Weltweit erstes "Chip-Sandwich"

Das neue SOLID-Verfahren lötet Chips an ihren Oberseiten zu einem System-in-Package zusammen. <br>Auch Chips aus unterschiedlichen Prozessen lassen sich so zu einem System-in-Package vereinen. Mit SOLID können durch kürzeste Verbindungen wesentlich höhere Frequenzen erreicht werden. Das Tor zur Optimierung traditioneller sowie die Umsetzung neuer Funktionalitäten ist damit weit aufgestoßen.

Neues Lötverfahren bietet Ausweg aus der Verdrahtungskrise

Infineon Technologies hat einen Weg aus der drohenden Verdrahtungskrise der Halbleiterindustrie gefunden. Forschern des Münchener Unternehmens ist es nun gelungen, zwei unterschiedliche Chips – einen Logik-Chip und ein Speichermodul – gleich einem Sandwich zu einem Chipsystem zusammenzulöten. Da die Leiterbahnen zur Verbindung der beiden Chips bei dieser Technologie im Chip-Inneren liegen und auf ein Minimum gekürzt sind, erfolgt die Datenübertragung zwischen den einzelnen Bausteinen entsprechend schneller. Das neue Verfahren mit dem Namen SOLID erlaubt eine weitere Miniaturisierung elektronischer Bauelemente und Geräte, eine wesentliche Steigerung der Komplexität von Chips auf kleinerer Fläche und für bestehende Produkte Preissenkungen von bis zu 30 Prozent.

Die Industrie hat in den vergangenen zehn Jahren verschiedene Ansätze für die Realisierung von 3D-Chips erprobt, mit SOLID hat Infineon als erstes Halbleiter-Unternehmen eine praktikable Lösung vorgestellt. Die Ober- und Unterseite des ersten Sandwich-Chips wurden in Dresden mit den gleichen Maschinen produziert, die auch für andere Chips von Infineon genutzt werden.

Hundertmal mehr Leitungen
Bei allen Halbleiter-basierten Applikationen, wie zum Beispiel Mobiltelefonen, tauschen verschiedene Chips elektronische Signale aus. Je länger die Leitungen zwischen den nebeneinander (planar) angeordneten Chips sind, desto mehr Zeit benötigt ein elektronisches Signal, diese Strecke zu überwinden, und desto langsamer ist entsprechend die Schaltung. Und die Anzahl der möglichen Leitungen bei planaren Verfahren ist auf engstem Raum stark begrenzt. Diese „Verdrahtungskrise“ führt dazu, dass Anwendungen, die hohe Frequenzen erfordern – wie zum Beispiel die Kommunikationstechnik – sich mit heutigen Taktraten nur schwer und damit sehr teuer realisieren lassen. Bei der SOLID-Technologie sind die Leitungen zwischen den Kontakten erheblich kürzer, da die Verbindungen nicht außen herum von einem Chip zum anderen gelegt werden, sondern eingeätzte Binnenkontakte die Signale direkt zwischen den einzelnen Segmenten eines Chips fließen lassen. Ein SOLID-Produkt kann bei der Inter-Chip-Kommunikation Taktraten von bis zu 200 GHz und mehr erreichen. Im Unterschied zu heutigen Chip-Systemen können hundertmal so viele Verbindungen auf gleicher Fläche untergebracht werden. Somit bietet sich auch Herstellern von elektronischen Geräten die Möglichkeit, kleinere Platinen einzusetzen und so neue und günstigere Produkte zu entwickeln. Schon bald werden Systeme entstehen, die komplexe Aufgaben sehr viel schneller auf weniger Raum bewältigen.

SOLID-Verfahren
Der Name SOLID ist dem angewandten Lötverfahren, dem Diffusionslöten (englisch: solid-liquid interdiffusion), entlehnt. Vor dem Verlöten werden die Ober- und die Unterseite des ’Sandwich’-Chips mit einer hauchdünnen Kupferschicht überzogen. Das Lötzinn wird mit einer Stärke von nur 3 µm (1 Mikrometer entspricht einem Tausendstel Millimeter) aufgebracht. Bei etwa 270ºC und 3 bar Druck werden die beiden Chips dann zusammengelötet und haften dauerhaft aneinander. Die Chips werden dabei nicht höher als „normale“ Chips, da flache („gedünnte“) Siliziumscheiben als Grundlage dienen. In der Regel haben die Siliziumscheiben, die Wafer, eine Stärke von 120 µm. Für SOLID-Produkte reduziert Infineon sie in einem kostengünstigen Standard-Verfahren auf nur 60 µm. Dies entspricht in etwa dem Durchmesser eines menschlichen Haars. Das „Chip-Sandwich“ erhält die gleiche Umhüllung für Halbleiterkomponenten aus Verbund- und Kunststoff wie normale Chip-Systeme – damit lassen sich fünfzig Prozent des Materials und der Kosten für Gehäuse einsparen.

Herausforderungen der Zukunft meistern
Die neue Technologie eignet sich für fast alle Applikationen aus dem Halbleiterbereich, von Chips für die mobile Kommunikation bis hin zu Systemen für Industrie und Automobil. Bestehende Produkte können durch effektiveren Einsatz der Produktion – etwa durch separate Herstellung der hochkomplexen Unterseiten und weniger komplexen Oberseiten der ’Sandwich’-Chips – um bis zu 30 Prozent billiger hergestellt werden. Ein mit dem SOLID-Verfahren hergestellter Chip beansprucht überdies bis zu 50 Prozent weniger Platz als herkömmliche, nebeneinander angeordnete Produkte mit der gleichen Funktionalität. Die kürzeren Leitungswege benötigen weniger Strom und haben dadurch eine geringere Arbeitstemperatur. Damit ermöglicht die SOLID-Technologie höheren Komfort bei der Nutzung von Handys und Notebooks, da Akkus länger halten und die mobilen Geräte nicht so heiß werden wie bei aktuellen Modellen.

Die erste Applikation, die schon im nächsten Jahr in die Produktion starten könnte, ist ein Chipkarten-Controller. Ein Chipkarten-Controller hat eine festgelegte Grundfläche, auf der Logik-Chip und Speicher untergebracht werden müssen. Während aktuelle Chipkarten über 32 KByte Speicher verfügen, bietet ein erster Prototyp eines von Infineon im SOLID-Verfahren gefertigten Chipkarten-Controllers 160 KByte nichtflüchtigen Speicher. Damit kann nicht nur eine größere Menge an Daten auf dem Chip untergebracht werden, sondern auch ein komplexes, offenes Betriebssystem wie zum Beispiel eine Linux-Variante installiert werden.

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Reiner Schönrock Media Relations

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