Keine Angst vor dem Geburtenrückgang!
Die Geburtenzahlen gehen zurück, der Anteil der älteren Bevölkerung wächst. Oft wird diese Entwicklung mit negativen Konsequenzen für das Wirtschaftswachstum verbunden, doch gibt es darüber weder zuverlässige Erfahrungswerte noch liefern ökonomische Modelle dazu eindeutige Aussagen.
Wirtschaftsmathematische Analysen der TU Wien zeigen nun: Ein Bevölkerungsrückgang kann sich sogar positiv auf den Wohlstand auswirken. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Bildungsgrad der Arbeitskräfte steigt – und zwar in jedem Lebensalter.
Rechnen statt raten
Eine Bevölkerungsentwicklung, wie sie nun durch den Geburtenrückgang und die steigende Lebenserwartung bevorsteht, gab es bisher noch nie. Man kann sich also bei Prognosen nicht auf historische Beispiele stützen. Daher ist es wichtig, alternative Modellansätze zu berechnen, die neben den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch die sich verändernde Altersstruktur der Bevölkerung berücksichtigen.
„So haben wir etwa das neoklassische Modell der Arbeitsnachfrage nun um die Altersstruktur der Arbeitnehmer erweitert“, erklärt Prof. Alexia Fürnkranz-Prskawetz vom Institut für Wirtschaftsmathematik der TU Wien. Unterstützt wurde sie bei diesem Projekt von ihrem Kollegen Prof. Vladimir Veliov (Gruppe „Operations Research and Control Systems, Institut für Wirtschaftsmathematik, TU Wien).
Weniger Menschen, mehr Investition in Bildung
Der Geburtenrückgang setzt Ressourcen frei, die von den Eltern idealerweise in eine verbesserte Ausbildung der Kinder investiert werden – und mehr Bildung hilft der Wirtschaft. Wenn frei werdende Produktionsmittel in einer schrumpfenden Bevölkerung auf immer weniger Menschen aufgeteilt werden, kann die Bevölkerungsreduktion zu einem Wohlstandsgewinn führen. Stehen der einzelnen Arbeitskraft bessere Maschinen oder bessere Bildungsmöglichkeiten zur Verfügung, steigt die Produktivität. „Allerdings funktioniert das nur, wenn diese frei werdenden Ressourcen auch tatsächlich in produktiven ökonomischen Bereichen und nicht zu einem großen Teil in wachsende Sozial- und Rentenleistungen investiert werden“, betont Prof. Alexia Fürnkranz-Prskawetz.
Die an der TU Wien entwickelten Modelle können Firmen helfen, wichtige Entscheidungen richtig zu treffen: Sollen eher junge als ältere Personen angestellt werden? Soll das Budget, das für Weiterbildung zur Verfügung steht, eher in Jüngere oder in Ältere investiert werden? „Unsere Modelle zeigen, dass es optimal sein kann, auch in die Weiterbildung von älteren Arbeitskräften zu investieren“ erklärt Prof. Fürnkranz-Prskawetz. Gerade wenn es weniger Jüngere gibt, bringt mehr Bildung für Ältere deutliche Vorteile für das Unternehmen.
Österreichische Unternehmen statistisch untersucht
Auch durch empirische Studien lässt sich untersuchen, welche Bedeutung ältere Arbeitnehmer für ein Wirtschaftsunternehmen haben. Inga Freund, Assistentin am Institut von Prof. Fürnkranz-Prskawetz, hat sich (gemeinsam mit Bernhard Mahlberg, ebenfalls TU Wien) systematisch die Altersstruktur in österreichischen Unternehmen angesehen und mit der Produktivität der Unternehmen in Beziehung gesetzt. „Ältere und jüngere Arbeitnehmer sind nicht einfach gegeneinander austauschbar“, meint Inga Freund. Während jüngere Beschäftigte im Durchschnitt eine schnellere Auffassungsgabe haben, bringen ältere Arbeitnehmer mehr Erfahrung ein. Doch selbst wenn die Produktivität von älteren Arbeitnehmern einzeln betrachtet nicht mehr ganz an die der jüngeren Generation heranreicht, sollte ein Unternehmen nicht nur auf jüngere Beschäftigte setzen – so das Resultat der Studie. „Die Produktivität eines Unternehmens ist nicht einfach nur die Summe der Produktivität jedes einzelnen Arbeitnehmers“, erklärt Inga Freund. „Unsere jüngsten Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein höherer Anteil an älteren Beschäftigen nicht mit geringerer Arbeitsproduktivität in einer Firma in Verbindung steht.“
Jobs für Ältere
Prof. Alexia Fürnkranz-Prskawetz empfiehlt Unternehmen, sich auch die Stärken älterer Arbeitnehmer bewusst zu machen und nicht nur den persönlichen Arbeitsoutput zu betrachten: „Das in der Firma angesammelte Know-How und die Organisationsstruktur sind oft wichtiger als die individuelle Produktivität.“ Die Rechenmodelle zeigen auch, dass es sich für Firmen rentiert, sich auf künftige demographische Entwicklungen rechtzeitig vorzubereiten. „Firmen werden den demographischen Wandel schon frühzeitig in ihre Personalentwicklungspläne einfließen lassen und für einen passenden Mix aus alt und jung sorgen“, prognostiziert Prof. Fürnkranz-Prskawetz.
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