Sprachwissenschaftler der Viadrina erforschen „Sprachinseln”
Vor allem geht es darum herauszufinden, wie die deutschen Dialekte etwa 100 bis 150 Jahre nach dem Höhepunkt der Emigration nach Südbrasilien und Sibirien heute gesprochen werden und wie sie sich verändert haben.
Dr. Peter Rosenberg von der Viadrina erläutert: „Diese Sprachinseldialekte zeigen einige auffällige Parallelen, sie wandeln sich rapide, gehen unter den Jüngeren teilweise verloren, stehen im Kontakt mit anderen deutschen Dialekten und mit der jeweiligen Mehrheitssprache Portugiesisch bzw. Russisch.”
Einerseits werden im Rahmen dieses Projekts Erhebungen in den seit den 1860er Jahren bestehenden „Kolonien“ des Munizips Pelotas im südbrasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul durchgeführt.
Andererseits sollen Sprachaufnahmen in den um 1900 gegründeten Dörfern im deutschen Nationalkreis Halbstadt in der westsibirischen Region Altai vorgenommen werden, hauptsächlich im „Zentraldorf“ Schumanowka. In den zwei Untersuchungsregionen werden jeweils eine ostniederdeutsche Varietät (Hinterpommern bzw. Danziger Raum) und eine westmitteldeutsche (Hunsrück) bzw. westoberdeutsche (Südwestdeutschland) Varietät gesprochen, weshalb beide gut miteinander vergleichbar sind.
Innerhalb der nächsten drei Jahre werden in den deutschen Sprachinseln Südbrasiliens und Sibiriens mit etwa 60 dort lebenden Personen Sprachaufnahmen durchgeführt. Diese Personen sollen unterschiedlichen Altersgruppen angehören, um auch Unterschiede zwischen den Generationen untersuchen zu können. Außerdem sollen die Daten mit Sprachaufnahmen verglichen werden, die vor rund zehn Jahren schon einmal in beiden Untersuchungsgebieten durchgeführt worden waren.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erhoffen sich von der Untersuchung in der „Extremsituation“ von Sprachinseln neue Erkenntnisse darüber, wie und unter welchen Bedingungen sich Sprache wandelt. So kann ein tieferer Einblick in die Natur menschlicher Sprache und damit in die menschliche Kognition gewonnen werden.
Gefördert wird das Projekt mit dem Titel „Regularität und Irregularität in der Kasusmorphologie deutscher Sprachinselvarietäten (Russland, Brasilien): intralinguale, interlinguale, typologische Konvergenz“ seit Januar 2009 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Eine Zusammenarbeit besteht außerdem mit anderen Universitäten, die an ähnlich gelagerten Forschungsvorhaben arbeiten, beispielsweise der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, der Universität Bremen und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, wo demnächst Tagungen zu diesem Thema stattfinden werden. Auch mit Universitäten in Russland und Brasilien sowie in den USA besteht eine enge Kooperation zur Erforschung der deutschen Sprachinseln. Nach Abschluss des Projekts soll eine Buchpublikation ausführlich über die gewonnenen Erkenntnisse informieren.
Weitere Informationen:
Dr. Peter Rosenberg, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
E-Mail: rosenberg@euv-frankfurt-o.de
Homepage:
http://www.kuwi.euv-frankfurt-o.de/de/lehrstuhl/sw/sw1/index.html
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