Ehrlich währt am längsten: Ein Forschungsprojekt findet psychologische Dimensionen der Delinquenz
Arbeitnehmer fügen den Unternehmen in Deutschland durch Diebstahl jährlich einen Schaden in Höhe von 3 Milliarden Euro zu, so die Schätzung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungen. Gelegentlich nimmt dies sogar existenzbedrohende Ausmaße an – die Beantwortung der Frage, wie sich Mitarbeiterdiebstahl verhindern lässt, kann also Unternehmen retten. Psychologen der Technischen Universität Darmstadt, der Universität Regensburg und der Unternehmensberatung „Team Psychologie & Sicherheit“ haben nun einen Einstellungstest entwickelt, der die Ehrlichkeit und Integrität eines Bewerbers misst.
Die entscheidende Frage war zunächst, ob sich Diebstahlsneigung überhaupt „messen“ lässt, d.h. ob es zwischen ehrlichen und weniger ehrlichen Mitarbeitern Unterschiede in den persönlichen Einstellungen gibt, die auf eine verstärkte Diebstahlsneigung schließen lassen. Dazu befragten die Psychologen insgesamt 363 Personen aus der Allgemeinbevölkerung und 195 Strafgefangenen mit dem Schwerpunkt Eigentumsdelikte – somit eine Extremgruppe – zu ihren Einstellungen zum Thema Arbeitsplatz. Die Probanden mussten zudem angeben, ob sie selbst schon einmal Gegenstände am Arbeitsplatz entwendet hatten. Tatsächlich stellte sich heraus, dass integere Mitarbeiter sich tatsächlich signifikant in bestimmten Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmalen von solchen unterscheiden, die zu betriebsschädigendem Verhalten neigen.
Dr. Jens Hoffmann von der TU Darmstadt: „Wir waren beeindruckt, wie deutlich sich zwei psychologische Dimensionen herauskristallisierten – und zwar die Faktoren „Einstellung zu kriminellem Verhalten im Betrieb“ und „Gewissenhaftigkeit“.“ Unehrliche Personen hatten demnach vermehrt innere Einstellungen, die Diebstahl am Arbeitsplatz rechtfertigen, und glaubten auch, dass solche Verhaltensweisen mehr oder weniger normal seien. So stimmten sie viel häufiger Aussagen zu wie „Jeder hat schon einmal hier oder da etwas von der Firma geklaut.“ als Personen, die keine Diebstähle begangen hatten. Außerdem gaben die Probanden, die ihren Betrieb schon einmal geschädigt hatten, an, weniger gewissenhaft zu sein. Eigenschaften wie Durchhaltevermögen und Zuverlässigkeit traten bei ihnen seltener auf.
Auf der Grundlage dieser Ergebnisse entwickelte die Forschungsgruppe ein Instrument für die Personalauswahl, den Psychologischen Integritätstest PIT, welches Auskunft über die Neigung eines Bewerbers zu betriebsschädigendem Verhalten gibt. Der PIT konzentriert sich schwerpunktmäßig auf das Phänomen Diebstahl am Arbeitsplatz. Gerade Branchen, die besonders von Mitarbeiterdiebstahl betroffen sind, wie Einzelhandel, Gastronomie und Dienstleistungsunternehmen, greifen auf die Verfahren zurück. „Vier von fünf Personen, die betriebsschädigendes Verhalten zeigen, lassen sich mit unserem Integritätstest identifizieren.“, so Dr. Jens Hoffmann. „Dies stellt für einen psychologischen Test einen sehr guten Wert da.“
In den USA zählen derartige Tests schon seit langem zu den Standardverfahren bei der Personalauswahl. Die psychologischen Einflussfaktoren stehen jedoch häufig in einer gewissen Kulturabhängigkeit, daher sind die Tests nicht eins zu eins übertragbar. Mit dem neu entwickelten PIT wird diese Lücke geschlossen. Austricksen lässt sich der Test nur schwer, denn nicht die Beantwortung einer einzelnen Frage ist entscheidend, sondern das Beantwortungsmuster.
Bis jetzt waren derartige Verfahren auch im deutschsprachigen Raum sehr umstritten. Hoffmann rechnet jedoch damit, dass sie nun auch hier rasch an Bedeutung gewinnen und bisherige Tests zu Stressfähigkeit und Teamgeist ergänzen werden, u.a. weil die Wirksamkeit der Integritätstests inzwischen wissenschaftlich als erwiesen gilt: Ihre Implementierung bewirkt regelmäßig eine sprunghafte Reduzierung kontraproduktiven Verhaltens. Im Vergleich mit der subjektiven Bewertung durch den Arbeitgeber ist das Verfahren zudem valider und fairer gegenüber dem Bewerber. Trotzdem ist der Test nicht als alleinige Grundlage geeignet, um sich ein umfassendes Bild zu machen.
Kontakt: Dr. Jens Hoffmann, TU Darmstadt, Forensische Psychologie
Tel. 06151 – 16 4243, hoffmann@psychologie.tu-darmstadt.de
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