Assistenzroboter zur Vernetzung von Senioren und Pflegenden
In einem Forschungsprojekt hat die Technische Universität Ilmenau gemeinsam mit sechs Partnern einen Assistenzroboter entwickelt, der es Pflegebedürftigen ermöglicht, von zu Hause aus zu kommunizieren und so mit den Personen, die sie pflegen, vernetzt zu bleiben.
Moderne Technologie hält den stetigen Kontakt der Seniorinnen und Senioren mit Angehörigen, Bekannten und Pflegedienstmitarbeitern aufrecht und unterstützt sie bei verschiedenen Dienstleistungen. Das soeben zu Ende gegangene Verbundprojekt MORPHIA war vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Förderschwerpunkts „Robotische Systeme für die Pflege“ mit gut 1,9 Millionen Euro für dreieinhalb Jahre gefördert worden
Die Zahl der Menschen, die auf häusliche Pflege angewiesen sind, steigt stetig. Meist sind es Angehörige, die ihre Pflege übernehmen. Doch veränderte Familienstrukturen und immer häufiger weit entfernt wohnende Angehörige sind ein stetig wachsendes Problem. Auch professionelle ambulante Pflegedienste kümmern sich, je nach Pflegegrad, ein- bis dreimal täglich zu Hause um die Pflegebedürftigen. Doch nicht nur sind die Seniorinnen und Senioren außerhalb der Betreuungszeiten auf sich allein gestellt, der zunehmende Mangel an ambulanten Pflegekräften heizt die Pflegekrise zusätzlich an. Patientengerechte technische Assistenzsysteme, die die Pflegebedürftigen und deren Angehörige unterstützen, sind ein Gebot der Stunde.
An dem Forschungsverbundprojekt MORPHIA („Mobiler robotischer Pflegeassistent zur Verbesserung von Teilhabe, Versorgung und Sicherheit in der häuslichen Pflege durch videobasiertes Angehörigennetzwerk“) haben die TU Ilmenau als Koordinatorin und sechs Partner aus Wissenschaft, Technologie und Pflege dreieinhalb Jahre gearbeitet. MORPHIA – das ist nicht nur ein Roboter: Der autonom operierende Assistenzroboter, ausgestattet mit Interaktions- und Kommunikationsfähigkeiten, und ein App-basiertes Kommunikationsnetzwerk, bilden das MORPHIA-System, mit dem alle Aufgaben im Pflegenetzwerk rasch und effektiv abgestimmt und verteilt werden können.
Der Roboter schließt die Kommunikationslücke zwischen Pflegebedürftigen und Pflegenden. Mit ihm können die älteren Menschen per Video oder Chat kommunizieren – mit den Angehörigen oder Freunden zum sozialen Austausch oder mit den Pflegenden zur Unterstützung bei bestimmten Tätigkeiten wie der Einnahme von Medikamenten, an die sie der Roboter auch erinnert. Auch den Transport von Essensmahlzeiten oder persönlichen Gegenständen innerhalb der Wohnung übernimmt der Roboter. Bei eingehenden Anrufen sucht er die Senioren in der Wohnung und wenn diese etwas benötigen, können sie ihn per Rufknopf herbeiholen. Bei all seinen unterstützenden Tätigkeiten hat der Roboter unbegrenzt Zeit und Geduld, er muntert die Seniorinnen und Senioren durch humorvolle Dialoge und Geräusche auf und durch überraschende Effekte und unerwartete Anregungen und Handlungen bereichert er ihren Alltag und nimmt ihnen ein Wenig die Einsamkeit. Weit entfernt wohnende Angehörige können mit einer intelligenten Fernsteuerung in der Wohnung der Seniorinnen und Senioren nach dem Rechten schauen oder diese per Telepräsenz bei bestimmten Tätigkeiten unterstützen.
In einem Langzeittest wurde der MORPHIA-Roboter von 13 Seniorinnen und Senioren mit einem Durchschnittsalter von 76 Jahren in Wohnanlagen der Alten-, Jugend- und Sozialhilfe AWO Ilmenau erprobt. Dabei waren die ganze Zeit über auch die jeweils pflegenden Personen und Einrichtungen eingebunden. So konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wertvolle Erkenntnisse über die Nutzung von Pflegeassistenzrobotern im täglichen häuslichen Alltag älterer Menschen, die den Umgang mit modernen Kommunikationstechnologien nicht gewohnt sind, gewinnen. Mit einer Gesamtdauer der Nutzertests von 41 Wochen ohne die Anwesenheit technischer Experten setzt MORPHIA in der Assistenzrobotik auch international neue Maßstäbe.
