Die Brücke zwischen Supraleiter- und Halbleitertechnologie

Detailaufnahme eines Entmischungskryostaten, mit dem Messungen im Tieftemperaturbereich bei rund -273 Grad Celsius vorgenommen werden.
Bild: Universität Konstanz

Internationaler Forschungsverbund SuperGate unter Federführung der Universität Konstanz schafft eine Schnittstelle zwischen Supraleitern und Halbleitern für künftige Supercomputer – Förderung durch einen FET Open Grant der Europäischen Union

Die nächste Generation an Supercomputern – darunter Quantencomputer – steht vor entscheidenden Herausforderungen: Die Hochleistungsrechner von morgen stoßen bei der Miniaturisierung der Bauteile an die Grenzen der Physik, sie müssen zugleich energiesparender gestaltet sein und sollen immer leistungsfähiger werden. Der internationale Forschungsverbund SuperGate unter Federführung der Universität Konstanz erarbeitet hierfür eine neue Grundlage: Die Forschenden entwickeln eine Technologie, die Supraleiter- mit der bestehenden Halbleitertechnologie kombiniert – mit einem methodischen Ansatz, der bis vor wenigen Jahren noch als physikalisch unmöglich galt.

„Wir erschließen hier komplettes wissenschaftliches Neuland“, spricht der Konstanzer Physiker Prof. Dr. Angelo Di Bernardo, der gemeinsam mit Prof. Dr. Wolfgang Belzig und Prof. Dr. Elke Scheer das Konstanzer Team des internationalen Forschungsverbunds bildet. Das Forschungsprojekt wird mit einem FET Open Grant (FET: Future and Emerging Technologies) der Europäischen Union in Höhe von rund 3 Millionen Euro gefördert.

„Elektronische Schaltungen aus Supraleitern und Halbleitern beruhen auf gänzlich unterschiedlichen Konzepten“, schildert Elke Scheer: Halbleiterschaltungen werden durch elektrische Spannung gesteuert und operieren bei Raumtemperatur. Supraleitende Schaltkreise hingegen basieren auf verlustfreiem elektrischem Strom und arbeiten bei Temperaturen von rund -270 Grad Celsius, nahe dem absoluten Nullpunkt. In der Entwicklung von Hochleistungsrechnern besteht ein hohes Interesse daran, die leistungsstärkere und energiesparende Supraleitertechnologie mit der bestehenden Haltleitertechnologie zu verbinden. Bis vor wenigen Jahren galten beide Ansätze jedoch als nicht vereinbar.

Eine wegweisende Entdeckung

Im Jahr 2018 erfolgte eine wegweisende Entdeckung: Physiker des Istituto Nanoscienze CNR am Laboratorio NEST – Scuola Normale Superiore in Pisa (Italien) wiesen nach, dass es möglich ist, die eigentlich strombasierten Supraleiter auch durch Spannung zu steuern. „Der grundlegende Nachweis wurde erbracht, doch wie genau und warum es funktioniert, ist noch immer nicht ganz klar“, erklärt Angelo Di Bernardo. „Nun geht es uns darum, den zugrundeliegenden physikalischen Mechanismus aufzuklären. Wenn wir diesen Mechanismus und die dahinterliegenden Prinzipien verstehen, können wir ihn steuern und für technische Anwendungen nutzbar machen.“

Diese fundamentale Entdeckung öffnet die Tür für eine Technologie, die Supraleiter mit Halbleitern verknüpft. „Das Ziel ist, leistungsstarke Supraleiter-Systeme zu entwickeln, die sich so steuern lassen, als wären sie Halbleiter, um die Vorteile aus beiden Welten zu vereinen“, unterstreicht Elke Scheer.

Vier Schritte zum Ziel

Das internationale Kooperationsprojekt verläuft in vier Schritten: „Erstens werden wir die physikalischen Grundlagen aufklären, wie Supraleiter durch Spannung kontrolliert werden können“, zählt Angelo Di Bernardo auf. „Zweitens erforschen wir, welches die besten Materialien für technische Anwendungen sind. Drittens werden wir unsere Konzepte in einem Prototypen implementieren. Unser viertes und finales Ziel ist schließlich, diese neue Supraleitertechnologie in einen Schaltkreis zu integrieren, der mit konventioneller Halbleitertechnologie interagiert.“

FET Open Grant

Das Forschungsprojekt unter Koordination von Elke Scheer und unter Beteiligung von Angelo Di Bernardo und dem theoretischen Physiker Wolfgang Belzig wird durch einen FET Open Grant gefördert. Mit diesem hochkompetitiven Förderprogramm unterstützt die Europäische Union unkonventionelle neue Forschungsideen, die auf fundamentale Durchbrüche für neue Technologien abzielen. Neben der Universität Konstanz und dem Consiglio Nazionale delle Ricerche (CNR) mit den Standorten Pisa und Salerno sind an diesem Projekt die Technische und Wirtschaftswissenschaftliche Universität Budapest, die Technische Universität Delft, die Chalmers University of Technology in Göteborg sowie Industriepartner in Italien beteiligt.

Faktenübersicht:
• Förderung des internationalen Forschungsverbundes „Gate Tuneable Superconducting Quantum Electronics“ (SuperGate) durch einen FET Open Grant der Europäischen Union.
• Förderhöhe: rund 3 Millionen Euro
• Förderdauer: März 2021 bis August 2024
• Projektkoordination: Prof. Dr. Elke Scheer, Universität Konstanz
• Thema: Erforschung des physikalischen Mechanismus, wie Supraleiter durch elektrische Spannung kontrolliert werden können, mit dem Ziel der Entwicklung einer Brückentechnologie zwischen Supraleiter- und Halbleitertechnologie für künftige Supercomputer.
• Projektpartner: Universität Konstanz, CNR Pisa und Salerno, Technische Universität Delft, Chalmers University of Technology in Göteborg, Technische und Wirtschaftswissenschaftliche Universität Budapest, SeeQC-EU (Italien)

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Bildunterschrift: Detailaufnahme eines Entmischungskryostaten, mit dem Messungen im Tieftemperaturbereich bei rund -273 Grad Celsius vorgenommen werden.
Bild: Universität Konstanz

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