Innovative Simulationstools zur Optimierung der Schaumproduktion

Dr. Konrad Steiner gibt im Interview Einblicke in die neueste Entwicklung des Simulationswerkzeugs FOAM.
(c) Fraunhofer ITWM

Dr. Konrad Steiner vom Fraunhofer ITWM im Interview.

Der perfekte Schaum ist nicht nur wichtig für Getränke wie Bier und Kaffee oder für die luftige Konsistenz der Mousse au Chocolat beim Weihnachtsmenü. Auch zur Isolation in Kühlgeräten oder Batterien sowie in Sitzpolstern, Prothesen oder Schuhsolen kommt Schaum zum Einsatz.

Dr. Konrad Steiner, Leiter der Abteilung »Strömungs- und Materialsimulation«, gibt im Interview Einblicke in die neueste Entwicklung der Software-Tools FOAM und FeelMath.

Vom 3. bis 5. Dezember 2024 präsentiert das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM außerdem auf der Foam Expo Europe 2024 in Stuttgart seine Beiträge für die Zukunft der Schaumproduktion für den Leichtbau.

Herr Steiner, die Software FOAM simuliert den Herstellungsprozess von Schaumstoff. Was macht die Softwarelösung FOAM so besonders?

Der Prozess der Schaumstoffexpansion ist eine große Herausforderung, insbesondere bei der Befüllung komplexer Bauteile: Man muss genau wissen, wie sich das Schaummaterial verhält, da es hoch reaktiv ist und somit stark temperaturabhängig. Wir haben ein automatisches Parameteridentifikationsverfahren entwickelt, sodass die Nutzenden nur wenige einfache Aufschäumexperimente durchführen müssen. Die notwendigen Materialgrößen des PU-Schaums werden dann ermittelt und stehen für alle Berechnungen mit dem gleichen Schaum zur Verfügung. FOAM simuliert den Ausdehnungsprozess von Schäumen in beliebigen Geometrien und bietet die Möglichkeit, den Schaumbildungsprozess sowie die resultierende Schaumdichte in geschlossenen Formen im Voraus zu berechnen.

Unternehmen sparen also Zeit und Geld, wenn sie Simulationen nutzen, statt im laufenden Prozess immer wieder neue Einstellungen auszuprobieren. Was macht FOAM darüber hinaus so interessant für die Nutzerinnen und Nutzer?

FOAM bietet eine benutzerfreundliche Oberfläche, Vorverarbeitungswerkzeuge für CAD-Daten, automatische Parameteridentifikation aus Schäumungsexperimenten zur Bestimmung der dynamischen Materialeigenschaften und unterstützt verschiedene Schaumstoffe. Es ermöglicht sowohl die Optimierung von Schaumkomponenten als auch die Auslegung von Schäumwerkzeugen und sogar die Simulation von Prozessen wie RIM-Infiltration von Schaumstoff. Mit FOAM können sehr komplexe Anforderungen an die Formfüllung vorhergesagt werden, einschließlich Entlüftung, Einspritzdüsenposition und die Materialmengen.

Für welche Anwendungen ist FOAM interessant und warum?

Aufgrund ihrer geringen Dichte sind Schäume für unterschiedlichste Anwendungen attraktiv. Sie kommen als Stoßdämpfer oder auch für die Schall- und Wärmedämmung zum Einsatz und sind als Sitzstruktur in Fahrzeugen aller Art, zum Beispiel in Rollstühlen, Auto- oder Flugzeugsitzen zu finden. In all diesen Anwendungen geht es darum, das Gewicht von Strukturen und Bauteilen gering zu halten, ohne dabei die erforderliche Festigkeit und Funktionalität zu beeinträchtigen.

In welchen Anwendungen wurde die Software FOAM schon eingesetzt?