Bei der Entwicklung des Roboters achteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um MORPHIA-Projektleiter Professor Horst-Michael Groß, Leiter des Fachgebiets Neuroinformatik und Kognitive Robotik der TU Ilmenau, darauf, dass die Technik von den älteren Menschen selbst und auch von ihren Angehörigen einfach zu handhaben ist: „Die Bedienung des MORPHIA-Systems ist per Smartphone, Tablet oder PC von jedem beliebigen Ort aus möglich. Natürlich war es uns auch sehr wichtig, dass der Roboter eigenständig in der Wohnung nach den Senioren suchen kann und seine Fernnavigation durch die Angehörigen und die Pflegeeinrichtungen alltagstauglich und nutzerfreundlich ist. Dies wird, davon bin ich überzeugt, Pflegebedürftige und Pflegende wesentlich enger miteinander vernetzen.“ In der Tat kooperieren Angehörige und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Pflege- und Gesundheitsberufen heute oftmals nicht nur unmittelbar vor Ort, sondern auch über weite Entfernungen hinweg miteinander. Der MORPHIA-Roboter hilft, die Pflegeaufgaben unter allen Beteiligten leichter untereinander abzustimmen und zu verteilen.
Abschlusspräsentation Pflegeassistenzroboter Verbundprojekt MORPHIA:
Zeit: 07.07.2023, 10:00 Uhr
Ort: Wohnanlage der Alten-, Jugend- und Sozialhilfe gGmbH AWO, Begegnungsstätte, Heinrich-Hertz-Str. 1a, 98693 Ilmenau
Partner des Forschungsprojekts MORPHIA waren:
Das Fachgebiet Neuroinformatik und Kognitive Robotik der Technischen Universität Ilmenau beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren mit intelligenten Assistenzrobotern für öffentliche und private Einsatzszenarien. Im MORPHIA-Projekt koordinierte es den Forschungsverbund und war für die Gesamtanwendung des Robotersystems und für die sichere Navigation des Roboters in der Wohnung sowie eine zuverlässige Personenwahrnehmung verantwortlich.
Die Alten-, Jugend- und Sozialhilfe AWO AJS GmbH betreibt in Thüringen über 200 soziale Einrichtungen, davon zahlreiche Einrichtungen und Dienste der Altenhilfe. Im MORPHIA-Projekt akquirierte der Regionalverbund Ilmenau für die Nutzertests Seniorinnen und Senioren sowie deren Angehörige in stationären, teilstationären und ambulanten Einrichtungen und Diensten und begleitete sie während der Tests.
Die Firma CIBEK Technology and Trading GmbH entwickelt seit mehr als zehn Jahren Tablet-basierte technische Assistenzsysteme für ältere Menschen. Im MORPHIA-Projekt entwickelte sie die App-basierte Kommunikationsplattform für das Pflegenetzwerk.
Die Firma MetraLabs GmbH Neue Technologien und Systeme Ilmenau ist seit mehr als 15 Jahren spezialisiert auf die Entwicklung serienreifer, autonomer, mobiler Serviceroboter. Im MORPHIA-Projekt entwickelte sie die mobile Roboterplattform für den häuslichen Einsatz.
Das SIBIS Institut für Sozial- und Technikforschung GmbH Berlin verfügt über langjährige Erfahrung mit ethischen und sozialen Implikationen der sozialen Assistenzrobotik. Im MORPHIA-Projekt führte es die sozialwissenschaftliche Evaluation durch.
Die Abteilung Pflegewissenschaft der Universität Osnabrück befasst sich seit über zehn Jahren mit der Entwicklung, Erprobung und Bewertung von neuen Technologien in der Pflege. Im MORPHIA-Projekt untersuchte sie die Bedeutung von Robotik für die Pflege und die Sorgenetzwerke.
Die YOUSE GmbH Berlin ist Dienstleister für eine nutzerzentrierte Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen mit Fokus auf die Generation Plus und den Gesundheits- und Pflegebereich. Im MORPHIA-Projekt entwickelte sie das Konzept aus Nutzersicht mit.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Horst-Michael Groß
Leiter Fachgebiet Neuroinformatik und
Kognitive Robotik
+49 3677 69-2858
horst-michael.gross@tu-ilmenau.de
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