(Quanten-)Geflüster über den Dächern von Jena

Im Bauch dieses grünen Containers auf dem Dach der Jenaer Stadtwerke verbirgt sich ein spezielles Teleskop zur Quantenkommunikation.
© Fraunhofer IOF

Teststrecke für Quantenkommunikation erfoscht hochsichere Kommunikation.

1,7 Kilometer Luftlinie trennt das Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF von den Stadtwerken Jena. Auf dieser Distanz erforscht das Institut mit einer Teststrecke den Austausch von Quantenschlüsseln via Freistrahl, also durch die Luft hindurch. Mithilfe dieser Technologie soll unsere Kommunikation in Zukunft hochsicher werden. Bei der »Langen Nacht der Wissenschaften Jena« am 25. November können Gäste die Teststrecke live in Aktion erleben.

Und so sieht das Teleskop aus. Dieses System verbindet das große Know-How im Design und der Fertigung von Metalloptiken am Fraunhofer IOF mit der Spitzenforschung im Rahmen der Quantentechnologien.
© Fraunhofer IOF

Hoch oben über den Dächern von Jena, auf dem Dach der Stadtwerke Jena in der Rudolstädter Straße – da steht er: ein anonymer, grüner Container. So anonym dann aber doch wieder nicht, denn der Container hat sogar einen Namen – oder vielmehr das, was sich in seinem Inneren verbirgt – nämlich: Bob.

Bob ist ein Teleskop, oder um genauer zu sein, eine Empfangsstation für eine lokale Teststrecke für neuartige Kommunikationssysteme. Und wo Daten empfangen werden, muss es auch jemanden geben, der Daten sendet. Dieser Jemand ist Alice – ein weiteres Teleskop. Sie steht 1,7 Kilometer Luftlinie entfernt in einem Labor des Fraunhofer IOF auf dem Beutenberg Campus.

Doch obwohl zwischen Bob und Alice eine halbe Stadt liegt, wissen beide miteinander zu reden – und das sogar auf äußerst vertrauliche und abhörsichere Art und Weise. Denn wenn Bob und Alice miteinander zu sprechen, dann sprechen sie die Sprache der Quanten.

Praktisch abhörsicher kommunizieren mit Quanten

Doch was sind Quanten überhaupt? Quanten sind die kleinsten uns bekannten Einheiten, die physikalische Wechselwirkungen hervorrufen können. Indem sie ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten folgen, weisen sie Eigenschaften auf, die größere physikalische Systeme nicht haben. Eben diese besonderen Eigenschaften machen Forscherinnen und Forscher in verschiedensten Anwendungsfeldern nutzbar. Ein solches Anwendungsfeld ist die Quantenkommunikation.

Bei der Quantenkommunikation handelt es sich um ein neuartiges Kommunikationssystem, das es praktisch unmöglich macht, Daten unbemerkt abzuhören. Aus diesem Grund ist die Quantenkommunikation schon heute für all jene Anwendungen von großem Interesse, wo sensible Daten langfristig geschützt und archiviert werden müssen, z. B. bei Daten von Behörden und Regierungseinrichtungen, Gesundheitsdaten von Bürgerinnen und Bürgern oder auch bei Konto- und Bankdaten.

Das Fraunhofer IOF widmet sich schon seit mehreren Jahren der Erforschung der Quantenkommunikation. Mit einer lokalen Teststrecke zwischen dem Institutsgebäude und den Jenaer Stadtwerken wird seit 2021 der Austausch von sogenannten Quantenschlüsseln via Freistrahl, also durch die Luft hindurch, erforscht. Die Teststrecke erlaubt es den Forscherinnen und Forschern schnell und unkompliziert neuste Systeme zur Quantenkommunikation in einer realen und anwendungsnahen Umgebung testen zu können – etwa Photonenquellen, Teleskopoptiken oder spezielle Messsysteme.

Erster erfolgreicher Quantenschlüsselaustausch via Freistrahl

Bereits 2021 haben die Forschenden auf der Teststrecke erstmals erfolgreich einen quantensicheren Schlüssel zwischen den beiden Standorten ausgetauscht. Der Schlüssel sorgt dafür, dass kein Dritter die Kommunikation zwischen Bob und Alice unbemerkt abhören kann. Dabei erreichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Schlüsselgenerierungsraten von bis zu 2.000 Byte pro Sekunde. Für den Austausch eines Quantenschlüssels innerhalb eines urbanen Gebietes, gehört diese Generierungsrate weltweit zu den höchsten. Sie würde zum Beispiel ausreichen, um ein Telefonat innerhalb einer Stadt problemlos hochsicher zu verschlüsseln.

