Flexible Arbeitszeiten werden unflexibel, wenn an Personal und Qualifikation gespart wird

Institut Arbeit und Technik untersuchte neue Arbeitszeitmodelle in der Praxis

Die Flexibilisierung der Arbeitszeiten ist in den letzten zehn Jahren rasch vorangeschritten, doch hat sie in vielen Betrieben das Experimentierstadium noch nicht verlassen. Dies ergab eine intensive Beobachtung der Arbeitszeitpraxis in Unternehmen mit neuartigen Formen betrieblicher Arbeitszeitregulierung, die jetzt vom Gelsenkirchener Institut Arbeit und Technik (IAT) veröffentlicht wurde.

Die Arbeitszeitforscher Dr. Thomas Haipeter und Dr. Steffen Lehndorff sind der Frage nachgegangen, welche praktischen Wirkungen Betriebsvereinbarungen oder Firmentarifverträge haben, die den Beschäftigten große individuelle Gestaltungsmöglichkeiten ihrer Arbeitszeit und eine weitgehend eigenständige Verantwortung für die Bewältigung der Arbeits- und Kundenanforderungen bieten. Derartige Pilotmodelle können gut funktionieren, aber nur unter der Voraussetzung ausreichender Personalausstattung, stellen die beiden Arbeitszeitspezialisten in ihrem soeben veröffentlichten Bericht fest. Eine zu dünne Personaldecke dagegen führe dazu, dass die Beschäftigten hohe Arbeitszeitguthaben auf Konten vor sich herschieben und vielfach auch unbezahlt verfallen lassen müssten. Dies gefährde auch die Wirksamkeit von Langzeitkonten, deren tatsächliche Verbreitung und Nutzung weit hinter der öffentlichen Wahrnehmung herhinke. „Sobald zu sehr am Personal gespart wird, werden die Arbeitszeiten wieder unflexibel“, stellen Haipeter und Lehndorff fest. „Wenn der Betrieb ’atmen’ soll, dürfen die Beschäftigten nicht atemlos gemacht werden.“

Die Ergebnisse der Studie gewinnen an Bedeutung vor dem Hintergrund der laufenden Debatte über Arbeitszeitverlängerungen, hinter der letztlich die Frage steht, ob ein Systemwechsel in der Gestaltung der Tarifverträge erforderlich ist, um den Betrieben mehr Möglichkeiten der Anpassung der Arbeitszeiten an ihre Erfordernisse zu geben. Haipeter und Lehndorff halten dagegen: „Wenn es zu wenig Flexibilität gibt, dann sollten die Ursachen dafür nicht bei den Flächentarifverträgen gesucht werden. Das Hauptproblem ist die gegenwärtig vorherrschende Neigung, auf Teufel komm raus und ohne Rücksicht auf die längerfristigen Folgen Personalkosten zu senken. Qualifikation und ausreichende Personalkapazitäten sind die wichtigsten Voraussetzungen für Flexibilität.“

Die Studie von Thomas Haipeter und Steffen Lehndorff ist erschienen bei der edition sigma, Berlin, unter dem Titel „Atmende Betriebe, atemlose Beschäftigte? Erfahrungen mit neuartigen Formen betrieblicher Arbeitszeitregulierung“.

Für weitere Fragen stehen Ihnen zur Verfügung:

Dr. Steffen Lehndorff
Durchwahl: 0209/1707-146

Dr. Thomas Haipeter
Durchwahl: 0209/1707-341

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Claudia Braczko idw

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