e-Business in Rotstiftzeiten: Trotz aller Ernüchterung steht die Ampel auf "grün"

Nach der ersten Welle macht sich Ernüchterung breit in Sachen e-Business. Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass „e“ allein kein Garant für Erfolg ist. Trotzdem ist e-Business für 76 Prozent der deutschen Industrie immer noch ein Top-Thema. Aber nur knapp die Hälfte der Unternehmen hat eine explizite Strategie formuliert. Keinesfalls dürfen sich Vorstände und Geschäftsführer jetzt aus dem Thema e-Business zurückziehen, denn mehr denn je ist ihre „Dirigenten-Rolle“ aufgrund der bisher schwachen Ergebnisse extrem wichtig. Dies ergab eine Studie von Cap Gemini Ernst & Young in Zusammenarbeit mit dem Competence Center e-Business der Universität Trier. Bei der Befragung wurden 310 Führungskräfte, CIOs und Manager, die für e-Business Aktivitäten des Unternehmens zuständig sind, zum aktuellen Stand und den zukünftigen Zielen interviewt.

Im Durchschnitt laufen in den Unternehmen zur Zeit zehn e-Business-Projekte parallel. Die Treiber dafür finden sich noch häufig auf Vorstands- bzw. Geschäftsführungsebene, doch die Schwerpunkte verlagern sich. Der Einfluss der IT-Abteilungen hat im Vergleich zum Vorjahr deutlich zugenommen. Nur bei sehr großen Unternehmen ist der Einfluss der IT Abteilungen gegenüber den mächtigen Fachbereichen gering.

Trotz der zahlreichen Initiativen sehen sich vier von fünf befragten Unternehmen noch am Anfang der Entwicklung. Schließlich halten sich die fassbaren Erfolge noch in Grenzen. Zwei Drittel der befragten Unternehmen konnten über e-Business bisher weder die Kosten senken noch den Unternehmenserfolg steigern. Bei den Großunternehmen sind es sogar über drei Viertel. Gerade die Konzerne gestehen ein, dass sie die Komplexität einer e-Transformation klar unterschätzt haben. Der mangelnde Erfolg kann jedoch die Mehrzahl der Unternehmen nicht davon abhalten, in 2002 ihre Ausgaben für e-Business mehrheitlich sogar noch zu erhöhen. Nur bestimmte Firmen unter einer Milliarde Euro Umsatz – gerade im größeren Mittelstand – legen im nächsten Jahr die Bremse ein. Doch insgesamt steht die Ampel auf Grün.

Die Prioritäten verändern sich

Allerorts wird Geschwindigkeit zum Hauptziel. Das heißt, dass das Hauptaugenmerk nicht mehr der Gewinnung von Marktanteilen oder dem Aufbau neuer Geschäftsmodelle gilt. Stattdessen stehen für 81 Prozent der Befragten die Beschleunigung der Geschäftsprozesse und für 68 Prozent die Steigerung der Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber im Vordergrund. Gerade die traditionellen Branchen wie Metallindustrie oder Maschinenbau verstehen „e“ auch als Personalmarketing-Maßnahme, mit der man die Attraktivität als Arbeitgeber stärken möchte.

Während nur noch 48 Prozent der Befragten neue Kunden gewinnen wollen und lediglich 39 Prozent sich neue Geschäftsfelder erschließen möchten, steht für 66 Prozent die Verbesserung der individuellen Kundenansprache im Vordergrund. Kundenbindung statt Kundengewinnung ist das neue Motto des Vertriebs. Im Vergleich zum Vorjahr kann man insgesamt aber einen deutlichen Rückgang der Bedeutung marktseitiger Ziele feststellen.

Wohin fließen die Investitionen? Aus funktionaler Sicht werden bis Ende 2002 die Schwerpunkte in den Bereichen Marketing/Vertrieb/CRM (82 Prozent), Procurement (74 Prozent) sowie Supply Chain Management (60 Prozent) am liegen. Alle funktionalen Themen werden im kommenden Jahr hohe Wachstumsraten in der „going live“ Rate aufweisen. Die stärksten Wachstumsbereiche finden sich dabei im Aftersales/Service (plus 126 Prozent) und Supply Chain Management (plus 107 Prozent). Doch bei den bereits eingesetzten Systemen ist die Zufriedenheitsrate mit nur 30 bis 50 Prozent erschreckend gering.

„Wir haben festgestellt, dass die Vorbereitungsprojekte für die neuen Systeme häufig schon voll angelaufen sind“, sagt Bernd Zanner, Principal Strategy & Transformation und Leiter des Kompetenzbereiches e-Transformation bei Cap Gemini Ernst & Young Deutschland und weiter: „Dieser Vorlauf ist auch ein wichtiger Grund, warum die Investitionen trotz der schwachen Konjunkturlage nicht radikal gekürzt werden. Ein Eingriff in laufende Projekte erscheint nicht opportun.“ Daher werden die befragten Unternehmen 2002 ihre e-Business-Investitionen weiter ausbauen (56 Prozent) oder konstant halten (36 Prozent). Einzig große Mittelständer zeigen sich zurückhaltend: Ein Drittel wird die Investitionen zurückfahren.

