Ist unser Erbrecht noch zeitgemäß? Wissenschaftlerin untersucht Folgen des demographischen Wandels
In einer Studie hat Prof. Dr. Inge Kroppenberg von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Regensburg aber nun darauf hingewiesen, dass auch die Erblasser – also die Personen, die vererben – immer älter werden, und dass dies weitreichende Folgen für das Erbrecht hat.
Im Jahr 2050 wird voraussichtlich jeder dritte Einwohner in Deutschland älter als 60 sein; fast jeder siebte wird das 80. Lebensjahr vollendet haben. Für das Erbrecht birgt dieser Befund neben den rein quantitativen Aspekten auch qualitative Herausforderungen. Erblasser verfügen zum einen wegen der längeren Lebensläufe häufig erst spät und aufgrund geänderter Lebensentwürfe auch mehrmals über ihren Nachlass. Der Gesetzgeber hat hier über eine Reform des Erbrechts – die am 1. Januar 2010 in Kraft getreten ist – erstmals reagiert und sich auf die Fahnen geschrieben, den Gestaltungsspielraum des Erblassers bei der Regelung des eigenen Testaments zu stärken.
Das ist die eine Seite. Die andere ist, dass mit zunehmendem Alter auch die Demenzerkrankungen zunehmen, so dass die Erblasser keine selbstbestimmten Entscheidungen treffen können und die Gefahr der Einflussnahme von dritter Seite zunimmt. „Gegenwärtig“, so Kroppenberg, „reagiert unser Erbrecht darauf nur punktuell, so zum Beispiel mit einem Verbot, Testamente zugunsten von Heimpersonal zu schreiben, sofern der Erblasser Heimbewohner oder –bewerber ist“. Allerdings liegt auf der Hand, dass von einer Demenz betroffene Erblasser nicht nur Menschen sind, die bereits im Heim leben. Die erbrechtliche Auseinandersetzung mit dieser Problematik steckt nach Ansicht von Kroppenberg noch in den Kinderschuhen.
Das Thema „alternde Gesellschaft“ mache sich in der gesetzlichen Erbfolge aber auch bei der Frage der Ausgleichung von Pflegeleistungen bemerkbar, die ein naher Angehöriger dem Erblasser über Jahre oder gar Jahrzehnte erbracht hat. Der Reformgesetzgeber hat mit Beginn dieses Jahres erstmals das Recht eingeräumt, die erbrachte Pflegeleistung gegenüber Miterben – etwa Geschwistern, die den Vater oder die Mutter nicht gepflegt haben – bei der Erbauseinandersetzung zur Ausgleichung zu bringen. Das ist „ein Schritt in die richtige Richtung“, wie Kroppenberg betont. Er bedeute zudem auch ein Stück Teilhabegerechtigkeit für Frauen, die in Deutschland einen großen Teil der Familienpflege leisten. Doch sei der Gesetzgeber auf halbem Weg stehen geblieben. Gegenwärtig wird zwar diskutiert, die Regelung auch für andere Personen, die den Erblasser zu dessen Lebzeiten gepflegt haben, zu öffnen: so zum Beispiel für die Partnerin einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft. In diesem Zusammenhang sind aus Sicht der Regensburger Rechtswissenschaftlerin allerdings noch eine ganze Reihe von Anpassungen oder Neuregelungen notwendig.
Kroppenbergs Einschätzungen sind vor kurzem in der Fachzeitschrift „ErbR – Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis“ erschienen. Die weitreichenden Konsequenzen einer alternden Gesellschaft für die verschiedenen Bereiche des Erbrechts werden zudem während des 68. Deutschen Juristentags, der im September in Berlin stattfindet, im Rahmen der zivilrechtlichen Sektion erstmals unter dem Stichwort „Ist unser Erbrecht noch zeitgemäß?“ öffentlich diskutiert.
Literaturhinweis:
Inge Kroppenberg, Erbrechtliche Herausforderungen des demographischen Wandels, ErbR – Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis 7 (2010), S. 206-216
Ansprechpartnerin für Medienvertreter:
Prof. Dr. Inge Kroppenberg
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