Manns-Bilder in der Gesellschaft: Das „starke Geschlecht“ als soziologisches Neuland

Kaum jemand präsentierte bislang Fremd- und Selbstwahrnehmung seiner Geschlechtsgenossen so geballt wie Herbert Grönemeyer in seinem Lied „Männer“, dessen Refrain „Wann ist ein Mann ein Mann?“ lautet. In der Soziologie wurde diese Frage erstaunlicherweise bislang kaum gestellt. „Zwar gibt es mittlerweile ein recht klares Bild über die soziale Konstruktion von Weiblichkeit und typische Probleme von Frauen in den verschiedensten Lebensbereichen. Das Wissen über Männer ist dagegen erstaunlich karg, weil sie bislang systematisch aus der Analyse ausgeblendet wurden“, erklärt Dr. Nina Baur, Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Soziologie und empirische Sozialforschung der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU). Die klassische Sozialstrukturanalyse definiere den männlichen Lebenslauf als Normalität und untersuche damit gerade nicht die Männlichkeit. Wie also werden Männer in der Gesellschaft wahrgenommen? Welche Probleme verbinden Männer mit ihrem Dasein? Und welche gesellschaftspolitischen Implikationen hat dieses? Solchen Fragen sind die Eichstätter Soziologen von März bis Mai dieses Jahres in einer Telefonumfrage nachgegangen. Rund 700 volljährige Männer und Frauen aus dreißig Gemeinden in Baden-Württemberg, Bremen, Nordrhein- Westfalen und Sachsen-Anhalt wurden dazu interviewt.

In ihrer Studie fragten die Wissenschaftler unter anderem, wie wichtig Partnerschafts- und Familienorientierung, körperliche Attraktivität und die Versorgerfähigkeit des Mannes (also wie gut er eine Familie versorgen kann, indem er Karriere macht) eingeschätzt werden. Letztere bildet in der Gesamtschau der Antworten beider Geschlechter das Schlusslicht, davor rangieren körperliche Attraktivität und an der Spitze das Engagement für Partnerschaft und Familie. Das mit Abstand wichtigste Merkmal eines attraktiven Mannes sehen sowohl Männer als auch Frauen in einem guten Sinn für Humor. Was die körperliche Attraktivität als Kriterium angeht, schätzen Männer Frauen wesentlich strenger ein als diese wirklich sind: 82 Prozent der Männer, jedoch nur 72 Prozent der Frauen halten Männer, die viel Sport treiben, für besonders attraktiv. „Am stärksten fallen die geschlechtsspezifischen Diskrepanzen bezüglich der Versorgerfähigkeit von Männern aus: Eine deutliche Mehrheit der befragten Männern glaubt, dass Frauen von ihnen einen Universitätsabschluss, einen guten Verdienst und teure Geschenke erwarten“, sagt Nina Baur. Nur jeder dritten Frau sei es jedoch wichtig, dass ihr Mann viel verdiene; nur jede sechste bestehe auf teure Geschenke und nur jeder zehnten bedeute es etwas, dass ihr Partner ein teures Auto fahre.

In zwei Punkten unterschätzen Männer dagegen die Ansprüche von Frauen: Während es für 60 Prozent der befragten Damen unattraktiv ist, wenn ein Mann keine Kinder mag, stimmen nur 40 Prozent der Herren dieses These voll zu. Ein ähnliche Kluft ergibt sich beim versierten Umgang mit technischen Geräten: Nur 25 Prozent der Männer empfinden diesen als Merkmal für ihre Attraktivität, hingegen ist 40 Prozent der Frauen die Technikkompetenz von Männern wichtig. „Während Männer insgesamt gesehen mehrheitlich noch einem traditionellen Bild von weiblichen Ansprüche an sie verhaftet sind, ist das Ideal der Frauen der humorvolle, kinderliebe Techniker, der sich Zeit für seine Partnerin nimmt“, fasst Baur zusammen.

Wenn Männer jedoch unterschätzen, wie wichtig Kinder für Frauen sind, stellt sich die Frage nach dem Anteil des Mannes zur momentan hitzig debattierten Kinderlosigkeit in Deutschland. Die Umfrage zeigt, dass sich zwar sowohl kinderlose Frauen als auch Männer mehrheitlich Nachwuchs wünschen, jedoch zeitlich versetzt: Frauen wollen vor allem im Alter von 18 bis 25 Jahren Kinder bekommen, Männer wollen vor allem im Alter zwischen 25 und 35 Jahren Vater werden. „Die häufig gestellte Frage, warum deutsche Frauen keine Kinder mehr bekommen, müsste modifiziert werden. Es ist vielleicht sinnvoller zu fragen, warum deutsche Männer erst so spät – vielleicht zu spät – Kinder wollen, und was man dagegen tun kann.“

Johanna Karch
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