Smarte Wartung von Maschinen: Neues KI-System erkennt auch unbekannte Fehler
Unzählige Sensoren sammeln heute massenhaft Daten von Industriemaschinen. Aus diesen Zahlenkolonnen lässt sich viel ablesen. Denn wie ein Gerät vibriert, rüttelt, brummt oder sich erhitzt ist ganz charakteristisch – im Normalzustand ebenso wie beim Verschleiß.
Winzige Temperaturschwankungen, minimale Schwingungsänderungen, feinste Veränderungen der Messwerte kündigen weit im Vorfeld an, wenn etwa ein Bauteil ermüdet. Der Knackpunkt liegt zum einen darin, diese zarten Andeutungen in der Datenflut zu erkennen.
„Ein einzelner Sensor kann in wenigen Tagen ein Terabyte Rohdaten liefern“, verdeutlicht Professor Andreas Schütze, Messtechnik-Experte von der Universität des Saarlandes. Zum anderen gilt es, die Vorzeichen in den Daten richtig zu deuten.
Schütze und sein Team haben mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft ein System entwickelt, das die richtigen Signaldaten aus der Datenfülle herauszieht. „Es ordnet die Signalmuster selbstständig Schadens-, Verschleiß- oder Fehlerzuständen zu und macht so den Zustand einer Anlage permanent sichtbar“, erklärt Schütze.
Dafür vergleicht das Programm im laufenden Betrieb die Sensordaten unablässig mit normalen Werten und typischen Mustern beginnender Fehlfunktionen und Schäden. Weichen die Muster ab, informiert das System, wann ein Schaden droht, und was zu tun ist.
Die Forscherinnen und Forscher haben an der Universität und am Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik Zema einen ganzen Baukasten aus Hard- und Software-Modulen entwickelt, mit dem das System für unterschiedliche Industrieanlagen individuell zusammengestellt werden kann.
Sogar unbekannte Fehler erkennt das System, es lernt aus ihnen und ordnet sie ihren Ursachen zu. Dies ist ein Novum: Bislang konnten KI-Systeme solche neuen Ereignisse nicht auswerten.
„Künstliche Intelligenz funktioniert durch Mustererkennung. Passiert etwas völlig Neues, kennt also das System ein Muster nicht, stößt es bislang an seine Grenzen. Wir entwickeln unser Programm so weiter, dass es erkennt: ´So etwas hatten wir noch nicht´, und dann den Menschen informiert“, erläutert Andreas Schütze.
Im Fachjargon nennt sich dies Novelty Detection. Kommt solch ein Ereignis öfter vor, ordnet das Programm mit neuen Daten diesen unbekannten Fehlern Ursachen und Folgen zu.
In mehreren Forschungsprojekten hatte Schützes Arbeitsgruppe für ihr System eine Vielzahl an Signalmustern aus der Masse von Messdaten herausgefiltert, die mit Veränderungen und Schadenszuständen von Maschinen in Zusammenhang stehen. Sie erstellten mathematische Modelle für Fehlergrade und lernten ihr System mit diesen an.
Das Programm lernt jetzt mit Methoden maschinellen Lernens automatisch dazu und erkennt Abweichungen von selbst. „Die Algorithmen integrieren auch neu gesammelte Daten in ihre Auswertungen. Dadurch wird es auch möglich, Anomalien zu erkennen und zu interpretieren“, erklärt Tizian Schneider, der im Rahmen seiner Doktorarbeit an dem System forscht.
Diese Erkenntnisse können mit weiteren KI-Funktionen verknüpft werden, wie mit automatischer Bestellung von Ersatzteilen. Auf diese Weise wird die Instandhaltung großer und auch schwer erreichbarer Anlagen planbar. Auch gibt das System seine Informationen in verständlicher Form an menschliche Instandhalter weiter.
Damit sie die Zahlen richtig deuten, erforschte das Team auch, die Ergebnisse automatisch für sie zu übersetzen. „Das System bricht die Information herunter auf das, was sie wissen müssen und gibt dies leicht verständlich nach außen weiter“, erklärt Tizian Schneider.
Jetzt will Schützes Team die neue Technik vor allem auch bei kleinen und mittelständischen Unternehmen bekannt machen: Im Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Saarbrücken, das am Zema angesiedelt ist, und vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert wird, bieten die Forscherinnen und Forscher Schulungen an.
Derzeit entwickeln sie ein KI-basiertes Assistenzsystem speziell für kleine und mittlere Unternehmen. „Gerade der Mittelstand und auch kleinere Firmen können das System nutzen, um sich durch Digitalisierung wettbewerbsfähig zu machen“, erklärt Andreas Schütze.
Förderung
Mit ihrer Forschung ist Schützes Arbeitsgruppe beteiligt an gleich zwei neu gestarteten Forschungsprojekten („KI-Predict“ und „KI-MUSIK4.0“), die das Bundesforschungsministerium (BMBF) im Rahmen von „Mikroelektronik für Industrie 4.0 (ElektroniK I4)“ fördert: 1,25 Millionen Euro fließen dafür allein an Schützes Lehrstuhl an der Universität des Saarlandes, um das System weiterzuentwickeln.
In beiden Verbundprojekten arbeiten insgesamt 20 Beteiligte aus Wissenschaft und Industrie zusammen, darunter HYDAC, Festo und Schaeffler. Insgesamt fördert das BMBF im Rahmen der Ausschreibung ElektroniK I4 bundesweit neun Verbundforschungsprojekte, die mit ihrer Elektronikforschung signifikant zur Umsetzung des Zukunftsprojekts Industrie 4.0 beitragen.
Das KI-System zur smarten Wartung von Maschinen hatte die Arbeitsgruppe von Professor Andreas Schütze im Rahmen des ebenfalls vom BMBF geförderten Verbundprojektes „Modulare Sensorsysteme für Echtzeit-Prozesssteuerung und smarte Zustandsbewertung“ (MoSeS-Pro) sowie in den Projekten „MessMo – Messtechnisch gestützte Montage“ (gefördert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, EFRE) und „EaSy-ML“ (gefördert im Rahmen von EFRE durch das „ZTS Zentrale Technologieprogramm Saar“) entwickelt.
Weitere Pressefotos für den kostenlosen Gebrauch finden Sie unter https://www.uni-saarland.de/universitaet/aktuell/artikel/nr/21907.html . Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen.
Kontakt:
Prof. Dr. Andreas Schütze,
Tel.: +49 (681) /302 4663, E-Mail: schuetze@lmt.uni-saarland.de,
Tizian Schneider: +49 (681) 85787 – 48; E-Mail: t.schneider@zema.de
http://www.lmt.uni-saarland.de
Am Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik (Zema) in Saarbrücken arbeiten Universität des Saarlandes, Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes und Industriepartner zusammen. Das Zema versteht sich als industrienaher Entwicklungspartner mit dem Ziel der Industrialisierung und des Technologietransfers von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen.
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