbestimmung die Profitabilität oder den Aktienkurs von Unternehmen negativ beeinflusst. Die Beurteilung der Mitbestimmungsdebatte fällt eindeutig aus: Auf den sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsstand können sich die Mitbestimmungskritiker nicht berufen.
„Es ist nicht verwunderlich,“ so Höpner, „dass sich Führungskräfte aus Großunternehmen den Forderungen nach Abschaffung der Unternehmensmitbestimmung nicht anschließen.“ Bereits im Jahr 1998 sprachen sich in einer Umfrage unter DAX-Unternehmen nur 23 Prozent der Führungskräfte für die Abschaffung der Unternehmensmitbestimmung aus. Dabei fällt auf, dass vor allem Führungskräfte aus den paritätisch mitbestimmten Großunternehmen vor der radikalen Forderung nach Abschaffung der Mitbestimmung zurückschrecken. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass mit ihr Übereinkünfte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern leichter fallen – sei es durch betriebliche Bündnisse für Arbeit, in denen Lohnsteigerungen gegen Beschäftigungsgarantien getauscht werden, oder sei es dadurch, dass Flächentarifverträge zunehmend als Rahmenabkommen für Feinabstimmungen interpretiert werden.
Die deutschen Arbeitsbeziehungen waren in den vergangenen zehn Jahren durch kooperative Modernisierung der Unternehmen und kontrollierte Dezentralisierung der Lohnfindung gekennzeichnet. Der Mitbestimmung wurden neue Aufgaben zugewiesen. Unternehmensleitungen haben ein reges Interesse daran, dass die einzelwirtschaftliche Mitbestimmung diese Aufgaben auch wahrnimmt. „Führungskräfte von Großunternehmen sind Pragmatiker. Machbarkeit zählt mehr als ideologischer Radikalismus,“ urteilt Martin Höpner.
Profitabilitätsmindernde Wirkungen der Unternehmensmitbestimmung konnten in wissenschaftlichen Studien nicht festgestellt werden. Wirkt sich die Mitbestimmung schädlich auf die Aktienkurse aus? „Die Börse ignoriert die Mitbestimmung“, sagt Höpner, „die Aktienkurse mitbestimmungsfreier Unternehmen sind nicht höher als die Börsenbewertungen mitbestimmter Unternehmen.“ Gerade angesichts spektakulärer Krisen amerikanischer Unternehmen werde die kontinentaleuropäische Spielart der Unternehmenskontrolle von den Anlegern positiv beurteilt.
Ist die deutsche Unternehmensmitbestimmung im internationalen Vergleich einzigartig? „Ja und nein“, meint Höpner, „sogar in mehr als der Hälfte der EU-Mitgliedsstaaten sind die Leitungsorgane großer Aktiengesellschaften mit Vertretern der Beschäftigten besetzt; dabei existieren höchst unterschiedliche Modelle.“ Aber: „In keinem EU-Mitgliedsland gibt es weitergehende Beteiligungsrechte als in Deutschland.“ Die Mitbestimmung, so Höpners Überzeugung, wird auch in Zukunft ein integraler Bestandteil der deutschen Unternehmenskontrolle bleiben.
Originalveröffentlichung:
Martin Höpner
Unternehmensmitbestimmung unter Beschuss: Die Mitbestimmungsdebatte im Licht der sozialwissenschaftlichen Forschung
MPIfG Discussion Paper 04/8. Köln: Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung 2004
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Weitere Informationen:
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