Trotz hoher Investitionen erklärt nur ein Drittel der Unternehmen, mit e-Business bisher operative Erfolge erzielt zu haben. In der Befragung wurden darauf aufbauend rund 30 Hindernis-Aspekte analysiert. Die Top-Hürden sind:

  • Fehlende Eignung der Produkte für den e-Vertrieb (52 Prozent)
  • Spürbare Verbesserungen zeigen sich erst nach Jahren (47 Prozent)
  • Unzureichende Anzahl von Nachfragern (46 Prozent)
  • Widerstand gegen Veränderungen in den Arbeitsabläufen (46 Prozent)

„Viele Unternehmen sehen als größte Barriere die fehlende Eignung ihrer Produkte zum Vertrieb über elektronische Medien“, stellt Zanner fest, „gerade die Hersteller von Investitionsgütern leiden hierunter. Diese Barriere lässt sich durch kreative Ansätze im Vertrieb umgehen.“ Insgesamt gibt es jedoch eine „Nachfrage-Falle“: Einerseits werden die Angebote im Netz durch die Kunden deutlich langsamer angenommen als erhofft, andererseits schrauben die Unternehmen ihre Ziele auf der Vertriebsseite deutlich zurück und konzentrieren sich lieber auf Effizienz-Ziele.

Die Hindernisse unterscheiden sich deutlich nach Unternehmensgröße. Während kleinere Unternehmen mit externen und marktseitig bedingten Hindernissen kämpfen, verlagert sich die Problematik mit steigender Unternehmensgröße auf organisationsbedingte Hindernisse. Bei Großkonzernen kommen massive Schwie-rigkeiten im Zusammenhang mit der bestehenden IT-Systemlandschaft hinzu.

Fazit: Fünf zentrale Herausforderungen im e-Business

Die befragten Unternehmen haben eine breite Palette von laufenden e-Business-Projekten in der Pipeline. Das „going live“ ist in vielen Fällen erst für 2002 geplant. In diesem Jahr wird sich die Anzahl der operativ laufenden e-Business-Systeme in Deutschland fast verdoppeln. Mäßig sind jedoch die Erfolge, die deutsche Unternehmen bisher verbuchen konnten. Hier müssen die verantwortlichen Führungskräfte ansetzen und fünf zentralen Herausforderungen im e-Business begegnen.

  1. Komplexität durch besseres „Alignment“ beherrschbar machen: Gerade für große Unternehmen ist die Komplexität des e-Business nur schwer zu bewältigen. Organisatorische Reibungsverluste und technische Schwierigkeiten in den Systemlandschaften bremsen die Umsetzung. Über ein strukturiertes „e-Business Alignment“ müssen die laufenden Projekte deshalb besser mit den strategischen Prioritäten in Einklang gebracht werden. Dabei hilft zum Beispiel eine stärkere Priorisierung und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. Um die Komplexität zu beherrschen, sollten bereits laufende Projekte geprüft und dann selektiv beschleunigt werden.
  2. Projekte prozessorientierter aufstellen und managen: Erhöhte Geschwindigkeit als Hauptziel im e-Business lässt sich nur durch eine Neugestaltung der Prozesse quer durch die Unternehmensbereiche realisieren. Dies erfordert jedoch zwingend einen bereichsübergreifenden Ansatz, der selten existiert. Hier sollte die strategische Denkpause genutzt werden, um die Projekte stärker prozessorientiert aufzustellen. Sonst bleibt Geschwindigkeit ein leeres Schlagwort.
  3. Der „Nachfrage-Falle“ entkommen: Gerade auf der Marktseite war die Versuchung groß, dem e-Business-„Hype“ im Wettlauf mit den Startups zu erliegen. Heute stellen wir fest, dass Kunden die Angebote im Netz deutlich langsamer annehmen als erhofft; während die Unternehmen ihre Ziele auf der Vertriebsseite deutlich zurückschrauben. Hier werden Ansätze in der Verkaufsanbahnung, im Aftersales, und bei Services, die auf spezielle Kundenbedürfnisse abzielen, benötigt. Das Internet ist ein Vertriebskanal, der nach der Kunst verlangt, eine „Multi-Channel“-Betreuung zu orchestrieren.
  4. Beherrschbarkeit der IT-Systemlandschaft absichern: Ein reines Abarbeiten der Fülle von Anforderungen aus den Fachbereichen würde dazu führen, dass die IT Systemlandschaften spätestens 2004 kaum mehr beherrschbar wären. Die deutschen CIOs müssen sich daher die Frage stellen, wie sie ihre „e-Architektur“ so konzipieren können, dass sich in die Systemlandschaft auch zukünftig eine Vielzahl neuer Lösungen einbinden lassen.
  5. Mitarbeiter besser vorbereiten und führen: Deutlich stärker als bisher muss den Ängsten und Widerständen durch gezieltes Change Management begegnet werden. Häufig durchlaufen erfolgreiche e-Business Projekte zunächst ein tiefgreifendes organisatorisches Reengineering. Die Motivation und Qualifikation der Mitarbeiter in dieser Phase zu erhalten, ist eine der vordringlichsten Management-Aufgaben.

Media Contact

Thomas Becker ots

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