Was Werkern wirklich hilft: IT-Tools für manuelle Montageaufgaben bei John Deere getestet
In der Automobilindustrie werden auf einer Fertigungslinie oftmals mehrere Produktvarianten gefertigt. Die nahezu identischen Fahrzeugrahmen kommen »roh« auf dem Fließband angefahren und der Werker muss je nach Modell verschiedene Bauteile von Hand montieren. Jedoch erkennen viele Monteure am Rahmen nicht, um welches Modell es sich handelt.
»Vor allem Leiharbeiter, deren Anlernphase sehr kurz ist, können die Produktvarianten nicht auseinanderhalten«, weiß IPA-Projektleiter Benjamin Götz. Es kann schnell vorkommen, dass Teile vertauscht oder falsch montiert werden. »Je später in der Produktion ein Fehler bemerkt wird, desto teurer und aufwendiger ist es, ihn zu beheben. Solche Arbeiten sind in der Prozesskette nicht eingeplant und erfordern viele Zusatzschritte«, kritisiert Götz.
Auch beim Traktorhersteller John Deere in Mannheim werden verschiedene Modelle auf einer Fertigungslinie hergestellt. »Bis zu 60 Montagevariationen führen die Werker durch«, erklärt Götz. Um die Mitarbeiter zu entlasten und die Qualität zu steigern, hat das Projektkonsortium von BEinCCPS (Business Experiments in Cyber-Physical Production Systems) digitale Lösungen entwickelt und im April 2017 in der Produktion von John Deere testweise implementiert. Bis zum Projektende im Oktober 2018 sind Smart Glasses, ein Pick-by-Light-System und ein kamerabasiertes Quality Gate zum Einsatz gekommen.
Unterstützung durch Datenbrille und Lichtsignale
Für ihre digitalen Hilfsmittel haben die IPA-Experten die Aufträge, die Montageanleitungen und die Anzeige der Montageschritte über die Middleware-Lösung »Manufacturing Service Bus« (MSB) miteinander verknüpft. Dafür wurden die am Rahmen der Traktoren angehängten »Build Tags« genutzt, die der Mitarbeiter vor der Montage einscannt. Die Software von BEinCCPS, die mit dem MSB verbunden ist, erkennt damit, welche Bauteile erforderlich sind. Auf diese Weise können dem Werker gezielt Zusatzinformationen zu seinem Auftrag mitgeteilt werden.
Um diese Hinweise sichtbar zu machen, haben die IPA-Experten einen Prototyp einer Datenbrille von Konica Minolta in der Produktion eingesetzt. Nachdem der Werker den Build Tag gescannt hat, bekommt er Details zur Aufgabe, zum Beispiel Stücklisten mit Bauteilen oder ein Bild vom fertig montierten Rahmen, im Sichtfeld eingeblendet.
Weiterhin getestet wurde ein Pick-by-Light-System, das dem Mitarbeiter mit einem gelben Lichtsignal anzeigt, welche Bauteile für die aktuelle Montageaufgabe benötigt werden. Das System erhält dafür alle notwendigen Daten von der Software und schickt die Steuerbefehle über einen Access Point kabellos an die Displays.
Automatisierte Qualitätskontrolle mit kurzer Einlernphase
Zur Qualitätssicherung nach der Montage haben die IPA-Wissenschaftler ein kamerabasiertes Qualitätstor der Firma IOXP integriert. Die Besonderheit ist, dass das System eingelernt werden kann. Dafür nimmt die Kamera das Montageergebnis auf und vergleicht das Bild mit seinen historischen Daten und den aktuellen Auftragsdaten. Um einen Grundstock an historischen Daten aufzubauen, werden die ersten Prüfungen begleitet. Anschließend teilt man dem System über eine Benutzerschnittstelle mit, ob das Montageergebnis korrekt ist. Jetzt kann es eigenständig arbeiten.
In ihrem Experiment haben die Forscher auch untersucht, welche Hilfsmittel sich für welche Zielgruppe eignen. »Es hat sich gezeigt, dass jüngere Mitarbeiter der Smart-Glass- Lösung positiv begegnen, während das Pick-by-Light-System im Allgemeinen eine hohe Akzeptanz fand«, meint Götz. Das Experiment bei John Deere hat die Wirksamkeit der IT-Tools bestätigt: Seit Projektstart vor über 200 Tagen sind keine Montagefehler aufgetreten. »Unser Partner hat uns rückgemeldet, dass sich die Monteure sicherer fühlen, wenn sie mit den Werkzeugen arbeiten«, freut sich Götz. Bis zum Projektende sollen die IT-Tools weiter getestet und optimiert werden.
Die Umsetzung eignet sich für jedes Unternehmen, das manuelle Montageprozesse mit hoher Variantenvielfalt durchführt. »Bei einer hohen Mitarbeiterfluktuation, zum Beispiel durch Leih- oder Zeitarbeiter, lässt sich damit die Anlernphase verkürzen«, betont der Projektleiter. Ein weiterer Vorteil sei der geringe Installationsaufwand vor Ort. »Alle Lösungen sind auf der Virtual-Fort-Knox-Cloud verfügbar. Das Unternehmen braucht dafür nur einen Internetanschluss«. Des Weiteren ist die Hard- und Software kostengünstig.
Auf der Hannover Messe 2018 von 23. bis 27. April zeigen die Partner von BEinCCPS die IT-Tools am Stand vom Land Baden-Württemberg in Halle 6 | Stand C18. Die Ergebnisse des Projekts BEinCPPS (GA Nr. 680633) wurden vom europäischen Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 gefördert und sind Teil der I4MS Initiative.
Pressekommunikation
Ramona Hönl | Telefon +49 711 970-1638 | ramona.hoenl@ipa.fraunhofer.de
Fachlicher Ansprechpartner
Benjamin Götz | Telefon +49 711 970-1354 | benjamin.goetz@ipa.fraunhofer.de
Meldung im Internet: https://www.ipa.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/it-tools-fuer-manuel…
Projektwebsite: http://www.beincpps.eu/
Mediendienst 2.2018: https://www.ipa.fraunhofer.de/content/dam/ipa/de/documents/Presse/Presseinformat…
Website Hannover Messe: http://www.hannovermesse.de/
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