Rasterfahndung nicht immer effizient
Die Rasterfahndung befindet sich seit vielen Jahren wieder im Blickpunkt rechtspolitischer Diskussionen. Vor allem seit den Anschlägen vom 11. September 2001 und dem damit verbundenen Bedrohung durch islamistischen Terror erlebte diese polizeiliche Fahndungsmethode ihre Renaissance, nachdem sie in den 70er-Jahren in Deutschland zur Bekämpfung des RAF-Terrorismus erstmals in großem Umfang eingesetzt wurde.
Ziel der Rasterfahndung ist es meist, über Datenabgleich von Behörden und polizeiinterner Informationsquellen Beteiligte einer Straftat ausfindig zu machen, die bestimmte, für die Ermittlungen relevante Merkmale aufweisen. Aber sie dienen auch dazu, einen Sachverhalt zu erforschen, Bandenstrukturen offenzulegen oder den Aufenthaltsort von Verdächtigen zu ermitteln. Oft kommt die Rasterfahndung im Vorfeld von groß angelegten DNA-Analysen zum Einsatz.
Mit einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 2006 wurde der präventiven Rasterfahndung nach dem 11. September 2001 ein Riegel vorgeschoben. Nur wenn eine konkrete Gefahr „für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes, eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person“ gegeben ist, dürfe eine präventive Rasterfahndung eingeleitet werden, so das Bundesverfassungsgericht. Eine allgemeine Gefahrenlage reiche für die Anwendung der Rasterfahndung nicht aus. Die Fahndungsmethode darf seitdem nur bei „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ angewandt werden.
16 Prozent der Rasterfahndungen nicht erfolgreich
Juristen vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg haben nun die Rasterfahndung einer empirischen Überprüfung unterzogen. Hierzu analysierte Dirk Pehl 27 Verfahren, in denen 31 Maßnahmen der Rasterfahndung durchgeführt wurden. Dies entsprach einer kompletten Erhebung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren, die in der Strafprozessordnung im Jahr 1992 angeordnet und durchgeführt worden sind. Außerdem wurden mit 24 Experten aus Strafverfolgungsbehörden Interviews geführt.
Eine der entscheidenden Fragen war dabei, wie effizient die Rasterfahndung überhaupt ist. Dabei konnte gezeigt werden, dass 13 Prozent der Maßnahmen als erfolgreich und 58 Prozent als bedingt erfolgreich zu bewerten waren. Zu 13 Prozent waren keine Angaben möglich. 16 Prozent wurden als nicht erfolgreich eingestuft. Insgesamt erbrachten mehr als zwei Drittel der durchgeführten Rasterfahndungen neue Ermittlungsansätze, die jedoch nur vereinzelt zu Erfolgen führten. Lediglich bei vier Maßnahmen konnten neue Ermittlungsansätze erfolgreich zur Ergreifung von Tätern führen.
Höhere Effizienz bei DNA-Reihenuntersuchungen
Erfolgreich waren hier besonders Verfahren bei kriminellen Straftaten gegen Leib und Leben. Die Rasterfahndung diente hier als Vorbereitung einer DNA-Reihenuntersuchung, indem der Personenkreis Verdächtiger eingeschränkt werden konnte. Experten, die von Dirk Pehl befragt wurden, plädieren deshalb dafür, dass die Rasterfahndung in diesem Bereich in Zukunft häufiger zum Einsatz kommen solle, da sie die Effizienz von Reihenuntersuchung zu steigern vermag.
Untersuchungen zur präventiv polizeilichen Rasterfahndung nach dem 11. September 2001 zeigten, dass die präventive Rasterfahndung zwar neue Ermittlungsansätze geliefert hat. Allerdings kam es im Rahmen weiterer Ermittlungen nicht zur Ergreifung von Terroristen oder so genannten „Schläfern“. Deshalb können die Maßnahmen lediglich als bedingt erfolgreich eingestuft werden.
Ziele sind nur selten definiert
Bei der Analyse der einzelnen Rasterfahndungen stellte Dirk Pehl jedoch fest, dass die Ziele nur in Ausnahmefällen konkret formuliert wurden. Bedenklich, so Pehl, sei auch die Tatsache, dass die Begründung zur Durchführung einer Rasterfahndung meist nur unzureichend erörtert wurde. Dies treffe insbesondere auf die Erlasse der Gerichte und Staatsanwaltschaften zu, weniger auf die der Polizei. Kurze Zeiträume zwischen Anregung, Antrag und Anordnung einer Rasterfahndung deuten ebenfalls auf informelle Argumentationen und Rechtfertigungsgründe für ein Ermittlungsverfahren hin. Bei der Betrachtung der verfolgten Ziele im Zusammenhang mit den Erfolgen zeigte sich jedoch, dass die Maßnahmen, welche konkrete Ziele verfolgten, nicht so erfolgreich waren, wie solche, die in ihrer Formulierung ganz allgemein gehalten waren.
Veraltete Software und Datenverlust
Die Rasterfahndung wird mitunter durch beträchtliche technische Schwierigkeiten erschwert. In vielen Fällen war es problematisch, die Daten auf ein vergleichbares Niveau zu bringen. Veraltete Software und – in einigen Fällen – sogar Datenverlust, vor allem in Einwohnermeldeämtern, behinderte die Ermittlungen.
Bedenklich ist vor allem die Tatsache, dass es in fast zwei Drittel der Maßnahmen nicht zu einer Benachrichtigung der betroffenen Zielpersonen gekommen ist. Pehl führt dies darauf zurück, dass zwischen Staatsanwaltschaften und Polizei Uneinigkeit über den Inhalt und den Umfang der Benachrichtigungspflicht herrsche. Während von der Polizei die Ansicht geäußert wurde, dass die Staatsanwaltschaft den Benachrichtigungszeitpunkt zu bestimmen und die Betroffenen zu informieren habe, wurde von den Staatsanwaltschaften angeführt, dass die Benachrichtigung im Aufgabenbereich der Polizei liege.
In 50 Prozent der untersuchten Fälle wurden Daten von Einwohnermeldeämtern in den Abgleich einbezogen. Neben polizeiinternen Datenbanken konnten die Ermittler auch auf Datenbestände des Kraftfahrtbundesamtes zurückgreifen. Die Kosten spielten bei der Entscheidung, ob eine Rasterfahndung durchzuführen sei, nur eine untergeordnete Rolle. Entscheidend war vielmehr der finanzielle Aufwand der Folgemaßnahmen, wie beispielsweise der DNA-Reihenuntersuchungen. Auch eine rückwirkende Beurteilung anhand ökonomischer Gesichtspunkte findet nur vereinzelt statt.
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