Der Beweis, dass die Quantenkommunikation nachweislich sicher arbeitet, ist damit von den Mitarbeitenden des Fraunhofer IOF erbracht. Im nächsten Schritt geht es ihnen darum, zu untersuchen wie die Hardware, die zur Verteilung der Schlüssel notwendig ist, in Zukunft effizienter und kostengünstiger produziert werden kann. Denn nur so können Prototypen entwickelt werden, die in Industrie und Wirtschaft zum Einsatz kommen und damit eine Verbreitung der Quantenkommunikation im Alltag ermöglichen können. Speziell die Initiative QuNET, ein mit 125 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes und am Fraunhofer IOF koordiniertes Pilotprojekt, hat es sich dabei zum Ziel gesetzt, eine Grundlage für sichere und robuste IT-Netze zu schaffen, die schon heute gegen Cyberangriffe von morgen gewappnet sind. Erste Anwender dieser neuartigen Quantenkommunikation werden voraussichtlich Behörden oder Banken sein.

Bisher nur Geflüster in der Nacht – neue Filter sollen auch Kommunikation bei Tageslicht ermöglichen

Obwohl damit auf der Teststrecke bereits der erste große Meilenstein erreicht wurde, gibt es noch zahlreiche Herausforderungen, denen sich die Forscherinnen und Forscher auf dem Weg zu einer praxisnahen Quantenkommunikation im Alltag stellen müssen. Demnach ist die Nutzung der Quantenkommunikation derzeit zum Beispiel nur auf die Nachtzeit beschränkt, wenn der Austausch von Quantenschlüsseln nicht durch Sonnenlicht beeinträchtigt werden kann. Um dem entgegenzuwirken, arbeiten die Jenaer Forschenden derzeit an speziellen Filtern. Sie sollen es dem System künftig ermöglichen, unabhängig von den Lichtverhältnissen und damit auch am Tag arbeiten zu können.

Darüber hinaus plant das Team mittelfristig die Implementierung eines sogenannten heterogenen Netzwerks. Dabei wird die Freistrahlstrecke mit einer Faserverbindung zwischen Jena und Erfurt gekoppelt. Erst im September war es Forschenden gelungen, auf der 75 km langen Faserstrecke erstmals erfolgreich Quantenschlüssel auszutauschen (vgl. dazu unsere Pressemeldung vom 21. September 2022).

Durch die Kombination von Freistrahl- und Fasertechnologie wird die Quantenkommunikation in Zukunft nicht nur über vergleichsweise kurze Distanzen, etwa im innerstädtischen Bereich, sondern auch in größeren Metropolregionen nutzbar. Mithilfe von Sendern auf Kleinstsatelliten, die im Weltall stationiert sind und die ebenfalls am Fraunhofer IOF in Jena entwickelt werden, sind langfristig auch sichere Verbindungen über den gesamten Planeten möglich.

Geheimnisse der Quantenkommunikation bei der »Langen Nacht der Wissenschaften Jena« am 25. November entdecken

Zur »Langen Nacht der Wissenschaften Jena« (LNdW) am 25. November können Gäste die Teststrecke ab 18 Uhr live in Aktion erleben: Auf dem Dach der Stadtwerke, dort wo das Quanten-Teleskop Bob steht, wird eine rote Lampe blinken. Das Lichtsignal wird weithin über die Stadt, bis zum Beutenberg, sichtbar sein. Besucherinnen und Besucher am Fraunhofer IOF sind dazu eingeladen, die Signale, die eine Botschaft von den Stadtwerken hinüber zum Institut senden, zu entschlüsseln und sich dabei mit den Geheimnissen der Quantenkommunikation vertraut zu machen.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Matthias Goy
Fraunhofer IOF
Abteilung Emerging Technologies

Telefon: +49 (0) 3641 807 – 120
Mail: matthias.goy@iof.fraunhofer.de

Weitere Informationen:

https://www.iof.fraunhofer.de/de/presse-medien/pressemitteilungen/2022/quantente…
https://www.iof.fraunhofer.de/de/presse-medien/Aktuelles/lndw-2022.html

Media Contact

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Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF

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