Big Data: Flächendeckendes Messnetz für Feinstaub

Das Forschungsprojekt SmartAQnet bringt Daten aus alten und neuen Messsystemen wie Smartphone-Sensoren zusammen, um Feinstaub in der Stadt besser zu verstehen. Foto: P. Langer/ KIT

Weltweit lebt mehr als die Hälfte der Menschheit in Städten, in Deutschland mehr als drei Viertel der Bevölkerung. Für ihre Gesundheit spielt die Luftqualität eine wesentliche Rolle. Schadstoffe wie Feinstaub sind in der städtischen Atmosphäre jedoch sehr unterschiedlich verteilt.

Hochpräzise, teure Messstationen befinden sich in der Regel an wenigen neuralgischen Punkten mit sehr hoher Luftbelastung wie dem Neckartor in Stuttgart oder der Landshuter Allee in München. Wie hoch die Feinstaub-Belastung im eigenen Stadtviertel oder auf der Fahrradstrecke zum Arbeitsplatz ist, bleibt für den einzelnen Bürger bislang ungeklärt.

Das Forschungsprojekt Smart Air Quality Network (SmartAQnet) erarbeitet – zunächst für die Modellregion Augsburg – ein Gesamtsystem, mit dem die Verteilung von Feinstaub in der Stadt besser verstanden werden soll. In dem vom KIT koordinierten Verbundprojekt von Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kommune werden bestehende Datensätze zusammengefügt und mit einer vernetzten mobilen Messstrategie verbunden.

„Wir versuchen alle verfügbaren vorhandenen Daten zusammenzuführen und ergänzen sie durch ein vielschichtiges Netzwerk von Sensoren, um eine bessere Datenlage zu schaffen“, sagt Projektleiter Matthias Budde, Informatiker am Lehrstuhl für Pervasive Computing Systems (PCS) und der Forschungsgruppe TECO.

Der Lehrstuhl erforscht, wie große Datenmengen effizient ausgewertet und in nutzbares Wissen verwandelt werden können. Geleitet wird er von Professor Michael Beigl, Sprecher des Smart Data Innovation Lab (SDIL), einem der drei vom Bund geförderten Big Data Kompetenzzentren in Deutschland.

Bei SmartAQnet fließen in die Datensammlung neben den Luft- und Wetterdaten klassischer Messstationen unter anderem Messungen von Flugdrohnen ein, die Auskunft über die Feinstaubverteilung in höheren Luftschichten geben, sowie Messdaten von Bürgern, die die Feinstaubbelastung mit günstiger Sensorik erfassen. Beispielsweise könnte durch einen von Budde entwickelten, aufsteckbaren Sensor und eine App die Kamera des Telefons zum Feinstaubdetektor werden:

Der Blitz des Smartphones gibt Licht in den Messbereich ab, Feinstaub streut dieses Licht, und die Kamera fängt das Messergebnis als Bild auf, dessen Helligkeit sich in die Staubkonzentration umrechnen lässt. Einfache Technik für Messungen durch Nicht-Experten ist zwar weniger genau, gleicht diesen Nachteil aber potenziell durch die große Anzahl an Messungen und ihre breite räumliche Abdeckung aus.

Das Zusammenspiel und die Auswertung der Daten unterschiedlicher Messinstrumente von der stationären, wissenschaftlichen Hochpräzisions-Messung bis zum kostengünstigen, von Laien einfach zu bedienenden Gerät, ist eine der Herausforderungen des Forschungsprojekts. „Dafür sind schlaue Algorithmen und Big Data-Analysen nötig“, betont Budde. Ein Fokus bei SmartAQnet liegt auf der Entwicklung einer Plattform, in die die Verbundpartner ihre Umweltmessungen einspeisen.

„Soweit keine personenbezogenen Daten betroffen sind, sollen alle Daten, die beteiligte Forscher und Bürger sammeln, als Open Data jedem Interessierten zugänglich sein“, betont Budde. Sie sollen Wissenschaftlern, Stadtplanern, Behörden und Bürgern gleichermaßen zur Verfügung stehen.

„Von Seiten der Stadtklimaforschung gibt es ein sehr großes Interesse an flächendeckenden Messungen, um ein vollständiges Bild der Luftqualität zu erreichen“, sagt Professor Stefan Emeis, Klimaforscher am Institut für Meteorologie und Klimaforschung (IMK) des KIT, das Verbundpartner von SmartAQnet ist. Erkenntnisse aus SmartAQnet nutzen die KIT-Klimaforscher unter anderem zur numerischen Simulation im Zuge ihrer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschung zum „Stadtklima im Wandel“. SmartAQnet sei ein zukunftsträchtiges Vorhaben, um zu erkennen, welche Teile der Stadt wie belastet sind, so Emeis. Augsburg eigne sich als Modellregion, weil in der Umwelthauptstadt Bayerns zahlreiche Umweltinstitutionen angesiedelt sind und Dauermessstellen bestehen, deren langfristige Aussagen in das Projekt einfließen.

Das im Frühjahr 2017 gestartete Forschungsvorhaben SmartAQnet hat eine Laufzeit von drei Jahren. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) fördert das Verbundprojekt über seinen Modernitätsfonds für digitale, datenbasierte Innovationen mit insgesamt 2,9 Millionen Euro, davon entfallen jeweils rund 500.000 Euro auf die beiden beteiligten KIT-Institute.

Weitere Partner sind die Aerosol Akademie e.V., die ein interdisziplinäres Netzwerk rund um Aerosoltechnologie und Aerosolforschung betreibt, die GRIMM Aerosol Technik GmbH & Co. KG, eines der weltweit namhaftesten Unternehmen im Bereich von Umwelt- und Arbeitsschutzmessungen, die Universität Augsburg mit ihrem Institut für Geographie, Lehrstuhl für Physische Geographie und Quantitative Methoden (IGUA) sowie zwei Arbeitsgruppen des Helmholtz Zentrums München, Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (HMGU): das Institut für Epidemiologie II und die Kooperationsgruppe Comprehensive Molecular Analytics (CMA). Das Umweltamt der Stadt Augsburg unterstützt das Projekt als assoziierter Projektpartner.

Weitere Information:

http://smartaq.net/

Details zum KIT-Zentrum Klima und Umwelt: http://www.klima-umwelt.kit.edu

Weiterer Kontakt:
Kosta Schinarakis, Themenscout, Tel.: +49 721 608 41956, Fax: +49 721 608 43658,
E-Mail: schinarakis@kit.edu

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 9.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieurs-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 26.000 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen.

Das KIT ist seit 2010 als familiengerechte Hochschule zertifiziert.

Diese Presseinformation ist im Internet abrufbar unter: http://www.sek.kit.edu/presse.php

http://smartaq.net/
http://www.klima-umwelt.kit.edu
http://schinarakis@kit.edu
http://www.sek.kit.edu/presse.php

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