Visualisierung von Risikokonflikten

BMBF fördert Entwicklung und Erprobung von internetbasierten Argumentationslandkarten im Sinne einer stärker integrativen Risikobetrachtung.


Durch die Kartierung von Risikodiskursen eine integrativere Betrachtung von faktischen oder vermuteten Risiken zu ermöglichen ist Ziel eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen seines Schwerpunkts „Sozial-ökologische Forschung“ geförderten Projekts zur Entwicklung internetbasierter Argumentationslandkarten, das vom Wissenschaftszentrum Umwelt der Universität Augsburg und von der Münchner Projektgruppe Sozialforschung (MPS) bearbeitet wird. Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt und soll Ende 2008 abgeschlossen sein. Mit der Durchführung befassen sich sechs Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Faktische und vermutete Gefährdungslagen wie Elektrosmog, nanoskalige Materialien und BSE haben einen weiten Raum von öffentlichen und (sub-)politischen Risikodebatten geöffnet. Sie lassen unübersichtliche Arenen aus Expertisen, Gegenexpertisen und medialen Darstellungen entstehen, die für alle gesellschaftlichen Akteure durch ihre Komplexität und Dynamik immer schwerer zugänglich werden. Mit dem forschungsleitenden Stichwort „systemische Risiken“ wird vor allem auf die Dynamik und Wandlungsfähigkeit dieser Risiken aufmerksam gemacht, die einen veränderten institutionellen Umgang erforderlich machen. Eine solche, stärker integrative Risikobetrachtung soll im Rahmen des Projektes durch eine Kartierung von Risikodiskursen ermöglicht werden.

INTERNETBASIERTE VERKNÜPFUNG VON ZUSAMMENHÄNGEN IN TEXT UND BILD

Angestrebt wird die Entwicklung eines Prototyps für die Darstellung von Risikokonflikten in Form von internetbasierten Argumentationslandkarten. Die Entwicklung des visualisierenden Verfahrens der Wissenserschließung und -kommunikation geschieht im Rahmen einer transdisziplinären Kooperation von Sozialwissenschaftlern, Informatikern und Praxispartnern. Die Argumentationslandkarten sollen eine neue Form des gesellschaftlichen Umgangs mit systemischen Risiken ermöglichen. Dazu werden drei beispielhafte Risikofelder (Elektrosmog, nanoskalige Materialien und Nahrungsergänzungsmittel) mit den jeweils beteiligten Akteuren, Stoffen und Argumenten „kartiert“ bzw. durch eine internetbasierte Verknüpfung von Zusammenhängen in Text und Bild rekonstruiert.

ANALYSE VON WISSENSANSPRÜCHEN, RISIKOVERSTÄNDNISSEN UND BEURTEILUNGEN

Mit Hilfe sozialwissenschaftlicher Methoden der Diskurs- und Netzwerkanalyse werden Wissensansprüche, Risikoverständnisse und standortbezogene Beurteilungen der an dem jeweiligen Risikokonflikt beteiligten Akteure analysiert und beschrieben. Anschließend wird ein Softwaretool für die verknüpfende Darstellung dieser „Daten“ auf internetbasierten Oberflächen entwickelt. Sobald erste Versionen von Visualisierungsformen vorliegen, die sowohl der Komplexität der Risikokonflikte als auch den Wünschen potentieller NutzerInnen gerecht werden können, wird in Workshops mit Stakeholdern die Tauglichkeit solcher Kartierungen für den Umgang mit systemischen Risiken optimiert.

DREI AKTUELLE RISIKODISKURSE

Konkret bezieht sich das Projekt auf drei aktuelle Risikodiskurse, die analysiert und kartiert werden sollen: auf Elektrosmog, auf nanoskalige Materialien und auf Nahrungsergänzungsmittel.

ELEKTROSMOG: Mit der technischen Entwicklung von Mobilfunknetzen und deren flächendeckender Ausbreitung geht eine intensive öffentliche Debatte über mögliche gesundheitliche Auswirkungen einher. Vermutete Risiken elektromagnetischer Strahlung betreffen beispielsweise die Beeinflussung des Immunsystems, Neuronschäden oder eine erhöhte Krebsgefahr.

NANOMATERIALIEN: Partikel mit sehr kleinem Durchmesser weisen oftmals neuartige Eigenschaften auf, die inzwischen in vielen Produkten genutzt werden. Aus den Erfahrungen im Umgang mit Asbest ist bekannt, dass kleine Partikel, auch wenn der Stoff sonst nicht toxisch ist, gesundheitsschädigende Wirkung haben können. Vor diesem Hintergrund gibt es eine Debatte über die Risiken von Nanomaterialien, deren Intensität zunehmen wird, je mehr Konsumprodukte mit nanoskaligen Materialien aufgerüstet werden.

NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL: Der Markt für Nahrungsergänzungsmittel boomt. Eine wachsende, für VerbraucherInnen fast unüberschaubare Anzahl an Präparaten (z.B. Vitamine, Pflanzenextrakte) sind mittlerweile im Handel. Allerdings sind viele der ihnen zugeschriebenen positiven Wirkungen wissenschaftlich nicht ausreichend nachgewiesen. Eine Überdosierung kann mit gesundheitlichen Risiken verbunden sein. Die bestehenden rechtlichen Regelungen sind bisher lückenhaft, eine Zulassungspflicht besteht nicht.

NACHHALTIGKEITSPROBLEME AN DER SCHNITTSTELLE GESELLSCHAFT – NATUR

Der BMBF-Förderschwerpunkt „Sozial-ökologische Forschung“ ist einem akteurs- und problemorientierten Forschungstyp gewidmet, der Nachhaltigkeitsprobleme an der Schnittstelle zwischen Gesellschaft und Natur bearbeitet.

DIE PROJEKTPARTNER

Die Münchner Projektgruppe für Sozialforschung e.V. (MPS) ist ein gemeinnütziges, unabhängiges Forschungsinstitut, das sich – jenseits von reiner Grundlagen- und kommerzieller Auftragsforschung – dem Ziel einer problemorientierten Forschung verpflichtet hat. Fragen, Entwicklungstrends und Probleme zum Leitbild „Nachhaltige Entwicklung“ sind seit vielen Jahren in den Dimensionen Kommunikation, Umweltbewusstsein, Lebensstile und Konsum, Politik der Nachhaltigkeit, bürgerschaftliches Engagement, Risikoforschung und Transdisziplinarität Gegenstand der MPS-Forschungen.

Das Wissenschaftszentrum Umwelt (WZU) bündelt die umweltwissenschaftlichen und umwelttechnologischen Kompetenzen der Universität Augsburg zu interdisziplinären Projekten. Die Mitglieder des WZU sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus sechs Fakultäten der Universität Augsburg. Externe und interne Umweltexperten erweitern den Kreis. Die Forschungen am WZU verstehen sich als Beiträge für einen zukunftsfähigen Umgang mit Stoffen, Materialien und Energie.

Zur Entwicklung eines geeigneten Softwaretools für Risiko-Wissenskartierungen besteht eine enge Kooperation mit der Software und Consultung GmbH (SoUCon). Das Karlsruher Unternehmen erarbeitet seit 1999 kundenspezifische Technologielösungen für Industrie und Wissenschaft.

Zur problemorientierten Analyse der Fallstudien und zur Sicherstellung eines gelingenden Transfers in die Praxis bestehen Kooperationsvereinbarungen mit dem World Environment Center (WEC, Washington/Augsburg), DIALOGIK (Stuttgart), dem International Risk Governance Council (IRGC, Genf), der Münchner Rück AG (München) sowie dem Bayerischen Landesamts für Umwelt, Abteilung Forschungskoordination und Risikoanalyse (Augsburg/Erlangen). Eine Erweiterung der bislang etablierten Praxiskooperationen ist vorgesehen.

Zum Kreis der Kooperationspartner des Projekts zählen darüber hinaus das internationale Netzwerk „Cartography of Scientific Controversies“ (http://www.ccscgroup.org), eine Initiative von Professor Bruno Latour (École des Mines, Paris) und Dr. Warren Sack (UC Berkeley), sowie die „Galerie der Forschung“ der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Dr. Albena Yaneva).

KONTAKT:

Münchner Projektgruppe für Sozialforschung e. V. (MPS)
Dachauer Straße 189
D-80637 München
Tel: +49 (0) 89/15 57 60
http://www.sozialforschung.org
Dr. Cordula Kropp, cordula.kropp@sozialforschung.org
Gerald Beck, gerald.beck@sozialforschung.org
Astrid Engel, astrid.engel@sozialforschung.org

Wissenschaftszentrum Umwelt (WZU)
Universität Augsburg
Universitätsstraße 1a
D-86159 Augsburg
Tel.: +49 (0) 821/598-3560
http://www.wzu.uni-augsburg.de
Dr. Jens Soentgen, soentgen@wzu.uni-augsburg.de
Martina Erlemann, erlemann@wzu.uni-augsburg.de
Dr. Simon Meissner, meissner@wzu.uni-augsburg.de

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Klaus P. Prem idw

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