"Translokalität" – Austausch- und Vernetzungsprozesse in Afrika und Asien
Die Welt auf dem Weg zum „global village“?
Soziale Entwicklungen und Strukturen, die über lokale, regionale und nationale Grenzen hinausreichen, werden oft mit dem Hinweis auf „die Globalisierung“ erklärt. Darunter wird in der Regel ein Prozess der Vernetzung verstanden, der ausgehend von den Industrienationen des Westens in alle Regionen der Erde vordringt und dabei eine Vielzahl sozialer, ökonomischer, politischer und kultureller Entwicklungen in einen einzigen Globalzusammenhang integriert. Diese verbreitete Vorstellung infrage zu stellen und eine differenziertere Betrachtungsweise auf den Weg zu bringen, ist das Ziel einer Publikation, die Professor Achim von Oppen, Direktor des Instituts für Afrikastudien an der Universität Bayreuth, und Professorin Ulrike Freitag, Direktorin des Zentrums Moderner Orient an der FU Berlin, vor kurzem herausgegeben haben.
Vom westlichen Globalisierungsmodell zur Translokalität –
ein neuer Ansatz zur Erschließung sozialer und kultureller Prozesse
Der Begriff der „Translokalität“ (engl. „translocality“) ist – davon sind die beiden Herausgeber überzeugt – weitaus besser als die gängige Redeweise von der „Globalisierung“ geeignet, grenzüberschreitende Austausch- und Vernetzungsprozesse wissenschaftlich zu erschließen. Manche Kultur- und Wirtschaftsräume in Asien, Afrika sowie im Nahen und Mittleren Osten sind seit Jahrhunderten dadurch geprägt, dass Menschen, Waren, Dienstleistungen, Informationen und Ideen in einem lebhaften Austausch stehen; teilweise über weite räumliche Distanzen hinweg. Diese geschichtlichen Prozesse in das Konzept einer „Globalisierung“ einordnen zu wollen, die in der westlichen Moderne ihren Ursprung hat und auf eine weltumspannende Integration zuläuft, würde den historischen Gegebenheiten nicht gerecht.
Zudem gehen politische, ökonomische und kulturelle Vernetzungen oftmals mit Prozessen der Identitätsbildung einher. Auf diese und andere Weise fördern grenzüberschreitende Bewegungen die Entstehung neuer Abgrenzungen, Ordnungen und Unterscheidungsmuster. Dies gilt in besonderem Maße für die ehemals kolonisierten Gebiete Asiens und Afrikas. Das Konzept der „Globalisierung“, das die weltweite Überschreitung und Auflösung von Grenzen betont, reicht also nicht aus, um die Widersprüchlichkeit dieser Prozesse und deren Wirkungen zu erfassen.
Ebenso ist die Vorstellung verfehlt, die von einem globalen Modernisierungs- und Integrationsprozess (noch) nicht erfassten Gesellschaften und Kulturen müssten als in sich geschlossene Einheiten betrachtet werden, deren Identität nur lokal definiert ist. „Was uns in Afrika oder Asien fremdartig, ja exotisch anmutet, hat auf den ersten Blick oft eine rein lokale Dimension“, erklärt von Oppen. „In vielen Fällen zeigt sich jedoch bei weiterem Hinsehen, dass derartige Phänomene in weiträumige Austausch- und Vernetzungsprozesse eingebettet sind, die ihrerseits auf lokale Entwicklungen zurückwirken.“
Der Blick von außen –
Fallstudien zu grenzüberschreitenden Prozessen in Afrika und Asien
Verbindungen zwischen Gesellschaften und Kulturen sowie deren Ausstrahlung auf das Bewusstsein der Menschen sind also zu komplex, um sich auf einer einzigen Skala verorten zu lassen, die von „nur lokal“ bis „universal“ reicht. Wie unzulänglich ein Verständnis von „Globalisierung“ ist, das sich an einer derartigen Skala ausrichtet, tritt gerade dann zutage, wenn raumübergreifende Interaktionen aus einer außereuropäischen Perspektive betrachtet werden. Dies wollen Freitag und von Oppen mit den 15 wissenschaftlichen Einzelstudien (Erstveröffentlichungen) deutlich machen, die sie in ihre Publikation aufgenommen haben.
Die Studien decken ein breites thematisches Spektrum ab und sind vier Schwerpunktbereichen zugeordnet: (i) Migrations- und Austauschprozesse, die sich außerhalb des westlich geprägten Globlisierungsmodells vollziehen („Marginal Mobilities“); (ii) der geschichtliche Wandel von Räumen, die sich aufgrund translokaler Beziehungen herausbilden („Spaces on the Move“); (iii) das Ineinandergreifen von lokalen und translokalen Verbindungen („Locality and Beyond“); (iv) Verständnisse von Globalisierung, die sich in asiatischen und afrikanischen Kulturräumen entwickelt haben („Alternate Globalities“).
Titelaufnahme:
Ulrike Freitag und Achim von Oppen (Hrsg.),
Translocality: The Study of Globalising Processes from a Southern Perspective
Leiden – Boston (2010), 447 S.
(= Studies in Global Social History, Vol. 4)
Kontaktadresse für weitere Informationen:
Prof. Dr. Achim von Oppen
– Geschäftsführender Direktor –
Institut für Afrikastudien
Universität Bayreuth
Universitätsstr. 30, GW II
95447 Bayreuth
Tel.: +49 (0) 921 / 55-4193
E-Mail: achim.vonoppen@uni-bayreuth.de
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.uni-bayreuth.deAlle Nachrichten aus der Kategorie: Gesellschaftswissenschaften
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