Digitale Werkzeuge für Meeresforschung und Quantenphysik

Der ferngesteuerte Katamaran des ICBM wird im Projekt NorthSat-X weiterentwickelt. Er soll unter anderem mit einem Autopiloten und weiterer Sensorik ausgerüstet werden.
Universität Oldenburg/Oliver Wurl

Das Land Niedersachsen fördert fünf naturwissenschaftliche Digitalisierungsprojekte an der Universität Oldenburg. Im Mittelpunkt stehen KI-Verfahren, maschinelles Lernen und automatische Datenanalyse.

Viermal Meeresforschung, einmal Quantenphysik: Im Programm „Digitalisierung in den Naturwissenschaften“ fördert das Niedersächsische Wissenschaftsministerium (MWK) insgesamt fünf Oldenburger Vorhaben für drei Jahre mit insgesamt knapp 4,5 Millionen Euro aus dem Niedersächsischen Vorab der VolkswagenStiftung.

Gemeinsam mit Partnern wollen die Oldenburger Forscherinnen und Forscher zum Beispiel die Nanowelt mit neuen digitalen Werkzeugen erkunden oder Systeme entwickeln, um Daten von Satelliten oder Umweltsensoren mit Hilfe von Verfahren der Künstlichen Intelligenz (KI) automatisch auszuwerten. An drei der Projekte ist das Labor Niedersachsen des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) als Partner beteiligt. Insgesamt hatten die niedersächsischen Hochschulen in der diesjährigen Ausschreibungsrunde 25 Anträge für Forschungsprogramme eingereicht, acht wurden jetzt bewilligt.

„Innovative digitale Methoden ermöglichen es, große Datenmengen zu analysieren und neues Wissen zu generieren. Gerade in den Naturwissenschaften bieten KI-Verfahren die Chance, neue Forschungsfelder zu erschließen und unterschiedliche Disziplinen zu vernetzen. Ich freue mich, dass gleich fünf Oldenburger Projekte erfolgreich waren und mit digitalen Ansätzen wichtige Fragen der Grundlagen- und Umweltforschung bearbeiten“, sagte Universitätspräsident Prof. Dr. Dr. Hans Michael Piper anlässlich der Bewilligung.

Die Hauptantragsteller der fünf geförderten Oldenburger Projekte sind die Physikerin Prof. Dr. Caterina Cocchi, Leiterin der Arbeitsgruppe Theoretische Festkörperphysik am Institut für Physik, und die Meereswissenschaftler Dr. Thomas Badewien, Prof. Dr. Thorsten Dittmar, Prof. Dr. Oliver Wurl und Prof. Dr. Oliver Zielinski vom Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM).

In Caterina Cocchis Projekt SMART („Simulations meet experiments on the nanoscale: Opening up the quantum world to artificial intelligence“) geht es darum, quantenmechanische Prozesse mit innovativen Methoden der Computerphysik und Ultrakurzzeitphysik aufzuklären, insbesondere die Interaktion von Licht und Materie auf der Skala von wenigen Nanometern (Milliardstel Metern). Das Team, darunter weitere Oldenburger Physikerinnen und Physiker und Partner von der Universität Bremen, will zum Beispiel digitale Werkzeuge entwickeln, um die Ergebnisse von Experimenten und Simulationen automatisch zu vereinigen. Neue Visualisierungssoftware soll zudem die Bewegung von Ladungsträgern innerhalb von Nanomaterialien anschaulich sichtbar machen.

Am Vorhaben saimidris („Sailing Intelligent Micro Drifter Swarms“), das von Thomas Badewien geleitet wird, sind auch die Hochschule Emden/Leer und das DFKI als Partner beteiligt. Es hat als Ziel, kleine, intelligente Driftkörper zu entwickeln, die autonom mit den Meeresströmungen treiben und sich wie ein Schwarm verhalten. Diese Drifter sollen mit Hilfe neu entwickelter Sensoren zum Beispiel eingesetzt werden, um die Verteilung von Schadstoffen in Meeresgebieten zu erkunden, in denen Wassermassen unterschiedlichen Ursprungs aufeinandertreffen. Für die kleinen Driftkörper, die miteinander kommunizieren können, werden miniaturisierte Segelantriebe am neuen Maritimen Technikum in Leer entwickelt.

