Soziale Mindestsicherung: Arbeit und Anerkennung sind wichtiger als Geld
Rund 350 Euro pro Monat zuzüglich Wohngeld erhält, wer in Deutschland kein eigenes Einkommen hat und auf die Leistungen angewiesen ist, die unter dem Schlagwort „Hartz IV“ betitelt werden.
Ist das zu viel oder zu wenig, sind die Regelungen des deutschen Sozialleistungssystems gerecht oder ungerecht? Diesen Fragen näherte sich Prof. Dr. Friedrich Thießen, Inhaber der Professur Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre an der TU Chemnitz, in einer Studie. Kurzgefasst lauten die Ergebnisse: Gemessen an den von der Gesellschaft festgelegten Zielen der sozialen Mindestsicherung sind die Hartz-IV-Gelder nicht zu niedrig, sondern eher zu hoch.
Als gerecht wird das System dennoch von vielen nicht empfunden, weil es den Bedürftigen nur Geld gewährt und ihnen verwährt, was sie wirklich wollen: Arbeit und Anerkennung.
Die Sozialgesetzbücher II und XII legen aktuell in Deutschland fest, dass Bedürftigen „Leistungen der sozialen Mindestsicherung“ zu gewähren sind. „Was sich hinter dieser sozialen Mindestsicherung verbirgt, ist leider nur sehr vage definiert. Im Sozialgesetzbuch XII findet sich die Konkretisierung, dass den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens ermöglicht werden soll, das der Würde des Menschen entspricht“, berichtet Thießen. Die Kosten der sozialen Mindestsicherung werden in der Regel durch einen Warenkorb ermittelt, der alle Güter enthält, die die Ziele der sozialen Mindestsicherung gerade erfüllen.
Dann werden die Preise der Güter ermittelt und summiert. „Das Verfahren, mit dem dies in der Bundesrepublik geschieht, gilt als nicht in allen Teilen transparent. Es enthält teilweise pauschale Vorgehensweisen und nicht alle Teilschritte werden veröffentlicht“, erklärt Thießen den Hintergrund seines Forschungsprojektes, in dem er die Mindestsicherung neu berechnete und analysierte.
Die Studie basiert auf Daten aus dem Jahr 2006. Grundlage der Untersuchung war „ein gesundes, rational handelndes Individuum frei von Sucht- oder anderen Erkrankungen oder Behinderungen“, sagt Thießen. Gerechnet wurde für einen Mann zwischen 18 und 65 Jahren, der keine Kinder hat und in einem Ein-Personen-Haushalt lebt. Bei seinen Warenkörben hat der Finanzwissenschaftler die nur vage formulierten Ziele einmal eher eng und einmal eher weit ausgelegt. Die Preise wurden in einer mittelgroßen Stadt mit rund 250.000 Einwohnern ermittelt, größtenteils in Filialen von Kettenunternehmen, die nach eigenen Angaben keine regionalen Preisunterschiede haben. „Das bedeutet, dass die Ergebnisse der Studie insoweit für ganz Deutschland Gültigkeit haben“, so Thießen.
Eine Kurzfassung der Studie finden Sie unter
http://www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/bwl4//interessantes/
Soziale_Mindestsicherung_2008_ZusFas.pdf
Die Studie „Die Höhe der sozialen Mindestsicherung – Eine Neuberechnung „bottom up“ ist in der Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, Stuttgart, Jg.57 (2008) Heft 2 erschienen:
http://www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/bwl4//interessantes/
Soziale_Mindestsicherung_2008_komplett.pdf
Weitere Informationen erteilt Prof. Dr. Friedrich Thießen, Telefon 0371 531-26190, E-Mail finance@wirtschaft.tu-chemnitz.de.
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