Kühl-Gefrierkombination werden mit Polyethuran-Schaum ausgeschäumt. Eine möglichst hohe thermische Isolation von Kühlgeräten erreicht man, indem möglichst alle Hohlräume des Kühlgeräts durch PU-Schaum gefüllt werden. Sowohl den Füllprozess als auch die Schaumdichteverteilung konnten wir vollständig digital mit FOAM ermitteln. Auch zusätzliche Isolationselemente wie Vakuumisolationspaneele werden bei der Berechnung mitberücksichtigt.

Noch ein Beispiel: Auch Zellen in einem Batteriemodul müssen thermisch voneinander isoliert und mechanisch fixiert sein. Zylindrische Zellen werden häufig nebeneinander angeordnet und die Zwischenräume mit einem Schaum ausgefüllt. Wir können simulieren, wie sich der Schaum ausbreitet und ausdehnt und anhand der Ergebnisse bereits im Voraus untersuchen, ob alle Bereiche erreicht werden, die gefüllt werden müssen, und ob die Schaumverteilung homogen ist. Für große Batteriepacks mit hunderten von Zellen haben wir darüber hinaus eine hocheffiziente Homogenisierungsmethode realisiert, um die Berechnung schnell und ausreichend genau zu machen.

Jetzt genauer gefragt: Was ist der Digitale Zwilling FOAM?

Wir erstellen ein komplettes digitales Abbild für die Schaumstoff-Komponenten. Der Digitale Zwilling beginnt mit der Simulation des Aufschäumprozesses, um die lokale Dichte und Porengrößenverteilung des Schaumstoffbauteils zu bestimmen. Auf dieser Grundlage wird eine Schaumstoffdatenbank für verschiedene Dichten und Porengrößen dynamisch erstellt. Dieser Schritt stützt sich auf Mikrostruktursimulationen zur Bestimmung des effektiven mechanischen Verhaltens des Schaums, die wir mit der Software FeelMath durchführen. Abschließend kann unter Nutzung der Ergebnisse aus FOAM und FeelMath das Bauteildesign der Schaum-Komponenten mit einem Standard FE-Tool optimal ausgelegt werden, wobei wir die lokalen Materialeigenschaften und Prozessbedingungen mitberücksichtigen.

Sie haben die Software FeelMath angesprochen. Sie wird ebenfalls von Ihren Kolleginnen und Kollegen am Stand präsentiert. Welchen Nutzen bietet diese Software?

FeelMath ist ein extrem schnelles Analysewerkzeug für die Berechnung der effektiven mechanischen und thermischen Eigenschaften von Mikrostrukturen, die durch Volumenbilder oder analytische Beschreibungen, wie Schaummodelle, gegeben sind. Es leistet sozusagen Vorarbeit für die Bauteilsimulationen, indem es das notwendige Materialmodell für alle Dichtebereiche der Schaumkomponenten erstellt.

Sie halten auf der Messe einen Vortrag mit dem Titel »Beschleunigung und Optimierung der Schaumproduktion durch schnelle und präzise digitale Vorhersagetools«. Worauf können sich die Besucherinnen und Besucher freuen?

Im Vortrag zeige ich, wie das FOAM-Tool sowohl die Identifizierung geeigneter Modellparameter als auch die Schaumfüllung in anspruchsvollen Anwendungen wie der oben erwähnten hocheffizienten Simulationsmethode für große Batteriepacks und deren Nutzung auch in anderen Anwendungen. Die Teilnehmenden lernen eine Methode kennen, wie sie sehr große und komplexe Teile schnell und genau berechnen können, und trotzdem kleine Details dabei ausreichend genau berücksichtigen können. Sie erfahren mehr über die Möglichkeiten, die die Schaumsimulation als Werkzeug zur Prozessoptimierung bietet.

Danke für die Hintergrundinformationen und viel Erfolg auf der Messe!

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Konrad Steiner
Abteilungsleiter »Strömungs- und Materialsimulation«
Fraunhofer ITWM
Telefon +49 631 31600-4342
konrad.steiner@itwm.fraunhofer.de

Weitere Informationen:

http://www.itwm.fraunhofer.de/PM_FOAM-24_Interview

Media Contact

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Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM

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