Abstoßende Unordnung: Was macht cholesterinhaltige Oberflächen so abweisend?
Forscher des Leibniz-Instituts für Polymerforschung Dresden, der Universität Leipzig und der TU Dresden haben jetzt entdeckt, warum an cholesterinhaltigen Oberflächen die Anlagerung von Proteinen und Bakterien stark vermindert sein kann. Die Studie wurde bei Nature veröffentlicht.
Lebende Organismen nutzen sehr effektive physikalische Prinzipien, um Wechselwirkungen an ihren Oberflächen zu steuern. Forscher des Leibniz-Instituts für Polymerforschung Dresden, der Universität Leipzig und der TU Dresden haben jetzt entdeckt, warum an cholesterinhaltigen Oberflächen die Anlagerung von Proteinen und Bakterien stark vermindert sein kann.
Das von Carsten Werner geleitete interdisziplinäre Team hatte Cholesterin zuvor als Bestandteil der Haut von weit verbreiteten wirbellosen Tieren (Collembolen) identifiziert, die durch ihre Haut atmen und diese daher vor Verunreinigungen schützen müssen. In ihrer am 22. Juni 2023 in der Zeitschrift Nature veröffentlichten Arbeit konnten die Wissenschaftler nun einen repulsiven Wirkmechanismus von cholesterinhaltigen Oberflächen aufklären. Mit Experimenten, Simulationen und thermodynamischen Analysen zeigten sie, wie durch spontane Änderung der Ausrichtung der Cholesterinmoleküle eine „entropische Barriere“ entsteht, die cholesterinhaltige Oberflächen abweisend macht.
Die Entwicklung synthetischer Materialien, die das entdeckte Prinzip nutzen, ist vielversprechend, da es für viele Produkte und Technologien wichtig ist, die Anlagerung von Biomolekülen und Bakterien wirksam zu minimieren. Allerdings erfordert eine solche „Übersetzung“ des Effekts zur skalierbaren, robusten Oberflächenfunktionalisierung weitere Forschungsarbeit.
Am Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden (IPF) werden Grundlagen für neue Materialien und deren Anwendung in Zukunftstechnologien erarbeitet, wobei Biologie-inspirierte Materialkonzepte immer mehr an Bedeutung gewinnen. Die Professur für Biophysikalische Chemie der Universität Leipzig arbeitet eng mit dem IPF auf dem Gebiet der biomimetischen Materialien zusammen. Am Exzellenzcluster Physics of Life der TU Dresden werden Grundprinzipien der Funktionalität lebender Materie erkundet.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Carsten Werner, werner@ipfdd.de
Originalpublikation:
Jens Friedrichs, Ralf Helbig, Julia Hilsenbeck, Prithvi Raj Pandey, Jens-Uwe Sommer, Lars David Renner, Tilo Pompe und Carsten Werner
Entropic repulsion of cholesterol-containing layers counteracts bioadhesion.
https://doi.org/10.1038/s41586-023-06033-4 (2023)
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Interdisziplinäre Forschung
Aktuelle Meldungen und Entwicklungen aus fächer- und disziplinenübergreifender Forschung.
Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Mikrosystemforschung, Emotionsforschung, Zukunftsforschung und Stratosphärenforschung.
Neueste Beiträge
Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen
An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…
Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean
20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….
Resistente Bakterien in der Ostsee
Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…