Kinderbetreuung: nicht billig oder umsonst, sondern flexibel und gut!
Neue Angebote brauchen neue Finanzierungsstrukturen – Internationales Expertentreffen am IAT
Die Entscheidung für oder gegen Kinder hängt für die Mehrzahl der Mütter nicht allein vom kostenlosen Kindergartenplatz ab. Wichtiger ist ihnen, ob und wie sie Beruf und Familie tatsächlich vereinbaren können. „Nicht billig oder umsonst, sondern flexibel und qualitativ hochwertig muss Kinderbetreuung organisiert werden“. Das zeigte ein Treffen von Wissenschaftlern und Praktikern aus Deutschland, Belgien, Italien, Litauen und Luxemburg am Institut Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen). Im Rahmen der europäischen Entwicklungspartnerschaft „ABC“ (Arbeit-Betreuung-Chancengleichheit) untersuchen sieländerübergreifend, wie Kinderbetreuung weiterentwickelt und gleichzeitig neue Arbeitsfelder für die dort Beschäftigten erschlossen werden können. Das Kinderhaus „Rasselbande“ in Gelsenkirchen-Buer war (am Mittwoch) eine der Stationen, die das Expertenteam auf der Suche nach Beispielen „bester Praxis“ besuchte.
Eine umfangreiche Studie, die das IAT zum Thema „Arbeitszeit und Kinderbetreuung“ erstellt hat, zeigt, dass der Bedarf an neuen Angeboten für flexible, bedarfsgerechte Kinderbetreuung in Kitas und Ganztagsschulen sehr groß ist. „Dass die Betreuungskapazitäten in NRW forciert ausgebaut und vielleicht sogar umsonst zur Verfügung gestellt werden sollen, ist begrüßenswert, Einheitslösungen reichen aber nicht aus, sondern überfordern lediglich den Geldbeutel der Kommunen oder den der Eltern“, so die IAT-Forschungsdirektorin Dr. Sybille Stöbe-Blossey.
Erwerbstätigkeit und Erwerbswünsche weit auseinander
Ausgangspunkt des Projektes war eine repräsentative Telefonbefragung, bei der 1232 Mütter in NRW mit insgesamt 1985 Kindern befragt wurden, ob und wie sie eigene Berufstätigkeit und Betreuung der Kinder unter einen Hut bringen können und welche Lösungen sie sich wünschen. Deutlich wurde, dass Erwerbstätigkeit und Erwerbswünsche weit auseinander klaffen: 88 Prozent aller befragten Mütter sind an einer Erwerbsarbeit interessiert, aber nur 55,4 Prozent können arbeiten gehen und haben das Betreuungsproblem gelöst – notfalls mit Hilfe der Großmutter oder von Nachbarn.
Eltern müssen oft zu Zeiten arbeiten, in denen Kindertagesstätten und Ganztagsschulen geschlossen sind, zeigt die Studie. Und Teilzeitarbeit ist längst nicht mehr gleichzusetzen mit Halbtagsarbeit am Vormittag; vielmehr verteilen sich die Arbeitsstunden höchst unterschiedlich über die gesamte Woche. Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Projekten, in denen flexible Betreuungskonzepte erprobt werden. Sie reichen von „Spätgruppen“ in Kindergärten und Ganztagsgrundschulen über Familiendienste für individuelle Lösungen bis hin zu privaten Einrichtungen, in denen die Eltern die benötigten Betreuungsstunden ihrem Bedarf entsprechend „kaufen“ können. Die von der NRW-Landesregierung verfolgte Idee der „Familienzentren“, die Kindergärten, die Arbeit von Tagesmüttern und die Beratung der Familien verknüpfen sollen, weist in die richtige Richtung.
Kombiniertes Finanzierungssystem
Als lohnende Perspektive für Nordrhein-Westfalen schlägt das IAT ein kombiniertes Finanzierungssystem vor: Die Betreuungseinrichtungen erhalten eine Grundfinanzierung, die in sozialen Brennpunkten angesichts der Aufgabe, Bildungsbenachteiligung auszugleichen, höher sein muss als anderswo. Mit dieser Grundfinanzierung wird – insbesondere im Kindergartenalter – ein Basisangebot sichergestellt, das vor allem der Erfüllung des Bildungsauftrages dient. Diese Grundfinanzierung wird ergänzt durch eine nachfrageorientierte Komponente. Diese ermöglicht es den Eltern, zu vertretbaren Preisen die von ihnen benötigten Stunden hinzuzukaufen.
Im Rahmen der Entwicklungspartnerschaft „ABC“ erstellt der IAT-Forschungsschwerpunkt Bildung und Erziehung ein fortschreibungsfähiges, internetgestütztes Handbuch zu bedarfsorientierten Kinderbetreuungsangeboten. Das Handbuch soll Impulse für die Entwicklung einer flexiblen Infrastruktur in der Kinderbetreuung geben, indem es Orientierungswissen und Informationen über Praxisbeispiele zur Verfügung stellt und die Erfahrungen verbreitet, die im Rahmen von ABC gemacht werden.
Für weitere Fragen stehen Ihnen zur Verfügung:
Dr. Sybille Stöbe-Blossey
Durchwahl: 0209/1707-130
Karin Esch
Durchwahl: 0209/1707-283
Projektkoordination:
Sabine Görke-Becker
02332-55888-20
Pressereferentin
Claudia Braczko
Munscheidstraße 14
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