Notarzteinsatz per Video
Zunehmende Rettungsfahrten verschärfen den Notärzte-Mangel, vor allem auf dem Land. Das mittelständische Unternehmen FTI will mit einer digitalen Lösung die Kapazitäten von Notärzten effektiver einsetzen.
Plötzliche Atemnot, stechender Schmerz in der Brust. Der Ehemann einer 80-Jährigen meldet der Notfallzentrale, dass er bei seiner Partnerin einen Herzinfarkt vermutet. Jetzt zählt jede Sekunde: Die Notfallzentrale alarmiert die nächstgelegene Rettungswache und der Krankenwagen fährt zum Unfallort. Gleichzeitig macht sich vom nächsten Krankenhaus ein Notarzt auf den Weg. Dieser ist bei Einsätzen mit lebensbedrohlichen Verletzungen oder Erkrankungen, wie Herzinfarkt oder Hirnschlag, immer dabei und nur er darf bestimmte Medikamente verabreichen.
Wie lange ein Rettungswagen vom Eingang des Notrufs bis zur Ankunft am Unfallort braucht, schreibt in jedem Bundesland die sogenannte Hilfsfrist gesetzlich vor. In Bayern sind es zwölf Minuten, in Mecklenburg-Vorpommern zehn. Doch gerade auf dem Land lässt sich diese Frist oft nicht einhalten. Gründe dafür sind die steigende Zahl an Rettungseinsätzen bei gleichzeitigem Ärztemangel. Laut einer Umfrage des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) fehlten Notärzte zwischen Anfang Dezember 2019 bis Anfang Januar 2020 in Einsätzen insgesamt 5.800 Stunden. Gleichzeitig steigen laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung die Ausgaben für Rettungsfahrten – aufgrund der zunehmend alternden Gesellschaft – seit zehn Jahren kontinuierlich an.
Notfallrettung droht zu kollabieren
Um Rettungsdienste, vor allem auf dem Land zu unterstützen, hat das mittelständische Unternehmen FTI Engineering Network GmbH aus Wildau bei Berlin die mobile Telenotarzt-Lösung Ambulance Video Assistance (AVA) entwickelt. „Die Anzahl an Einsätzen und die geringe Verfügbarkeit von Notfallärzten ist akut“, sagt Sebastian Timme, Projektmanager und Product Owner von AVA und Leiter Systementwicklung bei FTI. „Einige lokale Rettungsdienste mahnen mittlerweile an, dass die Notfallrettung kollabieren wird, wenn sich die Situation nicht ändert.“
Ursprünglich war das mittelständische Unternehmen aus Wildau bei Berlin spezialisiert auf Videosysteme für die Luftfahrt. Seit 2018 gehört die FTI zu den Unternehmen der Familie Peiker, deren Kernkompetenz die Kommunikation ist. Zukunftsweisende Kommunikationssysteme für die Bereiche Sport und Industrie sowie professionelle Tools für den Flugverkehr und die Logistik-Branche gehören zum Spektrum. Nun erweitert auch die FTI ihr Kundenspektrum und entwickelt, gemeinsam mit einem regionalen Rettungsdienst aus Brandenburg, die mobile Telenotarzt-Lösung AVA. Das Ziel: Die Kapazitäten der Notärzte, vor allem im ländlichen Raum, effektiver nutzen. „Der gesamte Einsatz eines Rettungswagens kann im ländlichen Raum bis zu drei Stunden dauern. In vielen Fällen wird die Fachexpertise eines Notarztes aber nur zehn Minuten benötigt, beispielsweise um die Vergabe eines bestimmten Medikaments anzuweisen“, sagt Timme.
Mit Bodycams, 360-Grad-Kameras, LTE-Routern, digitalen Videorekordern, Servern und Tablets im Rettungswagen, können die Notfallsanitäter den Notarzt bei Bedarf digital in den Rettungswagen holen. Ein handlicher Patientenmonitor ermöglicht es, den Notarzt mit an den Unfallort zu nehmen und Vitaldaten wie Blutdruck, Körpertemperatur oder Sauerstoff- und CO2-Sättigung des Patienten in Echtzeit zu übermitteln. „Mit der Telenotarzt-Lösung kann sich der Arzt per Video zum Notfall hinzuschalten und hat nach seinem Einsatz wieder Kapazitäten für weitere Notfälle“, sagt Timme.
Zuverlässige Konnektivität als Grundlage
Eine GSIM-Karte der Telekom in jedem Router sorgt dafür, dass alle Daten zuverlässig in Echtzeit übertragen werden. „Das Hauptargument für uns war, dass die SIM große Bandbreiten per Mobilfunk mit geringer Latenz übertragen kann“, sagt Timme. „Zudem stellt die SIM immer die beste verfügbare Konnektivität bereit.“
Auch bei weniger kritischen Fällen unterstützt die Lösung: Werden Patienten von einem Krankenhaus in ein anderes verlegt, muss laut gesetzlicher Vorgaben ein Notarzt im Rettungswagen die Werte prüfen, auch wenn die Patienten stabil sind. Mit der Lösung von FTI kann ein Notarzt die Werte von bis zu drei Patienten gleichzeitig digital überwachen. Das schafft Kapazitäten für Kollegen, die umgehend zu Notfällen, wie zu der 80-jährigen Frau mit Verdacht auf Herzinfarkt, fahren können.
Media Contact
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