Schüler sollen Manager ihres eigenen Lebens werden
In Lehrplänen und Medienartikeln findet sich der Einzelne meist lediglich als passiver Konsument wieder. Doch „die Wirtschaft“ – das sind vor allem wir. Forscher der Universität Bonn, der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU) in Koblenz sowie der Fachhochschule Ulm wollen Schülern diesen Gedanken nahe bringen. Sie entwickeln momentan in enger Kooperation mit Schulen eine Unterrichtsreihe, die die Rolle des Individuums im Wirtschaftsalltag in den Mittelpunkt stellt. Ihr Konzept wurde inzwischen von den Vereinten Nationen zum Dekadeprojekt „Nachhaltigkeit lernen“ gekürt.
Das Konzept steht unter dem Titel „Ich bin meine Zukunft! – Die Gestaltung der Lebenslage“. Die Idee dahinter: Jeder ist Manager seines Lebens. Das ist einer der Kerngedanken, den der Bonner Ökonom Professor Dr. Michael-Burkhard Piorkowsky mit der Unterrichtsreihe vermitteln möchte. Zusammen mit dem Bonner Erziehungswissenschaftler Professor Dr. Volker Ladenthin und dem Unternehmensforscher Professor Volkmar Liebig von der WHU entwickelt er dazu einen „Grundkurs Sozioökonomie“. Die Forscher kooperieren dabei zunächst mit Grund- und Hauptschulen, später auch mit Realschulen, Gymnasien und Berufsschulen. Das soll garantieren, dass der Grundkurs in sämtlichen Schulformen angeboten werden kann. Bis 2008 sollen Materialien für den Unterricht und für Lehrerfortbildungen vorliegen.
Der Grundkurs Sozioökonomie besteht aus zwölf Modulen. In ihnen sollen die Schülerinnen und Schüler beispielsweise lernen, ihre eigenen Fähigkeiten und Wünsche einzuschätzen, die Kosten und Nutzen von Handlungen zu bedenken, die Weichen für ihr Leben zu stellen und ihre Ziele langfristig zu verfolgen. Die Unterrichtsreihe thematisiert aber auch soziale Aspekte: Welchen Stellenwert haben Freizeit, Freundschaft und Familie? Wo kann ich gesellschaftliche Verantwortung übernehmen? Wie wirtschafte ich nachhaltig und unter Schutz der natürlichen Ressourcen?
Tiefe Kluft zwischen Wirtschaft und Individuum
Zentrales Anliegen des Projekts ist es, die tiefe Kluft zu überwinden, die für viele Menschen zwischen „der Wirtschaft“ und dem eigenen Leben klafft. Der Begriff „Unternehmen“ beschwört in ihnen das Bild von Industriegebäuden, rauchenden Schloten und Hunderten von Angestellten herauf. „Dabei haben 90 Prozent aller Unternehmen weniger als zehn Mitarbeiter“, betont Piorkowsky. „Jeder zweite Chef arbeitet sogar ohne Beschäftigte.“ Dass Siemens, Telekom & Co. dennoch die Vorstellungen von Wirtschaft prägen, dokumentiert für ihn eine tief sitzende Entfremdung, die in der Schule und durch die Medien vermittelt wird.
Ein anderes Beispiel: 155 Milliarden Stunden arbeiteten die Menschen in Deutschland im Jahr 2001. 64 Prozent davon, so das Statistische Bundesamt, ohne dafür einen einzigen Cent zu bekommen. „Diese unentgeltliche Arbeit findet sich im Modell des Wirtschaftskreislaufs, das an Schulen und Universitäten gelehrt wird, nicht wieder“, kritisiert der Ökonom.
Eine stark verkürzte Sichtweise, findet auch die Projektmitarbeiterin Andrea Haus: „Wie können wir Kinder zu wirtschaftlich kompetenten Erwachsenen erziehen, wenn die Schulen einen derart wichtigen Teil der Realität einfach ausblenden? Angesichts einer offenen Zukunft können wir nicht einfach 'Rezeptwissen' von gestern vermitteln!“
Kontakt:
Professor Dr. Michael-Burkhard Piorkowsky
Professur für Haushalts- und Konsumökonomik an der Universität Bonn
Telefon: 0228/73-3124
E-Mail: piorkowsky@uni-bonn.de
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.uni-bonn.de/Alle Nachrichten aus der Kategorie: Gesellschaftswissenschaften
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