Überall und nirgendwo zu Hause

Kindergarten in London, Vorschule in Rio und Grundschule in Moskau: Was früher hauptsächlich Kinder von Diplomaten betraf, wird im Rahmen der Globalisierung mit steigender Mobilität der Arbeitnehmer immer gängiger.

Auch Kinder von entsandten Mitarbeitern globaler Unternehmen, Facharbeitern, Entwicklungshelfern, Lehrern, Medienvertretern, Militärbediensteten oder Missionaren ziehen während ihrer Kindheit und Jugend oft um und wechseln dabei die Kultur. TU-Forscherin Angela Ittel untersucht „Third Culture Kids“.

„Diese Kinder fühlen sich weder der Kultur ihrer Eltern, noch der Kultur ihres Aufenthaltslandes zu hundert Prozent zugehörig. Sie entwickeln eine eigene, eine dritte Heimatkultur. Man spricht in diesen Fällen von sogenannten 'Third Culture Kids'“, erläutert Prof. Dr. Angela Ittel vom Fachgebiet Pädagogische Psychologie am Institut für Erziehungswissenschaft der TU Berlin. Sie selbst hat zehn Jahre lang in den USA gelebt und kennt daher die Problematik des Fremdseins und der Wiedereingliederung.

Dass ein Ortswechsel in jungen Jahren zu Identitätsproblemen führen kann, wurde bereits bei der Vorrecherche zu dem von ihr initiierten TU-Projekt „TCK- Third Culture Kids“, das sie gemeinsam mit einer Kollegin der San Francisco State University durchführt, deutlich. Ittel befragte im Rahmen dieser Studie zum Beispiel eine Familie aus Frankreich, die berufsbedingt öfter umziehen musste. Der Sohn kam in den USA, die Tochter in Südafrika zu Welt. Zurück in Frankreich mussten die Eltern feststellen, dass sich ihre Kinder nicht als Franzosen fühlten. Diese gaben an, nicht die Kultur ihrer Eltern zu teilen, sondern ihre eigne Kultur entwickelt zu haben.

In dem seit 2008 laufenden Pilotprojekt „TCK- Third Culture Kids“ wurden unter der Leitung von Prof. Dr. Angela Ittel rund 60 Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren, die internationale Schulen in Berlin besuchen und dem Profil von „Third Culture Kids“ entsprechen, zu Themen wie Selbstwirksamkeit, Zugehörigkeit und Integration befragt. Dazu füllten sie Fragebögen in englischer Sprache aus, die derzeit ausgewertet werden.

„Überrascht hat uns, dass die Befragten, die angaben, über eine geringe Selbstwirksamkeit zu verfügen, ihrer Meinung nach anpassungsfähiger seien,“ kommentiert Prof. Ittel die ersten Ergebnisse. Interessant sei auch, dass die Jugendlichen sich überwiegend „sehr wohl“ in ihrer Schule fühlen. Bei etwa zwei Drittel der Befragten wirke sich der ständige Ortswechsel positiv auf Schulnoten und Integration innerhalb der Familie aus. Auffällig bei dieser Gruppe sei, dass sie sich insbesondere zu anderen „TCK“s hingezogen fühlen und nach einem Ortswechsel Freundschaften virtuell weiterführen. Das andere Drittel bezeichnet Ittel als Risikogruppe. Die Befragten dieser Gruppe gaben an, an Einsamkeit zu leiden. Trotz der dem ersten Anschein nach positiven Auswirkung des ständigen Standortwechsels wollten etwa zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen den Lebensstil ihrer Eltern nicht annehmen.

„Ziel unseres Projektes ist es, die sogenannte Risikogruppe besser zu verstehen, um Lehrer und Pädagogen, die mit „TCK“-Kindern arbeiten für dieses Thema zu sensibilisieren und Programme zur Vorbereitung für das 'globale Nomadentum' zu entwickeln“, erklärt Ittel weiter. Sie ist sicher: „Es geht hier nicht um Elitenforschung. Dieses Phänomen wird in Zukunft vermehrt auftreten.“ Mit einer Ist-Beschreibung und konkreten Handlungsempfehlungen um das „Third Culture Kids“- Phänomen soll das Thema an die Öffentlichkeit getragen werden.

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Weitere Informationen erteilt Ihnen gern: Prof. Dr. Angela Ittel, Institut für Erziehungswissenschaft, Technische Universität Berlin, Tel.: 314-73209/-73524, E-Mail: angela.ittel@tu-berlin.de

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