Hochmoderne Forschungsanlage „Real Virtual Lab“

Lightstage
(c) Oliver Dietze

Die Vision von vielen Scifi-Serien und -Romanen: Anstatt in einfachen Videoanrufen, unterhalten sich Gesprächspartner als digitale Avatare miteinander – so, als säßen sie in einem Raum, obwohl in Wirklichkeit Tausende Kilometer zwischen ihnen liegen. Damit eine solche „Telepräsenz“ funktioniert, braucht es fotorealistische digitale Abbilder der Nutzer, die mit geringem Rechenaufwand und in Echtzeit erzeugt werden können. An der Grundlagenforschung hinter solcherlei Anwendungen arbeiten Forschende des Saarbrücker Max-Planck-Instituts für Informatik. Im Zuge dessen bauen sie ein hochmodernes Informatik-Labor auf, das in seiner technischen Ausstattung zu den weltweit führenden gehören wird.

Im Fokus des Forschungslabors unter dem Namen „Real Virtual Lab“ steht die hochgenaue Aufnahme von Daten für die Grundlagenforschung in Bereichen Computergrafik, Computer Vision und Künstliche Intelligenz Im Endausbau soll es insgesamt 350qm Laborfläche umfassen. Auch der Neubau spezialisierter Räumlichkeiten am Max-Planck-Institut für Informatik auf dem Saarland Informatics Campus ist vorgesehen.

Anlässlich der Inbetriebnahme einer sogenannten „Lightstage“ werden die bisher fertiggestellten Räumlichkeiten und Messaufbauten des Real Virtual Labs gezeigt. Bei der Lightstage handelt es sich um eine Vorrichtung, mit der kontrolliert verschiedene Lichtverhältnisse und Lichtszenen erzeugt und aufgezeichnet werden können. Die Saarbrücker Lightstage hat einen Durchmesser von 3,5 Metern, besteht aus rund 13.000 LEDs, die allesamt einzeln angesteuert werden können, und verfügt zudem über 40 hochauflösende 6k-Kameras in Kinoqualität. Die Max-Planck-Forscher werden die Technik dazu nutzen, um grundlegende Fragen der Rekonstruktion und Simulation fotorealistischer, digitaler Charaktere und Umgebungen zu untersuchen.

„Die Beleuchtung einer Szenerie beeinflusst stark, wie realistisch sie auf uns wirkt“, erklärt der promovierte Informatiker Marc Habermann, der das Real Virtual Lab leitet. „Die Lightstage gibt uns absolute Kontrolle darüber, wie wir Personen und Szenen ausleuchten und aufnehmen können. Das hilft uns wiederum dabei, die physikalischen Einzelheiten der Beleuchtung einer Szenerie möglichst umfassend zu durchdringen, um sie realitätsgetreu im digitalen Raum zu reproduzieren. Durch die Arbeit mit der Lightstage können wir verstehen, wie sich verschiedene Oberflächen und Objekte in verschiedenen Beleuchtungssituationen verhalten und wie man Personen, Objekte und Szenen möglichst realitätsgetreu in neuen, vorher nicht aufgezeichneten Perspektiven und Beleuchtungen synthetisieren kann. Uns geht es vor allem auch darum herauszufinden, welche Informationen wir mindestens benötigen, um Berechnungen zu Perspektiven und Beleuchtungen durchzuführen“, sagt Marc Habermann.

Besonders der Aspekt der Recheneffizienz ist für die Saarbrücker Forscher von Interesse. Professor Christian Theobalt, Direktor am Max-Planck-Institut für Informatik und Leiter der Abteilung „Visual Computing and Artificial Intelligence“, in der das „Real Virtual Lab“ angesiedelt ist, sagt: „Denken Sie an Anwendungen wie das Metaverse, wo man sich künftig in virtuellen Räumen mit digitalen Avataren treffen können soll. Das hätte großes Potenzial für Umwelt- und Klimaschutz, wenn so beispielsweise Konferenzen im digitalen Raum abgehalten und dadurch Flugreisen vermieden werden könnten“, sagt der Saarbrücker Informatik-Professor. „Damit eine solche Technik jedoch überhaupt in diesem Maße akzeptiert und genutzt werden kann, muss sie so ausgereift sein, dass keine oder kaum Unterschiede zu einem realen Treffen bemerkbar sind. Zudem müsste es mit vertretbarem Rechenaufwand und am Besten mit einer einfachen Webcam nutzbar sein. Davon sind wir noch weit entfernt“, sagt Christian Theobalt. Mit der Lightstage können die Saarbrücker Informatiker an bereits bestehende Forschung in dieser Richtung anknüpfen und diese vertiefen.

Aber nicht nur die Telepräsenz, auch andere Anwendungen können von der Lightstage profitieren: „Je realistischer wir Umgebungen simulieren können, desto bessere Trainingsdaten können wir generieren, beispielsweise für selbstfahrende Autos oder andere Bilderkennungsalgorithmen im industriellen Kontext“, sagt Laborleiter Marc Habermann.

Die Saarbrücker Lightstage zählt in der weltweiten Forschungslandschaft zur absoluten Spitze. Das Setup ist einmalig in Europa und auch weltweit gibt es in der Wissenschaft nur wenige Vorrichtungen mit annähernd ähnlichen technischen Möglichkeiten. Auch andere Forschungsgruppen am Saarland Informatics Campus profitieren von der neuen Apparatur: so werden auch die Forschenden des “Saarbrücken Research Centers for Visual Computing, Interaction and Artificial Intelligence (VIA)”, das 2022 aus einer strategischen Forschungspartnerschaft mit Google hervorgegangen und ebenfalls unter Leitung von Prof. Christian Theobalt am Max-Planck-Institut für Informatik angesiedelt ist, mit der neuen Anlage arbeiten.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Marc Habermann
Leiter “Real Virtual Lab” / Forschungsgruppenleiter
Max-Planck-Institut für Informatik
Tel.: +49 681 9325 4507
E-Mail: mhaberma@mpi-inf.mpg.de

Prof. Dr. Christian Theobalt
Wissenschaftlicher Direktor
Max-Planck-Institut für Informatik
Tel.: +49 681 9325 4500
E-Mail: d6-sek@mpi-inf.mpg.de

Weitere Informationen:

Pressefotos Printqualität: https://kingsx.cs.uni-saarland.de/index.php/s/FWmt4PFjRP37jSM

http://www.mpi-inf.mpg.de/

Media Contact

Bertram Somieski Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Informatik

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Informationstechnologie

Neuerungen und Entwicklungen auf den Gebieten der Informations- und Datenverarbeitung sowie der dafür benötigten Hardware finden Sie hier zusammengefasst.

Unter anderem erhalten Sie Informationen aus den Teilbereichen: IT-Dienstleistungen, IT-Architektur, IT-Management und Telekommunikation.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen

An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…

Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean

20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….

Resistente Bakterien in der Ostsee

Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…