Im Mittelpunkt von Thorsten Dittmars Projekt „Global Carbon Cycling and Complex Molecular Patterns in Aquatic Systems: Integrated Analyses Powered by Advanced Digitization Techniques“ steht das so genannte gelöste organische Material – eine rätselhafte Mischung unterschiedlichster kohlenstoffhaltiger Substanzen im Meer, die eine wichtige Rolle für das Weltklima spielt. Gemeinsam mit weiteren ICBM-Forscherinnen und Forschern sowie Partnern vom Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation will Dittmar ein existierendes Datenmanagementsystem weiterentwickeln, um die großen Datenmengen, die bei der Untersuchung des gelösten organischen Materials anfallen, zu ordnen, zu vergleichen und zu analysieren. Ziel ist es, Muster in den Daten zu erkennen und dadurch Rückschlüsse auf weltweite Stoffkreisläufe zu ziehen.

Das Vorhaben NorthSat-X („The North Sea from space: Using explainable artificial intelligence to improve satellite observations of climate change“) von Oliver Wurl und Partnern vom ICBM und vom DFKI zielt darauf ab, die Qualität von Fernerkundungsdaten von Satelliten vor allem für Küstenregionen grundlegend zu verbessern. Das Team entwickelt dafür auf maschinellem Lernen basierende Verfahren, um die Satellitendaten mit direkt an der Meeresoberfläche aufgenommenen Messdaten besser als bisher abgleichen zu können. Auf diese Weise sollen künftig zum Beispiel Niederschläge in der Nordseeregion und klimatische Änderungen besser erfasst werden. Für die Erfassung von Daten wird ein ferngesteuerter Katamaran weiterentwickelt. Er soll unter anderem mit einem Autopiloten, weiterer Sensorik und Technologien für höhere Reichweiten ausgerüstet werden.

Im fünften Projekt ChESS („Change Event based Sensor Sampling“) von Oliver Zielinski geht es um eine Art Frühwarnsystem für Veränderungen in Ökosystemen. Gemeinsam mit Partnern vom DFKI-Labor Niedersachsen und von der Jade Hochschule will der Meereswissenschaftler ein KI-Verfahren entwickeln, das in Echtzeit Daten von verschiedenen Umweltsensoren erfasst und analysiert. Ziel ist, eine grundlegende KI-Struktur zu schaffen, die autonom agiert und etwa frühzeitig vor Verschmutzungen warnt. Das neu entwickelte Verfahren wollen die Forscher anhand eines automatisierten Sensorsystems für Küstengewässer umsetzen und testen.

Das niedersächsische Programm „Digitalisierung in den Naturwissenschaften“ fördert Projektteams, die sich interdisziplinär mit Aspekten der Digitalisierung bei naturwissenschaftlichen Fragestellungen befassen und gleichzeitig den Transfer neu gewonnenen Wissens im Blick haben. Forschungsansätze, die digitale Methoden verwenden, werden genauso gefördert wie die Entwicklung neuer digitaler Methoden, sowohl bei der Hardware als auch bei der Software.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Caterina Cocchi, Tel.: 0441/798-3071, E-Mail: caterina.cocchi@uol.de
Dr. Thomas Badewien, Tel.: 0441/798-3624, E-Mail: thomas.badewien@uol.de
Prof. Dr. Thorsten Dittmar, Tel.: 0441/798-3602, E-Mail: thorsten.dittmar@uol.de
Prof. Dr. Oliver Wurl, Tel.: 0441/798-8164, E-Mail: oliver.wurl@uol.de
Prof. Dr. Oliver Zielinski, Tel.: 0441/798-3518, E-Mail: oliver.zielinski@uol.de

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